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Hunderte Todesurteile in Ägypten

28. April 2014

Es ist der größte Massenprozess der ägyptischen Geschichte - jetzt wurden neue Richtersprüche verkündet. Das Urteil ist ein harter Schlag gegen die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi.

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Der Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft, Mohamed Badie (Foto: AFP)
Bild: AHMED GAMIL/AFP/Getty Images

683 mutmaßliche Islamisten sind nach Angaben aus Justizkreisen zum Tode verurteilt worden. Ein Gericht in der oberägyptischen Stadt Minia sprach die Angeklagten wegen der Teilnahme an gewalttätigen Protesten und wegen Mordes schuldig. Unter den Verurteilten befindet sich auch der Anführer der Muslimbrüderschaft, Mohammed Badie. Zugleich seien 492 von 529 im März verhängten Todesurteilen aufgehoben und in lebenslange Haft umgewandelt worden, teilten Anwälte mit. 37 Todesurteile seien hingegen in letzter Instanz bestätigt worden.

Das Urteil richtet sich gegen die Teilnehmer gewalttätiger Demonstrationen vom 14. August letzten Jahres in Minja. An jenem Tag waren bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte gegen Mursi-Anhänger in Kairo rund 700 Demonstranten getötet worden. Der erste demokratisch gewählte Präsident Mursi war Anfang Juli 2013 vom Militär gestürzt worden.

Verschärfte Spannungen

Das Urteil gegen den 70jährigen Badie, das Oberhaupt der Muslimbruderschaft, dürfte die Spannungen in Ägypten weiter verschärfen. Die Regierung hat die Muslimbrüder als Terroristen eingestuft und geht gegen sie vor. Die Organisation weist die Vorwürfe zurück.

Die Muslimbruderschaft ist die größte und traditionsreichste Islamistenorganisation der arabischen Welt. In Ägypten sitzen ihre politischen Führer bis auf wenige Ausnahmen im Gefängnis. Ex-Präsident Mursi, der als Kandidat der Muslimbrüder 2012 die Präsidentenwahl gewonnen hatte, muss sich in mehreren Gerichtsverfahren unter anderm wegen Hochverrats, Spionage, Aufruf zur Tötung von Demonstranten, Verleumdung der Justiz sowie wegen eines Gefängnisausbruchs im Jahr 2011 verantworten.

Internationale Kritik

Die Bundesregierung hat angesichts der Urteile in Ägypten erneut die Todesstrafe als Instrument des Strafrechts kategorisch abgelehnt. Diese Position vertrete die Regierung offensiv gegenüber Ländern, in denen die Todesstrafe noch gelte, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier verlangte inzwischen die Aufhebung der Todesurteile. "Die heute hundertfach verhängten Todesurteile sprechen allem Hohn, was wir unter rechtsstaatlichen Prinzipien verstehen", sagte er in Berlin. Die Behörden riskierten damit eine weitere Destabilisierung des Landes. Der ägyptischen Botschafter in Berlin wurde deshalb zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten. Steinmeier äußerte die "klare Erwartung, dass die Urteile aufgehoben und den Verurteilten ein fairer Prozess ermöglicht wird".

Auch Bundespräsident Joachim Gauck kritisierte den Richterspruch. Die Entscheidungen bereiteten ihm große Sorge, sagte Gauck während seines Türkei-Besuchs. Er sprach sich für Kontakte mit den ägyptischen Behörden aus, um eine maßvollere Justiz zu ermöglichen. Eine Sprecherin der Bürgerrechtsgruppe Human Rights Watch sagte, es handele sich möglicherweise um die größte Zahl von Todesurteilen in der jüngeren Geschichte. Das Ziel sei offenbar, bei den Gegnern der Übergangsregierung Angst und Terror zu schüren.

Jugendbewegung verboten

Ein weiteres hartes Urteil traf am Montag die für Demokratie eintretende Jugendbewegung 6. April. Ein ägyptisches Gericht verbot alle Aktivitäten der Organisation, die zu den führenden Gruppen der Revolte von 2011 zählt. Nach Angaben der Justizbehörden wird ihr Spionage und Verleumdung des Staates vorgeworfen.

Die Bewegung 6. April war maßgeblich am Sturz des langjährigen ägyptischen Machthabers Husni Mubarak im Februar 2011 beteiligt. Später protestierte die Bewegung gegen den 2012 gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi, aber auch gegen die nach dessen Sturz im Juli 2013 vom Militär eingesetzte Regierung. Nach dem Sturz Mursis hatte die Demokratiebewegung die Armee für ihr brutales Vorgehen gegen Mursi-Anhänger kritisiert. Die Regierung ging in der Folge mit zunehmender Härte gegen die Aktivisten vor. Der Anführer der Bewegung 6. April, Ahmed Maher, wurde im Dezember wegen nicht genehmigter Proteste zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

jj/as/kle (dpa, rtr, afp)