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Netz-Debatte über Transgender-Teenager

Sella Oneko / tk / an3. Januar 2015

Der Tod der transsexuellen Leelah Josh Alcorn hat heftige Diskussionen in den sozialen Netzwerken ausgelöst. In einem Blog hatte sich der US-Teenager zuvor von Familie und Freunden verabschiedet.

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Porträt Leelah Alcorn (Foto: Lazerprincess/Tumblr)
Bild: Lazerprincess/Tumblr

Der rosafarbene Beitrag mit dem Titel "Abschiedsbrief" hat auf der Blog-Plattform Tumblr für Aufregung gesorgt: Eine von der Cartoon-Figur "Hello Kitty" inspirierte Animation hüpft im Hintergrund auf und ab. "Wenn du dies liest, habe ich es offensichtlich nicht mehr geschafft, diesen Eintrag aus dem Netz zu löschen, weil ich mich umgebracht habe", schreibt der 17-jährige High-School-Schüler Joshua Alcorn, der am 28. Dezember in Kings Mills im US-Staat Ohio von einem Sattelschlepper überfahren wurde. Die Nachricht ist unterschrieben mit "(Leelah) Josh Alcorn". Darüber ein weiterer Blogeintrag mit dem Titel "Sorry", der sich an Freunde und Verwandte richtet.

Während die Polizei noch immer die Todesumstände untersucht, wie die Zeitung WCPO Cincinnati berichtet, hat der Tod des Teenagers weltweite Diskussionen über die Akzeptanz transsexueller Menschen ausgelöst. Der Blogeintrag wurde mehr als 170.000-mal allein auf Tumblr geteilt, über 52.000 Nutzer verbreiteten die Nachricht auf Twitter. Chris Seelbach, Stadtverordneter aus Cincinnati, teilte den Brief auf Facebook. Cincinnati habe bereits Fortschritte gemacht beim Schutz der Geschlechtsidentität, schrieb er, doch: "Wir müssen es einfach besser machen." Auch offenschwule Prominente, wie der US-Blogger Perez Hilton und der britische Schauspieler Stephen Fry, äußerten sich im Netz zu Alcorns Tod. Er sei "sehr, sehr traurig", schreibt Fry. Unverständnis für Leute wie Leelah Alcorn sei weit verbreitet.

Leelah schilderte im Netz den Wendepunkt ihres Lebens: "Als ich 14 war, habe ich erfahren, was transgender bedeutet und ich weinte vor Glück. Nach zehn Jahren Verwirrung habe ich verstanden, wer ich war." Sie beschreibt, wie sie sich in der Schule als schwul geoutet und ihrer Mutter erzählte, wie sie sich als Mädchen im Körper eines Jungen gefangen fühlte. Leelah berichtet, wie ihre Eltern sie zu einem christlichen Therapeuten schickten, sie von der Schule nahmen und von ihren Freunden isolierten. Nach fünf Monaten erlaubten die Eltern ihr zwar, wieder Laptop und Telefon zu benutzen. Aber der seelische Schaden war offenbar nicht wieder gutzumachen. Leelah hatte sich vergeblich danach gesehnt, von ihren Eltern so akzeptiert zu werden, wie sie war.

"Ich werde niemals damit glücklich sein, wie ich aussehe oder wie ich mich anhöre", schreibt sie. "Entweder lebe ich den Rest meines Lebens als einsamer Mann, der sich wünscht eine Frau zu sein. Oder ich lebe mein Leben als noch einsamere Frau, die sich hasst. Man kann nicht gewinnen, es gibt keinen Ausweg." Sie sollten sich zum Teufel scheren, schrieb Leelah an ihre Eltern, die sich geweigert hatten, ihren Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung zu akzeptieren: "Ihr könnt nicht einfach über andere Menschen in dieser Weise herrschen."

An Leelahs Todestag Ende Dezember hatte ihre Mutter Carla Wood Alcorn zunächst versucht, per Internet Familienidylle zu verbreiten: "Mein süßer 16-jähriger Sohn, Joshua Ryan Alcorn, ist heute Morgen in den Himmel heimgekehrt. Er war früh am Morgen unterwegs auf einem Spaziergang, als er von einem Lastwagen erfasst wurde. Danke für die Nachrichten und die Güte und die Anteilnahme, die Ihr uns habt zukommen lassen."

Doch viele Social-Media-Nutzer wollten nach Leelahs Tod lieber ihrem Groll Luft machen. Sie kritisierten die Eltern heftig dafür, wie diese ihr Kind behandelt hätten und wie sie mit Leelahs Geschlechtsidentität und Namenswahl umgegangen seien.

Einige wenige Stimmen im Internet mahnten allerdings auch, dass "Leelahs Tod nicht dazu führen sollte, Hass zu säen", und dass eine Dämonisierung der Eltern ihnen sogar die Möglichkeit gebe, "die Opfer-Karte zu spielen."

Leelah hat ihren gesamten Besitz einer Transgender-Bürgerrechtsgruppe vermacht. Ihre Abschiedsworte im Netz enden mit dem Appell, Geschlechtsidentität in Schulen zu lehren – je früher, desto besser. In den vergangenen Tagen haben Gruppen in den Sozialen Medien Zulauf gewonnen, die gegen Therapien zur Änderung der sexuellen Identität kämpfen. Außerdem gibt es bereits Initiativen, die Alcorns Vornamen auf ihrem Grabstein ändern wollen - von Joshua in Leelah.