1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tiefer Börsenstrompreis erhöht EEG-Umlage

Gero Rueter22. März 2013

Die EEG-Umlage habe mit den tatsächlichen Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien nur wenig zu tun, sagt Energieexperte Felix Matthes. Mit einem Umlagenrechner will er die Debatte objektivieren.

https://p.dw.com/p/180bg
Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts in Berlin; Copyright: Öko-Institut e.V.
Felix MatthesBild: Öko-Institut e.V.

Deutsche Welle: Herr Matthes, Sie haben einen Rechner entwickelt, der die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien berechnet. Was zeigt er?

Felix Matthes: Man kann sehen, welche Parameter einen besonders großen Einfluss auf diese Umlage für die Förderung der erneuerbaren Energien haben. Dies ist hilfreich, um die Debatte zu objektivieren. Die Debatte wird ja im Wesentlichen auf der Basis von Angstzahlen geführt.

Wovon hängt die Umlage denn ab?

Die Umlage hängt von vielen Parametern ab, vom Zubau der erneuerbaren Energien und den Einspeisevergütungen für diese Technologien. Einen viel größeren Einfluss für diese Umlage hat aber der Börsenstrompreis. Die geförderten Mengen erneuerbarer Stromerzeugung werden ja an der Börse verkauft. Und wenn der Börsenstrompreis sinkt, dann sinken die Erlöse - und dann steigt die Umlage für die erneuerbaren Energien.

Die derzeitige Debatte fokussiert sich allein auf die EEG-Umlage, und das ist völlig falsch. Die EEG-Umlage ist ein technischer Parameter, der im Rahmen der Förderung erneuerbarer Energien nötig ist, um das Geld wieder reinzubekommen. Das ist aber nicht zu verwechseln mit den Kosten. Die Kosten der Umlage ergeben sich aus anderen Faktoren. Und eines der Probleme ist momentan, dass ein technischer Umsetzungsindikator vermixt, verwechselt oder falsch verkauft wird als eine Kostengröße - und daran hängt sich die ganze Diskussion auf.

Das heißt, die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien, die EEG-Umlage, ist kein geeignetes Barometer für die Energiewende?

Nein, sie ist kein geeigneter Indikator. Das zeigt sich allein aus der Mechanik: Wenn der Preis an der Börse sinkt, warum auch immer, dann steigt die EEG-Umlage. Das heißt aber, dass für die Stromverbraucher ein Element der Preisbildung sinkt, nämlich der Strombörsenpreis, und ein anderes Element steigt, nämlich die EEG-Umlage. Worauf es ankommt, ist der Nettoeffekt aus beiden Entwicklungen, und das ist in der Diskussion weitgehend verlorengegangen.

Warum sinkt denn der Börsenstrompreis?

Aus mehreren Gründen: Der Börsenstrompreis sinkt, wenn sich die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern. Die Veränderung der Börsenpreise seit dem letzten Jahr sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der CO2-Emissionshandel schwächer geworden ist und in einer Krise ist.

Wir haben in Europa einen massiven Überschuss dieser Zertifikate, und deswegen ist allein der Börsenstrompreis um einen halben Cent gesunken. Das heißt also, weil ein klimapolitisches Instrument schwächer geworden ist, nämlich das EU-Emissionshandelssystem, muss die Förderung der erneuerbaren Energien das jetzt ausgleichen. Und wenn man sich in der Diskussion nur auf die Umlage fokussiert, dann geht das ins Leere.

Ein zweiter Effekt sind sinkende Steinkohle- und Erdgaspreise. Ein dritter Effekt: Der Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allen von Sonne und Wind führt dazu, dass fossile Kraftwerke verdrängt werden, und dadurch an der Börse der Strompreis sinkt.

Heute hat die Menge der geförderten erneuerbaren Energien etwa einen preissenkenden Effekt von knapp einem Cent pro Kilowattstunde an der Strombörse. Das heißt also, die EEG-Umlage kosten zwar im Moment 5,3 Cent/kWh für die privaten Haushalte, sie haben aber eben auch an der Börse den Strompreis um einen knappen Cent verringert. Das heißt, der Nettoeffekt ist dann nicht 5,3, sondern allerhöchstens 4,3 Cent/kWh.

Kann Ihr Rechner auch eine andere Umlageverteilung berechnen?

Auch das ist einer der großen Mythen in der Debatte. Die EEG-Umlage ergibt sich einerseits aus den Kosten des Systems und den Erträgen an der Strombörse. Es gibt aber ein weiteres Element, das ist die Umverteilung im Rahmen des Systems. Es ist ja so, dass die Industrie - und das ist ungefähr ein Fünftel des Stromverbrauchs - von der EEG-Umlage weitgehend befreit ist. Das heißt, zwischen 20 und 25 Prozent der EEG-Umlage, die die normalen Stromverbraucher zahlen, resultiert aus einer Umverteilung, also einer Befreiung der Industrie von den Kosten der Förderung erneuerbarer Energien. Auch diese Größe kann man in unserem Rechner verstellen. Und auch hier sehen Sie wieder: Von den fünf Cent pro Kilowattstunde ist noch mal ein weiterer Cent Resultat von Industriepolitik und nicht von der Förderung erneuerbarer Energien.

Also, angenommen, die Umlage würde auf alle Verbraucher gleichmäßig verteilt und die CO2-Zertifikate hätten einen Preis, den die Wissenschaft als realistische Größe angibt. Würden alle Umwelt und Klimaschäden Schäden eingerechnet, so läge dieser CO2-Preis bei 70, 80 Euro je Tonne. Wie hoch wäre dann die EEG-Umlage?

Wenn der CO2-Preis bei 70 Euro die Tonne liegen würde, hätten wir überhaupt keine EEG-Umlage oder eine sehr viel geringere oder eine extrem geringe EEG-Umlage. Ein CO2-Preis von 70 Euro pro Tonne CO2 würde den Börsenpreis sozusagen in der Größenordnung von sieben Cent pro Kilowattstunde erhöhen, dann gäbe es für die Förderung erneuerbarer Energien sozusagen nahezu kein Kostenproblem mehr.

Wenn es uns aber auch nur gelingen würde, das System zu reparieren und der Börsenpreis nur um einen Cent nach oben käme und mal rein theoretisch alle Ausnahmen für die Industrie gestrichen würden, dann würde die EEG-Umlage, die wie gesagt ein falscher Steuerungsindikator ist, von etwa 5,3 auf die Größenordnung von drei Eurocent fallen.

Wie wäre denn die Reparatur des CO2-Handelsystem? Wo läge denn dann der CO2-Preis?

Also, das ist der Preis, den man erzielen kann, wenn man sich schnell daran macht, das System zu reparieren. Dann würde der Börsenpreis wahrscheinlich eher um 2,5 bis drei Cent über den heutigen Werten liegen. Das sind ungefähr die Werte, die wir auch im Jahr 2008 hatten. Da lagen die CO2-Preise schon mal bei 30 Euro pro Tonne. Das ist dann auch ungefähr die Größenordnung, wo erneuerbare Energien anfangen, wettbewerbsfähig zu werden. Das heißt, wenn der Börsenstrompreis in der Größenordnung von acht Cent liegen würde, wären die Zusatzkosten für die erneuerbaren Energien auch nur noch entsprechend gering.

Fassen wir kurz zusammen: Angenommen, die CO2-Zertifikate hätten wie 2008 einen Preis von 30 Euro pro Tonne und die Umlage würde auf alle Stromabnehmer gleichmäßig verteilt werden: Wie hoch wäre dann die EEG-Umlage noch?

Bei etwas über einem Cent.

Herr Matthes, warum gibt es jetzt so viel Streit um die Umlage?

Ich glaube, das ist ein politischer Grund. Man will versuchen, die Förderung erneuerbarer Energien zu diskreditieren. Um dies zu tun, hat man sich auf einen ungeeigneten Indikator eingeschossen. Wichtig sind aber die Nettoeffekte, die bei den Stromkunden ankommen, und nicht die Entwicklung eines einzelnen Einflussparameters beim Strompreis.

Ich glaube, da ist viel Wahlkampf dabei. Wenn man sich das ganz entspannt anguckt, dann ist es weiterhin so, dass die Stromkosten an den privaten Konsumausgaben in Deutschland seit 1991 etwa konstant sind, nämlich bei zwei Prozent. Wenn Sie das mal vergleichen mit dem Anteil der privaten Konsumausgaben, den wir inzwischen für Telekommunikation ausgeben, der liegt bei dem Doppelten und hat sich in den letzten 20 Jahren massiv erhöht. Das ist also eine völlig asymmetrische Wahrnehmung der Debatte und hat mit der wirklichen Situation wenig zu tun.

Sollte sich denn an diesem Abrechnungssystem zukünftig etwas ändern?

Ich glaube, an der Förderung der erneuerbaren Energien insgesamt muss sich etwas ändern. Das ist aber ein großes Reformvorhaben, das kurzfristig und inmitten von viel Wahlkampfgetöse nicht umzusetzen ist.

Wir kommen mit den erneuerbaren Energien jetzt raus aus der Nischenphase, der Anteil des erneuerbaren Stroms steigt über 25 Prozent. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss untereinander optimiert werden - und da müssen wir andere Preissignale schaffen. Das ist ein großes Reformvorhaben, das in der nächsten Legislaturperiode dringend angegangen werden muss.

Dr. Felix Christian Matthes ist Klima- und Energieexperte am Öko-Institut in Berlin. Das Öko-Institut ist eines der europaweit führenden, unabhängigen Forschungsinstitute für eine nachhaltige Zukunft. Im Auftrag der Agora Energiewende entwickelte Felix Matthes einen Rechner, der die komplexe EEG-Umlage berechnet. Der Rechner ist seit dem 18.3.2013 im Netz.