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Thomas Manns zweites Zuhause im Exil

Miodrag Soric28. August 2012

Der Dichter tat sich zunächst schwer mit dem Land, das ihm Zuflucht vor den Nazis bot. Doch in New York fand er ein Umfeld, das ihm den Neustart ermöglichte. Dieser Neuanfang hatte einen Mittelpunkt: das Hotel Bedford.

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Porträt Thomas Mann. Foto: AFP
Thomas MannBild: AFP/Getty Images

Warum in die USA? Wo ihm doch das Land zunächst so fremd war? Die Antwort klingt banal: Wie so viele Gegner der Nationalsozialisten fühlte sich Thomas Mann nirgends in Europa wirklich sicher vor den Nazis. Die US-Amerikaner nahmen ihn mit offenen Armen auf. Gleich nach seiner Ankunft in New York gab er am 21. Februar 1938 eine Pressekonferenz und sagte: "Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir." Der damals 63-jährige Dichter ließ sich von Hitler seine deutsche Identität nicht nehmen.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 war Thomas Mann von einer Vortragsreise im Ausland nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. Das NS-Regime entzog ihm 1936 die deutsche Staatsbürgerschaft. Nach mehreren Zwischenstationen siedelte Thomas Mann mit seiner Familie im Februar 1938 in die USA über.

“Amerikanisches Kindervolk”

Thomas Mann mit seiner Frau Katia. Foto: AFP
Thomas Mann mit seiner Frau KatiaBild: AFP/Getty Images

Noch in den 1920er Jahren zeigte Thomas Man kaum Interesse für die USA. Er nannte die US-Amerikaner ein “schönes, energisches und zivilisiertes Kindervolk”. Er sprach – wie so viele Deutsche – in einem freundlichen, aber gleichzeitig gönnerhaften Ton über dieses “Kindervolk”. Seine Einstellung änderte sich erst nach der Übersiedlung in die USA. Am Ende adaptierte er zumindest einen Teil des American Way of Life: Er interessierte sich für Baseball, genoss am Abend eine Bloody Mary und liebte amerikanische Filme. 1944 erwarb er die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Die Englischkenntnisse von Thomas Mann waren zunächst bescheiden, besserten sich im Laufe der Jahre. Seine Kinder sprachen hingegen sehr gut Englisch. Reden in englischer Sprache las Thomas Mann vom Blatt ab. Das Weltgeschehen verfolgte er in den großen US-amerikanischen Zeitungen.

Schicksalhafte Begegnung

Dass es ihm in den USA vergleichsweise gut erging, verdankt Thomas Mann vor allem Agnes E. Meyer. Die Journalistin interviewte ihn für die Washington Post am 22. April 1937 im New Yorker Hotel Bedford, noch vor der Übersiedlung in die USA. Thomas Mann war auf einer Vortragsreise in die USA. Die deutschstämmige Agnes E. Meyer wurde zu seiner größten Verehrerin. Sie war wohlhabend und einflussreich, ihrem Mann gehörte die Washington Post. Sie öffnete Thomas Mann in New York und später auch in Washington die Türen zu den höchsten Gesellschaftskreisen – bis hin zum amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt.

Agnes E. Meyer sorgte dafür, dass Thomas Mann nach seiner Übersiedlung in die USA an der angesehenen Universität Princeton, eineinhalb Eisenbahnstunden von New York entfernt, eine Anstellung bekam. Dort verdiente er gut, verkehrte mit Albert Einstein, der dort ebenfalls lehrte. Gleichzeitig hatte Thomas Mann keinerlei zeitraubende Verpflichtungen an der Uni, konnte regelmäßig nach New York fahren, wo er sich mit seinen Verlegern oder deutschen Emigranten traf.

Die nächste Generation

Hotel Bedford in Manhattan. Foto: DW
Das Hotel Bedford empfängt auch heute noch GästeBild: DW

In der Millionenstadt residierte Thomas Mann im Hotel Bedford im Herzen von Manhattan. Hotelmanager Anton Nagel war ebenfalls deutscher Emigrant, ihn kannte der Dichter seit Jahren persönlich.

Im Hotel Bedford mit der Adresse 118 East 40th Street stiegen auch die Kinder Klaus und Erika Mann ab. Beide unternahmen – wie auch ihr Vater – zahlreiche Vortragsreisen quer durch die USA, meist um die amerikanischen Zuhörer vor Hitler zu warnen.

Die Monate, die Klaus Mann im Hotel Bedford verbrachte, gehören zu den produktivsten in seinem Leben. Hier verfasste er den Roman “Der Vulkan”, in dem es um das Schicksal deutscher Emigranten nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten geht. Klaus Mann bezeichnete den Roman als seinen wichtigsten. Nach der Erstveröffentlichung – ein Verkaufserfolg wurde das Buch zunächst nicht - zollte ihm auch sein Vater Anerkennung.

Schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis

Klaus Mann schrieb seinen Erstling im Hotel Bedford Foto: dpa
Klaus Mann schrieb sein Erstlingswerk im Hotel BedfordBild: picture-alliance/dpa

Das Verhältnis zwischen den beiden war gespannt. Thomas Mann lehnte die Homosexualität, die sein Sohn nicht verbarg, kategorisch ab. Thomas Mann war auch für Familienmitglieder oft unnahbar. Er zog sich regelmäßig zum Schreiben zurück. Die Kinder nannten ihn den “Zauberer”.

Im Hotel Bedford traf die Familie Mann auch den deutschen Arzt und Intellektuellen Martin Gumpert. Er lebte in einem Zimmer im 8. Stock, war zeitweise liiert mit Erika Mann. Er behandelte ihren Bruder Klaus, der an Drogensucht und Depressionen litt. Eine der Figuren im Roman “Der Vulkan” erinnert an Martin Gumpert.

Thomas Mann und Richard Wagner

Thomas Mann hörte Zeit seines Lebens gerne klassische Musik. In New York besuchte er Symphoniekonzerte. Zu Richard Wagner hatte Thomas Mann ein kompliziertes Verhältnis. Einerseits liebte er dessen Musik, besonders den “Lohengrin”, andererseits war die Vereinnahmung von Wagners Kunst durch die Nationalsozialisten offenkundig.

1941 verließ die Familie Mann New Princeton, um sich nördlich von Los Angeles niederzulassen: Doch das Hotel Bedford in New York blieb ein Platz, an dem sich die Familie wohl fühlte. Wann immer sie der Weg nach New York führte, stiegen sie gerne dort ab, schließlich war es in einer schwierigen Zeit zu einem zweiten Zuhause geworden.