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Thielmann: "Hoeneß hat Neuanfang verdient"

Juli Rutsch14. März 2014

Uli Hoeneß hat Steuern in Millionhöhe hinterzogen - und muss für dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Über Schuld und Sühne und den Weg zurück in die Gesellschaft spricht Pastor Wolfgang Thielmann im DW-Interview.

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Uli Hoeneß vor Gericht - Foto: REUTERS/Christof Stache/Pool
Bild: Reuters

DW: Er hat Steuern in Millionenhöhe hinterzogen, er hat gelogen und betrogen. Ist Uli Hoeneß der Prototyp eines armen Sünders?

Wolfgang Thielmann: Alle Sünder sind arm. Das Neue Testament redet sehr barmherzig über Sünder. Es ermahnt die Christen, sehr barmherzig mit Leuten umzugehen, die von einer Sünde ereilt wurden. Daher kommt der Ausdruck „arme Sünder“. Von daher sage ich: Jeder Sünder ist arm.

Welche Schuld hat sich Uli Hoeneß aufgeladen?

Man muss sagen: Wer Steuern hinterzieht, bringt die Gemeinschaft um Erträge. Wir haben es in unserer Gesellschaft so geregelt, dass jemand, der Erträge hat, davon einen Teil abgeben muss, so dass Aufgaben der Gemeinschaft finanziert werden. Es hat in den sozialen Medien einige Leute gegeben, die ausgerechnet haben, dass er einige Tausend Sozialhilfeempfänger mit den Steuerbeträgen ernähren könnte, die er hinterzogen hat. Das zeigt, dass ein solcher Schaden nicht nur dem Finanzamt gegenüber entstanden ist, sondern eben auch gegenüber Menschen, die dieses Geld nötig haben. Darin besteht seine Schuld. Das ist eine konkrete Schuld gegenüber anderen Menschen, die ein Anspruch auf dieses Geld haben und denen es so entgangen ist.

Wolfgang Thielmann - Foto: privat
Thielmann: "Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt"Bild: Privat

Wie kann eine Gesellschaft ihn verurteilen, in der Steuerbetrug eigentlich ein Kavaliersdelikt ist?

Da müssen wir uns in der gesamten Gesellschaft von Neuem am Riemen reißen: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung ist ein Vergehen an der Gemeinschaft. Und es ist egal, ob das 50 Euro sind oder 50 Millionen. Das hat nur eine Wirkung, glaube ich, für die Bemessung des Strafmaßes. Aber Schuld ist Schuld. Und grundsätzlich kann man nicht unterscheiden zwischen einer schweren und einer leichten Schuld. Ein Vergehen ist ein Vergehen.

Welche Form von Reue sollte und kann Uli Hoeneß zeigen?

Für den Glauben und die Religion ist die Reue ein zentraler Bestandteil. Jemand muss seine Taten bereuen. Reue ist im Allgemeinen eine Tätigkeit. In der Religion wird von der „tätigen Reue“ gesprochen. In der Bibel gibt es ein Beispiel: Da kehrt Jesus bei dem Zöllner Zachäus ein. Zachäus hat seine Stellung als Geldeintreiber missbraucht, um von den Leuten mehr zu nehmen, als sie ihm eigentlich schuldig waren. Seine Reue bestand darin, dass er freiwillig gesagt hat: Ich will da, wo ich zu viel genommen habe, es vierfach zurückerstatten. Ich weiß nicht, ob man das von Uli Hoeneß verlangen kann. Aber es wäre gut, es käme ein Zeichen von ihm, dass er seine Taten bereut. Ich fände es gut, wenn er etwa eine Spende tätigen würde, an eine Hilfsorganisation. Er ist als hilfsbereiter Mensch bekannt, sodass ihm das auch nicht schwerfallen dürfte. Und er würde damit auch öffentlich zeigen, dass ihm seine Taten leid tun, und dass er um Wiedergutmachung bemüht ist.

Welche Form von Strafe hätte Uli Hoeneß Ihrer Meinung nach verdient – denn aus christlicher Sicht geht es ja nicht um Vergeltung?

Zunächst gilt die Strafe nicht als Vergeltung, sondern soll eine Möglichkeit bieten, den Straftäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass ein Vergehen, eine entsprechende Härte der Strafe nach sich ziehen muss. Damit ist eigentlich aus christlicher Sicht zunächst mal gesagt, was zu sagen ist. Aber ab dem Zeitpunkt, wo er seine Strafe verbüßt, muss Barmherzigkeit für ihn gelten. Aus christlicher Sicht gilt darüber hinaus, dass jeder Mensch mehr ist, als die Summer seiner Taten und Untaten. Das heißt, vor Gott ist Uli Hoeneß schon jetzt ein begnadigter Sünder - einer, der von Gott geliebt ist, und damit einer, der einen Neuanfang verdient hat.

Wolfgang Thielmann ist evangelischer Pastor und stellvertretender Leiter der Zeitschrift "Christ und Welt".