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The Blue Angel Lounge

Gavin Blackburn/ suc15. August 2012

Die meisten Bands träumen davon, einmal in den USA auf Tour zu gehen. Bei Blue Angel Lounge hat es geklappt, und das Resultat ist erstaunlich: Im Ausland gefeiert, sind sie zu Hause in Deutschland nahezu unbekannt.

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The Blue Angel Lounge Rechtinhaber: Snowhite
Bild: Snowhite

Nils Ottensmeyer und Dennis Melster sprachen mit der DW über ihre Tournee durch die USA, ihre Musikbegeisterung und über ihre Meinung zur deutschen Musikpresse.

DW: Ihr habt eine Zeit lang in Berlin gelebt, einer Stadt, die international als Musiker-Magnet angesehen wird. Stimmen Realität und Hype überein?

Nils Ottensmeyer: Unserer Erfahrung nach ist es immer gut, eine Zeit lang dort zu verbringen, aber es kommt der Punkt, an dem man sich entscheiden muss, wo man hin will. Für uns ist es eher ein Vorteil, nicht in Berlin zu leben. Wir sind in Hagen zuhause und haben dort mehr Muße, uns auf unsere Arbeit zu konzentrieren.

Viele Bands aus ganz Deutschland zieht es nach Berlin; kann man denn auch in einer Kleinstadt an seiner Karriere basteln?

Dennis Melster: Ich bin in der Tat kurz davor, nach Berlin zu ziehen. Hagen langweilt mich, hier kann ich nur Musik machen. Und wenn das gerade mal nicht klappt, fühle ich mich ziemlich weit ab vom Schuss. In Berlin könnte ich gucken, was andere Leute so treiben.

Nils Ottensmeyer: Aber man begibt sich auf einen schmalen Grat. Auf der einen Seite ist das Angebot groß, aber auf der anderen Seite muss man aufpassen, dass man nicht nur noch Party macht und die Kontrolle verliert. Ich glaube, einige Leute haben Angst davor.

Dennis Melster: Ja, aber wir doch nicht. Ich finde, wir sind ziemlich diszipliniert. Und wir sind auch aus dem Alter raus, wo sich alles nur um Partys dreht. Klar macht feiern Spaß, aber noch mehr Spaß macht es, etwas zu kreieren.

Ihr habt kürzlich Eure USA-Tournee als Vorgruppe für "Brian Jonestown Massacre" beendet. Für eine deutsche Band ist das eine tolle Gelegenheit. Wie kam es dazu?

Dennis Melster: Wir sind mit Anton Newcombe (Sänger von Brian Jonestown Massacre) befreundet. Wir haben uns über das Label kennengelernt, und er kennt sich mit unserer Musik wirklich gut aus. Es ist nie so leicht, in die USA zu fahren, weil das ganz schön teuer werden kann. Aber ich glaube, wir haben es ganz gut auf die Reihe gekriegt.

Wie lange wart Ihr drüben und wo seid Ihr aufgetreten?

Dennis Melster: Gerade mal zwei Wochen. Das ist nicht lange, aber wir haben fast jeden Tag gespielt. Wir haben in Texas begonnen, in Dallas, dann waren wir in Austin, Houston, Portland, Los Angeles, Denver, Utah. Es war eine tolle Reise.

Für viele Bands sind Auftritte in den USA so wichtig, dass sie sich fühlen, als ob sie den heiligen Gral aller Tourneen ergattern. Ist da was dran, haben sich die Erwartungen erfüllt?

Dennis Melster: Alle fragen immer, wie es war. Vor allem war es sehr anstrengend. Manchmal ist man 10, manchmal sogar 20 Stunden von einem Gig zum nächsten unterwegs, und dann muss man auf der Bühne immer noch hochkonzentriert sein. Aber die Auftritte waren alle klasse. Wir haben in wirklich großen Hallen gespielt und auch in historisch bedeutenden wie zum Beispiel dem Fillmore in San Francisco.

Nils Ottensmeyer: Die Leute glauben immer, das sei wie Urlaub, aber mit Urlaub hat das wenig zu tun. Nach dem Gig hat man ein bisschen Freizeit, aber nach 500 Meilen Autofahrt ist man erst mal nur müde. Am nächsten Morgen heißt es dann ja auch schon um 8 Uhr: raus aus den Federn und wieder den ganzen Tag auf die Piste. Das ist wirklich hart.

Die Tournee hat Euch internationales Presseecho beschert, aber in Deutschland ignoriert man Euch mehr oder weniger immer noch. Was sagt Ihr dazu?

Dennis Melster: Wir haben uns in Interviews schon mehrmals kritisch dazu geäußert. Ich finde es schon ärgerlich und auch deprimierend, dass wir Musik machen, die überzeugt, und niemand schert sich darum. Vielleicht sind wir zu anders. Die Presse liebt es, die nächsten Arctic Monkeys aus England zu importieren und zu pushen, aber wenn etwas Neues kommt und dann noch aus Deutschland, dann haben sie nicht die Eier, damit etwas anzufangen.

The Blue Angel Lounge während ihrer USA-Tournee bei einem Auftritt in Texas (Foto: Tom Gilmore)
The Blue Angel Lounge während ihrer USA-Tournee bei einem Auftritt in TexasBild: Tom Gilmore

Warum gibt es Eurer Meinung nach bei den Medien die Tendenz, deutsche Bands schlichtweg zu ignorieren?

Nils Ottensmeyer: Ich glaube, der deutsche Musikmarkt ist anders gestrickt. Mit Schlagern kann man hier immer noch Millionen machen. Weder in der Presse noch im Radio hört man all zu viel davon, und doch ist es ein Riesenmarkt. Ich glaube, die deutsche Musik dreht sich immer noch sehr um sich selbst.

Dennis Melster: Ich finde, Deutschland feiert sich immer selbst, man will sich nicht ändern. Es ist immer die gleiche Musik, die ankommt, so was wie Silbermond oder Unheilig. Man muss nur kitschige Musik machen und ebenso kitschige Texte schreiben, dann ist alles gut. Solange Mütter und Väter während der Hausarbeit noch hinhören, wenn das im Radio läuft, wird sich nichts ändern. Irgendwie spielen in Deutschland unzählige Sender immer wieder nur den Pop der 70er und 80er Jahre.

Nils Ottensmeyer: Genau so läuft das in Deutschland. Im Radio läuft was, wo man nicht genau hinhören muss, easy listening eben. Ich finde, die Deutschen sind irgendwo in der 70er, 80er Jahren stehengeblieben, sie hören immer noch Nena und Schlager. Daran hat sich nichts geändert. Auch wenn mal eine neue Welle kommt, die Leute hängen an dem alten Zeug.

Anfang der 80er Jahre gab es Bands wie DIN A Testbild, Palais Schaumburg oder DAF, die deutsche Musik mit wirklich eigenem Charakter machten. Heute ist so etwas eher selten. Woran liegt das Eurer Meinung nach?

Dennis Melster: Ich habe oft darüber nachgedacht, aber ich weiß es nicht. Wir hatten damals wirklich klasse Bands, aber offenbar gibt es keinen Drang mehr, neue Sachen zu entwickeln. Die Kids heutzutage experimentieren nicht mehr. Stattdessen schauen sie im Internet nach, was andere so Neues am Start haben. Vor 20 Jahren gab es wirklich mehr Leidenschaft in der Musik.

Man kann Eure Musik nicht so einfach in eine Schublade stecken, aber nennen wir es mal eine Art psychedelischer Shoegaze (melodische Spielart des Rock und Vorläufer des Britpop). Euer Sound ist sehr eigenwillig und aufwendig produziert. Ist es schwer, das live umzusetzen?

Dennis Melster: Wir geben nicht viel auf Effekte. Wir wissen, welchen Sound wir anstreben, vielleicht ist die Balance zwischen Gitarre und Stimme entscheidend. Wenn wir im Studio aufnehmen, wissen wir zwar, was wir wollen, aber es ist nicht leicht, das dem Produzenten in einfachen Worten zu erklären.

Nils Ottensmeyer: Eigentlich will Dennis sagen, dass wir keinen blassen Schimmer haben, was wir eigentlich genau machen.

Ein unbeschriebenes Blatt ist die Stadt Hagen, was Musik angeht, sicher nicht. Man denke da in erster Linie an Grobschnitt, Nena und Extrabreit. Auch The Blue Angel Lounge haben sich dort 2006 gegründet. Ihre beiden Alben mit psychedelischem Rock und starken Anklängen an Joy Division kamen bei den Fans gut an, aber die heimische Musikpresse ignorierte die Newcomer.

Das Gespräch führte Gavin Blackburn/ suc