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Tauwetter in Birma

13. Februar 2012

Birma hat den Weg zur Demokratie eingeschlagen. Der eingeleitete Wandel wird im Westen begrüßt, stößt aber auch auf Skepsis. Bundesentwicklungsminister Niebel macht sich nun ein eigenes Bild von der Lage im Land.

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Aung San Suu Kyi, die Kämperin für Demokratie in Birma, hält eine Rede (Foto: AP)
Aung San Suu Kyi, die Kämperfin für Demokratie in BirmaBild: AP

Es scheint fast ein Wunder, was derzeit in Birma geschieht. Knapp 50 Jahre stand das Land fast ununterbrochen unter der Herrschaft des Militärs. Seit etwa einem Jahr gibt es eine Regierung, die vieles anders macht als ihre Vorgänger. Zwar ist ein Viertel aller Sitze und Schlüsselpositionen für das Militär reserviert, aber der Reformwille ist unübersehbar. So wurde zum Beispiel die Pressezensur gelockert, Gewerkschaften wurden zugelassen und politische Gefangene freigelassen. Marco Bünte, Birma-Experte am GIGA-Institut für Asienstudien in Hamburg, zeigt sich verhalten optimistisch: "Seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten sind eine ganze Reihe von Reformen initiiert worden, aber es gibt auch zahlreiche Widersacher und Gegenspieler in der Verwaltung und der Armee, die die Reformierung der alten repressiven Strukturen sehr erschweren".

Einer der wichtigsten und symbolträchtigsten Schritte im Reformprozess war im November 2010 die Aufhebung des jahrelangen Hausarrests von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die so etwas wie das demokratische Gewissen des Landes ist. Seit 1988 kämpft sie für eine Demokratisierung. Damals gründete Aung San Suu Kyi  die Nationale Liga für Demokratie und führte als Parteivorsitzende trotz Drohungen Wahlkampf. Im Juli 1989 wurde sie wegen Gefährdung der staatlichen Sicherheit zum ersten Mal unter Hausarrest gestellt. Alle folgenden Repressalien und Hausarreste hinderten Aung San Suu Kyi nicht, sich weiter für eine gewaltfreie Demokratisierung ihres Landes einzusetzen. Nun hat sie sich offiziell als Kandidatin für die Nachwahlen im April registriert, bei denen 48 Parlamentssitze nachbesetzt werden, weil die im November 2010 gewählten Abgeordneten Regierungsämter übernahmen und ihre Sitze abgeben mussten.

Internationaler Polit-Tourismus

Die Friedensnobelpreisträgerin ist neben Präsident Thein Sein derzeit die wichtigste Gesprächspartnerin der zahlreichen ausländischen Besucher. US-Außenministerin Hillary Clinton reiste als erste an, es folgten ihre Kollegen aus Großbritannien und Frankreich. Aus Deutschland ist nun Entwicklungsminister Dirk Niebel nach Birma gereist. Es ist der erste Besuch eines Chefs dieses Ressorts seit 28 Jahren. Man wolle sich auf der Reise einen Überblick über die Situation im Land und die jüngsten positiven Entwicklungen verschaffen, heißt es aus dem Ministerium. Auf der Agenda stehen Zusammenkünfte mit hochrangigen Regierungsvertretern sowie Vertretern der Opposition. Man hoffe, heißt es weiter, dass dieses neue Kapitel in der Geschichte Birmas fortgeschrieben werde. Besonders erwähnenswert sei, dass die Führung in Birma auch die Opposition in den Prozess einbinden wolle.

Der Präsident von Birma, Thein Sein, steht rechts neben Aung San Suu Kyi (Foto: EPA)
Der Präsident von Birma, Thein Sein, und Aung San Suu KyiBild: picture-alliance/dpa

Von den weiteren Entwicklungen hängt auch eine Lockerung der gegen Birma verhängten Sanktionen ab. Die Europäische Union hat die bislang bestehenden Einreiseverbote gegen Thein Sein und andere Regierungsmitglieder aufgehoben. Bis spätestens Ende April muss die EU über eine Verlängerung der Sanktionen entscheiden. Wenn der Reformprozess konsequent fortgesetzt wird, sehen die EU-Außenminister aber Möglichkeiten, diese schon vorher deutlich zu lockern.

Armes reiches Land

Birma gehört zu den ärmsten Ländern Asiens, obwohl es über einem enormen Reichtum an Ressourcen wie das im Westen so begehrte Teakholz oder Edelsteine in hoher Qualität verfügt. Auch der Reisanbau spielt eine wichtige Rolle. Vieles darf wegen der Sanktionen in Europa und anderswo nicht eingeführt werden. Misswirtschaft und die Isolationspolitik der Generäle haben dazu geführt, dass das Land kaum westliche Entwicklungshilfe erhält. Seit 1987 gab es zum Beispiel keinen Kredit mehr von der Weltbank. Bis vor kurzem blieb der Druck aus dem Westen jedoch erfolglos. Nach Ansicht Büntes sah das Militär in der Isolation auch eine Gefahr. Es stehe daher Reformen jetzt offener gegenüber als bisher.

Bauern fahren auf einem Ochsenkarren an einem historischen Tempel in der Stadt Pagan vorbei (Foto: AP )
Trügerische Idylle - Birma ist eines der ärmsten Länder AsiensBild: AP

Unterstützung sei jetzt notwendiger denn je, sagt Timo Prekop, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Ostasiatischen Vereins, ein Netzwerk der deutschen Asienwirtschaft. "Das Land hat Defizite in allen Bereichen." Die Bevölkerung habe keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung und zu Bildung. Birma, fast doppelt so groß wie Deutschland, habe eine sehr begrenzte Infrastruktur. Da sieht Prekop Deutschland und die deutsche Wirtschaft in einer durchaus prominenten Rolle: "Das deutsche Know-how kann dazu beitragen, den Infrastrukturbereich des Landes zu entwickeln." Auch im Agrarbereich sieht Prekop, der im vergangenen Jahr zweimal in Birma war, ein großes Potential.

Nach dem jahrzehntelangen Stillstand müssen zudem zivilgesellschaftliche Strukturen geschaffen werden. Der Birma-Experte Bünte denkt bereits einen Schritt weiter. Auch die Verwaltung brauche Unterstützung, da sie in ihren Funktionen sehr eingeschränkt sei. Allerdings müsse erst das entsprechende Vertrauen zur Regierung aufgebaut werden. Bünte hält die Parlamentswahlen im Jahr 2015 für einen wichtigen Test der Demokratisierung des Landes. Sollte dann die Partei von Aung San Suu Kyi ungehindert ein Votum für eine Regierungsbeteiligung bekommen, ist der Wendepunkt in Birma wohl erreicht.

Autorin: Sabine Hartert-Mojdehi
Redaktion: Dеnnis Stutе