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Wieder Oppositionspolitiker ermordet

25. Juli 2013

Tunesien kommt nicht zur Ruhe: Zum zweiten Mal binnen sechs Monaten wurde ein namhafter Oppositionspolitiker umgebracht. Unbekannte erschossen in Tunis den Abgeordneten Mohamed Brahmi. Stecken wieder Islamisten dahinter?

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Aufgebrachte Tunesier protestieren gegen die Ermordung von Mohamed Brahmi in Tunis (Foto: epa)
Tunesien Attentat Mohamed BrahmiBild: picture-alliance/dpa

Der tunesische Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi ist einem Attentat zum Opfer gefallen. Er sei vor seinem Haus in einem Vorort der Hauptstadt Tunis erschossen worden, sagte ein Mitglied seiner Partei "Bewegung des Volkes". Die Attentäter seien auf einem Motorrad geflohen. Der Sender Watanya meldete, der Politiker sei von elf Kugeln getroffen worden.

Brahmi war Gründer und Generalsekretär der kleinen linksgerichteten Gruppierung. Der 58-Jährige gehörte in der Verfassungsgebenden Versammlung dem linken, nicht religiösen Lager an. Er galt als erbitterter Gegner der Islamisten. Er hinterlässt fünf Kinder und seine Frau. Ihr Mann sei getötet worden, weil er die Wahrheit gesagt habe, sagte Brahmis Frau dem Radiosender Mosaïque FM. Sie hatte den Mord mitansehen müssen.

Spontane Protestkundgebungen

Da der Mordanschlag am Gedenktag zur Republikgründung im Jahr 1957 verübt wurde, gehen Beobachter davon aus, dass radikalislamische Kräfte hinter der Tat stecken. "Die Nachricht ist klar. Die Täter sind gegen den Staat und die Werte der Republik", sagte Chérif Khyari von der Parteienkoalition Front Populaire der Nachrichtenagentur dpa.

Belkaeis Brahimi, die Tochter des Ermordeten, protestiert mit einer Fahne Tunesiens gegen die Bluttat (Foto: afp/Getty Images)
Belkaeis Brahimi, die Tochter des Ermordeten, protestiert mit einer Fahne Tunesiens gegen die BluttatBild: Fethi Belaid/AFP/Getty Images

Aus Protest gegen die Bluttat versammelten sich umgehend Anhänger des Politikers zu spontanen Demonstrationen. Vor dem Innenministerium setzten Sicherheitskräfte Medienberichten zufolge Tränengas ein.

Politische Krise nach Ermordung Belaids

Am 6. Februar war der weltliche Oppositionspolitiker Chokri Belaid auf ähnliche Weise ermordet worden. Die von Islamisten geführte Regierung machte Salafisten für die Tat verantwortlich. Der Anschlag auf Belaid löste Massenproteste und eine schwere politische Krise in Tunesien aus. Die islamistische Regierungspartei Ennahda stimmte deswegen einer Kabinettsneubildung zu. Die Partei hatte die erste Wahl nach dem Sturz von Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali im Januar 2011 klar gewonnen. Sie bildet seitdem mit der Mitte-Links-Partei CPR und der sozialdemokratischen Ettakatol eine Koalition.

Das nordafrikanische Land war 2011 Ausgangspunkt des arabischen Frühlings, in dessen Verlauf in mehreren arabischen Staaten die langjährigen Staatschefs zu Fall gebracht wurden. Der Islam spielte in Tunesien lange eine verhältnismäßig geringe Rolle im Vergleich zu anderen arabischen Ländern. Seit dem Sturz Ben Alis sind religiöse Hardliner aber erstarkt.

Ennahda verurteilt Bluttat

"Wir verurteilen dieses abscheuliche Verbrechen aufs Schärfste", erklärte die Ennahda nun. Der Mord sei nicht nur ein Angriff auf Brahmi, sondern auf den gesamten demokratischen Übergangsprozess. Die Verfassungsgebende Versammlung in Tunesien will in Kürze ihre Arbeit an einer neuen Verfassung abschließen. Im Anschluss soll es Neuwahlen geben.

Der mutmaßliche Mörder des Oppositionspolitikers Belaid ist im Gegensatz zu einigen Komplizen noch immer auf der Flucht. Der erschossene Jurist galt in dem Land als einer der schärfsten Ennahda-Kritiker und setzte sich für eine Trennung von Staat und Religion ein.

kle/sc (dpa, afp, rtr)