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Streit um Erdogan-Karikatur

4. November 2014

Man sagt dem türkischen Präsidenten eine gewisse Dünnhäutigkeit nach. Gegen eine deutsche Karikatur fährt er jetzt schweres diplomatisches Geschütz auf. "Paranoia", meinen dazu die Karikaturisten Greser & Lenz.

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Erdogan Karikatur
Bild: Greser & Lenz

Ein Zähne fletschender Kettenhund, auf dessen Hütte "Erdogan" steht. In der Zeichnung der deutschen Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz ist der Hund nur eine Randfigur. Doch nun steht er im Zentrum eines diplomatischen Streits. Die Zeichnung mit dem Titel "Türken in Deutschland - Eine Erfolgsgeschichte" war 2011 in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erschienen. Sie zeige "ein Beispiel gelungener Integration" und stehe im "Geiste der Toleranz und der Versöhnung" so Greser und Lenz gegenüber der DW. Außerdem sei "Erdogan" ja ein weit verbreiteter türkischer Nachname.

Das türkische Außenministerium jedoch hat wegen des Abdrucks der Karikatur in einem Schulbuch in Baden-Württemberg den deutschen Botschafter in Ankara einbestellt. Nach Angaben des Berliner Auswärtigen Amts war die Karikatur auch Thema bei einem Gespräch des deutschen Botschafters Eberhard Pohl im türkischen Außenministerium. Dieses hatte zuvor erklärt, der Abdruck der Zeichnung spiegele wachsenden Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland wider.

Hass oder Humor?

Die Karikatur enthalte Beleidigungen gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und die in Deutschland lebenden Türken. In Demokratien sei kein Platz für "Versuche, Hass in der Gesellschaft, Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie anzuheizen". Die Deutschland-Ausgabe der Zeitung "Hürriyet" berichtete, die Zeichnung sei den Töchtern eines in Friedrichshafen am Bodensee lebenden Türken aufgefallen.

Die beiden Karikaturisten erklärten gegenüber der DW, hinter der Intervention Ankaras stehe "Großmannssucht und Paranoia", von der ein Staatschef geleitet sein müsse, "der sich über den kleinen Nebenschauplatz einer ausländischen Witzzeichnung, die nur einem Minderheitenpublikum zu Gesicht kommt, empört."

Humor- und Ironiekompetenz seien leider im Niedergang begriffen, so Greser und Lenz weiter. Man hätte "im besten Fall Beschwerden vom Deutschen Alpenverein, von konservativen bayerischen Heimatvereinen oder von türkischen Nahrungsmittelproduzenten erwartet, nicht aber vom türkischen Präsidenten."

Kretschmann sauer

Auch Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) wies die türkische Kritik scharf zurück. "Es ist mir unerfindlich, wie man sich darüber so echauffieren kann", sagte er in Stuttgart. "Eine Karikatur ist eine Karikatur und sie karikiert, deshalb heißt sie so." Erdogan wolle ablenken von Rechtsstaatsproblemen im eigenen Land. Er solle sich darum kümmern, wie er selbst mit Kritikern umgehe: "Das ist uns bekannt und missfällt uns außerordentlich", sagte Kretschmann.

Die nordrhein-westfälischen CDU-Abgeordneten Giousouf und Wittke forderten bei einem Besuch in Ankara hingegen, das Schulbuch solle nicht mehr im Unterricht verwendet werden. Von der Landesregierung in Stuttgart verlangten sie, "sich angemessen zu entschuldigen". Deutsche Schulen sollten "nicht nur Wissen, sondern auch Werte wie Respekt vor anderen Völkern und deren Repräsentanten vermitteln".

Häufig Gerichtsverfahren

Erdogan hat in der Vergangenheit mehrfach ihm unliebsame Karikaturisten vor Gericht gezerrt. Der für die regierungskritische Zeitung "Cumhuriyet" arbeitende Karikaturist Musa Kart war erst Ende Oktober vom Vorwurf der Beleidigung des jetzigen Staatspräsidenten und früheren Regierungschefs freigesprochen worden. Im Jahr 2005 war Kart zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er Erdogan als Katze gezeichnet hatte. Die EU hat wiederholt die immer noch engen Grenzen der Meinungsfreiheit im Bewerberland Türkei kritisiert und weitere Reformen verlangt.

wl/gmf/phi (afp)