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Orthodoxe Christen fragen: „Warum ist die Welt so still?“

Christoph Strack26. März 2014

Seit mehr als drei Jahren tobt in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg. Syriens Christen beklagen mangelndes internationales Engagement - auch der deutschen Regierung.

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Gottesdienst syrischer Christen (Foto: LOUAI BESHARA/AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Orthodoxe Christen aus Syrien fordern die Bundesregierung zu stärkerer Unterstützung auf. So solle Berlin bei der syrischen Oppositionsbewegung entschiedener auf die Freilassung von zwei vor gut elf Monaten entführten Erzbischöfen drängen. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Aramäer in Deutschland, Daniyel Demir, sagte der Deutschen Welle, die Bundesregierung solle "den Mantel des langen Schweigens endlich ablegen".

Der politische Druck auf die syrische Opposition müsse deutlich stärker werden, so Demir nach politischen Gesprächen in Berlin. Die beiden Würdenträger Gregorios Yohanna Ibrahim und Boulos Yazigi waren im April vorigen Jahres in einem von Aufständischen kontrollierten Gebiet nahe Aleppo verschleppt worden. Bis heute gebe es von ihnen kein Lebenszeichen.

Demir sagte, die Bundesregierung solle sich insbesondere für die "noch ausharrenden schutzlosen Christen Syriens, die mehr und mehr in ausgerufenen Scharia-Kalifaten ihrem Schicksal ausgeliefert sind", mutiger engagieren. Diese seien im Visier von Dschihadisten, die christliche Gemeinden angriffen und in Teilen bereits einen "christenfreien Scharia-Staat" errichtet hätten. Vor den Augen der internationalen Staatengemeinschaft dauerten ethnische Säuberungen durch "radikale Kräfte im Mantel der Oppositionsbewegung" an. Auch Deutschland sei dabei "stiller Beobachter".

Bildkombi: Die syrischen Bischöfe Gregorios Yohanna Ibrahim (links) und Bulos Jasidschi (Foto: picture-alliance/dpa)
Entführt: Die Erzbischöfe Gregorios Yohanna Ibrahim (links) und Boulos YazigiBild: picture-alliance/dpa

"Krim-Krise verdrängt Not in Syrien"

Weiter beklagte der Bundesvorsitzende der Aramäer, dass die Welt die dramatische Lage in Syrien über die Krim-Krise ausblende. Dabei handele es sich um "die schlimmste humanitäre Katastrophe der jüngsten Vergangenheit" mit rund 150.000 Toten und Millionen Vertriebenen, die nun "einfach vergessen" würde. "Das darf nicht sein. Deutschland kann und muss sein politisches Schwergewicht besser einsetzen."

Der syrisch-orthodoxe Erzbischof Jean Kawak aus Damaskus, der mit Demir in Berlin weilte, sprach von wiederholten Massakern an Christen und appellierte an das Gewissen der internationalen Staatengemeinschaft. "Warum ist die Welt still? Warum werden die Christen Syriens im Stich gelassen?", fragte er. "500.000 Christen hätten ihre Heimat bereits verlassen." Kawak sagte, die Christen vor Ort hätten aus der kürzlich erfolgten Freilassung von entführten Nonnen aus dem aramäischen Maalula neue Hoffnungen auf die Freilassung der entführten Erzbischöfe geschöpft. Zugleich verängstigten Morde die Menschen. "Das Urchristentum in Syrien blutet aus, der vollendete Exodus ist nur eine Frage der Zeit." So seien Ende vorigen Jahres im historischen Sadad, rund 60 Kilometer südlich von Homs, beim bislang größten Massaker an Christen seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges mehr als 50 aramäische Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, grundlos ermordet und in Massengräber geworfen worden.

Demir sagte, die Verantwortung für die Sicherheit und Unversehrtheit der entführten Geistlichen liege in erster Linie in den Händen der syrischen Opposition. Diese gebe an, die militärische und zivile Kontrolle über das Gebiet, in dem die Entführung erfolgt sei, zu haben. Deshalb solle die Bundesregierung die sofortige Freilassung der Erzbischöfe offen einfordern.

Treffen mit politischen Spezialisten

Auf dem Programm der syrischen Kirchenvertreter in Berlin standen unter anderem Gespräche mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Christoph Strässer (SPD), und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Heribert Hirte, der den sogenannten Stephanuskreis innerhalb der Unionsfraktion leitet. Der Stephanuskreis besteht aus rund 70 Abgeordneten, die sich besonders mit der Situation verfolgter Christen weltweit befassen.

Überschattet wurde der Besuch von der Nachricht vom Tod des Oberhaupts der syrisch-orthodoxen Kirche, Ignatius Zakka I. Iwas. Der 80-jährige Patriarch starb am Freitag in Kiel, wo er sich zu einer medizinischen Behandlung aufhielt, an einem Herzinfarkt. Die syrisch-orthodoxe Kirche zählt zu den sogenannten altorientalischen Kirchen und hat Wurzeln im frühesten Christentum. Ihre Liturgiesprache ist Aramäisch, das als Sprache Jesu gilt und heute nur noch in wenigen Dörfern des Nahen Ostens gesprochen wird. Weltweit gehören dieser Kirche nach Schätzungen bis zu 300.000 Christen an. In Deutschland leben nach Angaben des Bundesverbandes mittlerweile mehr als 100.000 syrisch-orthodoxe Aramäer.

Ignatius Zakka I. Iwas (Foto: imago/epd)
Ignatius Zakka I. IwasBild: imago/epd