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Syrien-Verhandlungen als Prestigepflege

Kersten Knipp6. April 2015

In Moskau haben Gespräche zwischen dem Assad-Regime und syrischen Oppositionsgruppen begonnen. Große Erwartungen haben die Beteiligten nicht. Nur ein Nutznießer der Gespräche steht schon fest.

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Syriens Außenminister Walid al-Muallem und sein russischer Kollege Sergej Lawrow (Foto: Reuters) (Foto: Reuters)
Syriens Außenminister Walid al-Muallem und sein russischer Kollege Sergej LawrowBild: Reuters

Ein Durchbruch ist unwahrscheinlich, vielleicht - so die Hoffnung - lässt sich zumindest bei humanitären Fragen ein Fortschritt erzielen. Das wäre schon viel in einer Zeit, in der der Syrien-Konflikt eine womöglich entscheidende Wendung nimmt.

Diese geht vor allem auf das Kalkül des Regimes von Präsident Baschar al-Assad zurück. Dessen Vertreter hatten zu Anfang des mittlerweile ins fünfte Jahr gehenden Krieges Mitglieder dschihadistischer Gruppierungen aus den syrischen Gefängnissen entlassen. Die, so die Erwartung, würden Syrien und die Nachbarländer derart mit Gewalt überziehen, dass sich die internationale Staatengemeinschaft irgendwann dazu entschließen würde, gegen die Dschihadisten anzugehen - und zwar mit Hilfe Assads. Das würde dem syrischen Machthaber das politische Überleben sichern.

Tatsächlich sieht es derzeit so aus, als gehe die Rechnung auf. Unter dem Eindruck der vor allem von der Terrororganisation "Islamischer Staat" begangenen Gräueltaten setzen insbesondere westliche Staaten nach Jahren der Distanz nun immer deutlicher wieder auf das Assad-Regime. Es erscheint ihnen weniger bedrohlich und zugleich berechenbarer als die Dschihadisten. So erklärte etwa US-Außenminister John Kerry, die massive, einer globalen Agenda folgende Gewalt des IS zwinge dazu, Gespräche mit Assad zu führen. "Letztendlich müssen wir verhandeln", so Kerry Mitte März in einem Fernsehinterview.

Bei manchen arabischen Partnern der Anti-Assad-Koalition dürfte er damit auf wenig Begeisterung stoßen. Sie sehen in Teilen der Dschihadisten offenbar weiterhin ernstzunehmende Partner. "Die USA plädieren für Verhandlungen mit Assad. Zugleich weigern sie sich weiterhin, die Rolle jener Gruppen anzuerkennen, die sie als extremistisch betrachten. Und das, obwohl diese Gruppen den größten Teil zu den militärischen Anstrengungen der Opposition beitragen", schreibt etwa die von saudischen Finanziers getragene Zeitung "Al-sharq al-Awsat".

Die Al-Nusra-Front erobert Idlib (Foto: Reuters)
Die dschihadistische Al-Nusra-Front erobert IdlibBild: Reuters/K. Ashawi

Bedeutungsverlust der säkularen Opposition

Vergleichsweise unbedeutend erscheinen angesichts der massiven Gewaltanwendung des Assad-Regimes auf der einen und der Dschihadisten auf der anderen Seite die säkularen Kräfte. Sowohl die in Syrien selbst wie auch die im Ausland aktiven Oppositionsgruppen spielen politisch inzwischen kaum mehr eine Rolle.

Vor allem die in Syrien selbst aktive Opposition wird vom Regime massiv unterdrückt. So war der Vorsitzende der oppositionellen Bewegung "Aufbau des syrischen Staats", Louay Hussein, im November vergangenen Jahres verhaftet und erst im Februar wieder freigelassen worden. Eigentlich hatte Hussein nun an den Moskauer Gesprächen teilnehmen wollen. Doch dann verweigerte das Regime ihm eine Ausreisegenehmigung.

Der Vorsitzende des linksgerichteten "Nationalen Koordinierungskomitees für Demokratischen Wandel", Hassan Abdel Assim, wird hingegen nach Moskau reisen. Das von ihm vertretene Bündnis spricht sich seit Jahren für Verhandlungen mit dem Assad-Regime aus.

"Nationale Koalition" erleidet Vertrauensverlust

Nicht an den Moskauer Gesprächen teilnehmen wollen hingegen die Vertreter der in Istanbul residierenden und von zahlreichen westlichen und arabischen Staaten als legitime Vertretung der syrischen Bevölkerung anerkannten "Nationalen Koalition der syrischen Oppositions- und Revolutionskräfte". Sie lehnen die Einladung mit dem Hinweise ab, die russische Regierung stehe im Krieg auf Seiten Assads und sei darum keine glaubwürdige Vermittlerin.

Allerdings hat die Koalition in den letzten Monaten ohnehin an Bedeutung verloren. Ihr Präsident Khaled Khoja hatte im Januar in einem Interview mit der libanesischen Zeitung "Al-Nahar" die Herausforderungen des Bündnisses beschrieben. Dazu gehörten erstens innere Differenzen. Die Koalition umfasse linke ebenso wie gemäßigt islamistische Gruppieren. Das mache es schwierig, gemeinsame Standpunkte zu formulieren. Zweitens habe das Bündnis nur geringen Einfluss auf die Geschehnisse in Syrien selbst. Darum falle es ihm drittens schwer, politische Initiativen anzustoßen.

Khaled Khoja (Foto: Reuters)
Khaled Khoja, Präsident der "Nationalen Koalition der syrischen Oppositionskräfte"Bild: Reuters/M. Dabbous

Inzwischen ist dem Bündnis auch das Geld ausgegangen. Zudem, berichtet die deutsche Stiftung Wissenschaft und Politik, sei es zu sehr mit sich selbst beschäftigt. "Permanente Querelen um Mittelverwendung und Ämtervergabe haben überdies nicht nur die Effektivität der Interimsregierung beeinträchtigt, sondern diese für viele Syrer auch zu einem Inbegriff aller negativen Tendenzen der Opposition gemacht." Das habe auch Konsequenzen für die politische Agenda der Koalition: "Stellungnahmen, nach denen eine 'politische Lösung' des Syrienkonflikts zu einer grundlegenden Umgestaltung der politischen Ordnung und dem Abtritt des Assad-Regimes führen müsse, erscheinen so zunehmend als bloße Lippenbekenntnisse."

Russland sorgt sich um Prestige

Russland selbst könnte es bei dem Treffen nicht zuletzt darum gehen, sein internationales Prestige aufzuwerten. Das hatte zuletzt durch die Ukraine-Krise und die Unterstützung des Assad-Regimes gelitten. Die Verhandlungen in Moskau erinnern die westliche Staatenwelt daran, dass sich gegen Russland keine Politik machen lässt. Und zwar auch nicht im fünften Jahr eines Krieges, der bislang fast eine Viertel Millionen Menschen das Leben gekostet hat.