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Syrien hat keine Wahl

Diana Hodali22. April 2014

In Syrien tobt ein blutiger Bürgerkrieg - trotzdem stehen Präsidentschaftswahlen an. Assad hat sich zwar nicht offiziell aufstellen lassen, aber kaum einer bezweifelt, dass der alte auch der neue Machthaber sein wird.

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Syrien Karikatur auf Twitter Assad Präsidentschaftswahlen
Auch bei Twitter ist man sich einig - Assad wird die Wahl gewinnenBild: Screenshot Twitter

Geschätzte 150.000 Tote, sechs Millionen Binnenflüchtlinge und weitere 2,6 Millionen Menschen, die aus Syrien geflohen sind: Das ist die traurige Bilanz des Syrien-Krieges nach mehr als drei Jahren. Große Teile des Landes liegen in Schutt und Asche, es herrscht Gewalt, die Menschen sind traumatisiert.

Trotz der katastrophalen Lage kündigte Parlamentssprecher Mohamed Jihad Al-Laham am Montag (21.04.2014) Präsidentschaftswahlen für den 3. Juni an: "Ich rufe alle Bürger der Syrischen Arabischen Republik dazu auf, von ihrem Wahlrecht gebrauch zu machen. Ich fordere alle jene auf, die sich für das Amt des syrischen Präsidenten nominieren lassen wollen, sich bis zum 1. Mai zu melden."

Nach der Ankündigung hagelte es weltweit Kritik: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi forderten das Regime auf, die Pläne noch einmal zu überdenken. Dadurch könne auch die letzte Tür für einen diplomatischen Ausweg zufallen, hieß es. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Omid Nouripour, sprach von einer Absage Assads an eine nationale Übergangsregierung. Die Oppostion fordert den Rücktritt Assads und die Bildung einer solchen Interimsregierung. Und Jennifer Psaki, Sprecherin des US-amerikanischen Außenministeriums, nannte die bevorstehende Wahl eine "Parodie von Demokratie."

Gegenkandidaten ohne Aussicht auf Erfolg

Eine erneute Kandidatur von Machthaber Baschar al-Assad gilt als sicher, auch wenn eine offizielle Bestätigung noch aussteht. Es besteht kein Zweifel daran, dass er als Sieger aus der Wahl hervorgeht, denn das Parlament in Damaskus stellte die Weichen für seine Wiederwahl bereits Mitte März: Damals verabschiedete es ein neues Wahlgesetz, das die Exil-Opposition faktisch ausschließt. Denn alle Kandidaten müssen demnach in den vergangenen zehn Jahren in Syrien gelebt haben. Viele Oppositionelle waren wegen staatlicher Repressionen aber bereits vor geraumer Zeit ins Ausland gegangen. Es wäre die dritte Amtszeit von Assad. Er war im Jahr 2000 nach dem Tod seines Vaters Hafez al-Assad an die Macht gekommen.

Baschar al-Assad besucht die Menschen, in den Gegenden, in denen er Rückhalt hat (Foto: Reuters)
Seine Kandidatur und auch sein Sieg gelten als sicher: Machthaber AssadBild: Reuters

Aus Oppositionskreisen verlautete, man könne diese Wahl nicht ernst nehmen. Man frage sich, welchen Schauspieler Assad wohl als Gegenkandidaten aufstellen werde, sagt Monzer Akbik, Vertreter der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte. "Assad hat derzeit keine Legitimation, das Land zu regieren, und er wird sie auch nicht nach dieser inszenierten Wahl haben."

Nur in Teilen des Landes wird gewählt

Noch ist nicht klar, wie die Wahlen in dem kriegsgebeutelten Land durchgeführt werden sollen oder wie die sechs Millionen Binnenflüchtlinge ihre Stimme abgeben können. Die Syrer, die im Ausland leben, können nach Angaben von Parlamentssprecher Al-Laham am 28. Mai in den syrischen Botschaften ihr Kreuz machen. In einigen Staaten wurden syrische Botschaften aber aufgrund des Krieges geschlossen. Somit können nicht alle Syrer an der Wahl teilnehmen.

Monzer Akbik bei der Genf Konferenz 2014 (Foto: Getty Images)
Monzer Akbik von der Opposition kann die Wahl nicht ernst nehmenBild: Getty Images/AFP/Fabrice Coffrini

Im Land selbst geht man davon aus, dass lediglich in den Regierungshochburgen gewählt wird. "Assad möchte sich von den Menschen wiederwählen lassen, die in seinem Herrschaftsgebiet leben", sagt Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Dem Machthaber sei die strategische Achse zur Küste hin besonders wichtig. Das Territorium Syriens ist zwar gespalten. Doch Assad kontrolliert die bevölkerungsreichsten Städte auf der Linie zwischen Damaskus und der Küste, inklusive einiger Teile Aleppos.

Das Land wird nicht geeint

Beim Kurznachrichtendienst Twitter sind bereits die ersten Bilder von einem Wahlplakat aufgetaucht, auf denen Baschar al-Assad neben dem Slogan "Hand in Hand, um Syrien aufzubauen" zu sehen ist. Unter dem Hashtag #AssadCampaignSlogan machen Twitter-User ihrem Ärger über die angekündigten Wahlen Luft und verbreiten zynische Wahlslogans: "Weil Freiheit sowieso überbewertet wird", schreibt ein User. Ein anderer schreibt: "Wähle mich, oder ich bringe dich eh um."

"Wer jetzt Wahlen durchführt, der teilt das Land weiter und versucht nicht, es zu einen", sagt Nahost-Experte Perthes. Die angekündigten Wahlen seien ein Signal an die Opposition, dass sich nichts ändern und er sein Amt nicht aufgeben werde. "Es ist auch ein Zeichen an die UN, dass Assad und sein Regime nicht bereit sind, sich auf ernsthafte Übergangsprozesse einzulassen." Trotz aller Kritik suchten Ban und Brahimi weiter nach einer Lösung für die syrische Tragödie, betonte UN-Sprecher Stéphane Dujarric.

Nur der Iran und Saudi-Arabien können helfen

Und das ist auch nötig. Denn der Krieg geht unvermindert weiter. Die USA prüfen derzeit, ob das Assad-Regime oder die Opposition Chemikalien in Wohngebieten eingesetzt hat. Das Außenministerium in Washington teilte mit, es gebe Hinweise auf die Verwendung einer "giftigen Industriechemikalie". Es sei offenbar eine Substanz, die nicht oben auf der Liste der OPCW-Kontrolleure steht. Die Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) hatte erst jüngst bekannt gegeben, dass etwa 80 Prozent der syrischen Chemiewaffen abtransportiert oder vernichtet worden seien.

"Der Krieg ist für keine Partei militärisch zu gewinnen", sagt Volker Perthes. Das Land sei nur noch mithilfe von Machtteilung und politischen Kompromissen zu einen. Doch das Regime, so Perthes, werde sich nicht darauf einlassen. "Es wird nur zu diplomatischer Bewegung kommen, wenn es zu einer Verständigung kommt zwischen Saudi-Arabien, das die Opposition unterstützt, und dem Iran, der die Regierung in Damaskus stützt", sagt der Nahost-Experte.