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"Kerrys Syrien-Versuchsballon ist zerplatzt"

Michael Knigge / sp17. März 2015

US-Außenminister Kerry hat offen über Verhandlungen mit Syriens Präsident Assad spekuliert. Der Vorstoß sei gescheitert, sagt US-Politikexperte David Sylvan im DW-Interview. Nun hoffe Washington auf ein Wunder.

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US Außenminister Kerry in Scharm El-Scheich (Foto: REUTERS/Brian Snyder)
Bild: Reuters/B. Snyder

DW: In einem TV-Interview hat John Kerry gesagt, die USA und andere Staaten prüften Wege, Baschar al-Assad zu Gesprächen über einen politischen Übergang zu bewegen. Was halten Sie von der Bemerkung des US-Außenministers John Kerry und der Konfusion, für die sie gesorgt hat?

David Sylvan: Es war gewissermaßen ein Versuchsballon. Er hat absehbar zu wütenden Reaktionen geführt, besonders vonseiten der Franzosen. Andererseits war es aber auch einfach eine nüchterne Feststellung. Selbst die Franzosen räumen ein, dass man mit dem Regime verhandeln muss.

Washington ist sich im Klaren darüber, dass eine militärische Lösung des Syrien-Konflikts ausgeschlossen ist. Ziel der Amerikaner ist es, die syrische Armee vom Regime abzuspalten. Sie hoffen, dass die Militärs Assad stürzen. Das ist die aktuelle Stoßrichtung der amerikanischen Syrien-Politik. Das bedeutet aber nicht, dass es jemals dazu kommt oder dass man genau wüsste, wie man dies erreicht. Dafür müsste es konkrete Garantien geben und die sind so gut wie unmöglich. Ich denke, man hat eine Wunschlösung, aber man weiß nicht, wie man diese verwirklichen kann.

Prof. David Sylvan (Foto: ©The Graduate Institute, Geneva 2015)
Sylvan: Die US-Syrienpolitik bleibt unverändertBild: The Graduate Institute, Geneva

Bedeutet dies eine Abkehr der bisherigen Syrien-Politik der USA?

Es ist zu früh, dies generell zu beantworten. Aber ich bezweifle, dass es tatsächlich einen Wandel bringen könnte. Und zwar aus folgendem Grund: Was könnten sie dem syrischen Regime bieten, damit es an Verhandlungen teilnimmt? Sie könnten führenden Köpfen Straffreiheit und die Beteiligung an einer Übergangslösung zusagen. Ersteres ist ausgeschlossen. Und auch das Zweite, die Beteiligung von Regimeangehörigen an einer Übergangslösung, dürfte mit der syrischen Opposition kaum zu machen sein.

Das einzige Drohszenario der US-Politik gegenüber den verschiedenen oppositionellen Militärs wäre, deren finanzielle Unterstützung zu kappen. Das werden sie nicht tun, das halte ich ebenso für ausgeschlossen. Man würde zwar gerne handeln, weiß aber nicht wie. Das ist eine frustrierende Situation. Einer politischen Lösung steht zudem im Weg, dass es einfach zu viel verbrannte Erde zwischen Ländern wie der Türkei und Frankreich und der Person Assad gegeben hat.

Wie würden Sie die Haltung der USA zur Personalie Baschar al-Assad beschreiben?

Die Position der US-Regierung bleibt unverändert: Assad muss weg. Sollte es ein Wunder geben und Assad eine Vereinbarung mit der Opposition treffen, könnte ich mir allerdings vorstellen, dass man sagen würde: wir müssen das probieren. Wir müssen das akzeptieren. Aber Kerrys Testballon ist nun erst einmal zerplatzt.

Welche Folgen hat dies für die US-amerikanische Syrien-Politik?

Auch sie bleibt unverändert. Man hofft immer noch auf ein Wunder - darauf, dass sich das Militär vom Regime abwendet und dass sich einige Militärs mit der gemäßigten Opposition zusammenschließen und damit die Grundlage für eine neue militärisch-politische Führung schaffen. Kerry hat meiner Meinung nach versucht, das Militär zu diesem Schritt zu ermutigen. Ich glaube aber nicht, dass es jemals dazu kommt. Es gibt einfach zu viele Gruppierungen, die dies ablehnen. Zudem wäre dieser Schritt auch für die syrischen Militärs überaus riskant.

Ich habe vielmehr den Eindruck, dass man versucht, den Konflikt in Syrien einzudämmen und auf einem möglichst geringen Level zu halten. Man hofft, dass die schiitischen Milizen und die kurdischen Kämpfer dem "Islamischen Staat" im Irak Stück für Stück Gebiet abnehmen können. Man hofft auf eine De-facto-Spaltung des Regimes, indem man zusätzlich Geld und Waffen an die gemäßigte Opposition liefert. Das Problem ist aber, dass das Regime dafür nicht reif ist. Und die Opposition auch nicht.

David Sylvan ist Professor am Genfer Institut für internationale Politik und Entwicklung. Er ist Experte für US-Außenpolitik.

Das Interview führte Michael Knigge.