1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Zufrieden, aber unpolitisch

Gaby Reucher29. Oktober 2014

Mit dem Studium zufrieden, aber weniger politisch engagiert: Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage zur Studiensituation in Deutschland. Die Gründe für das Ergebnis sind vielfältig.

https://p.dw.com/p/1Dds8
Studenten lernen im Park (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Minerva Studio

Wenn Isabella Albert an der Surveystudie teilgenommen hätte, dann hätte die Studentin auf jeden Fall die Lehre in ihrem Studiengang Physik-Ingenieurwesen an der Fachhochschule Aachen kritisiert. Die Vorlesungen findet sie oft veraltet. "Es gibt viel Frontalunterricht und der Stoff wird kaum didaktisch aufbereitet", beklagt die 27-Jährige. Damit steht Isabella Albert nicht alleine da.

Zwar geben zwei Drittel aller Studierenden an, sie fänden ihr Studium in Ordnung - doch im Detail gibt es noch einiges zu verbessern: "Mit der Qualität der Lehre sind viele zufrieden, aber gerade bei der Vermittlung des Lehrstoffes hapert es noch", meint auch Michael Ramm, Soziologe an der Universität Konstanz. Er ist in der Arbeitsgruppe Hochschulforschung verantwortlich für die sogenannte Surveystudie, bei der alle drei Jahre Studierende zu Lehre, Lernen und Leben befragt werden.

Universität Leipzig, voller Hörsaal (Foto: dpa)
Nicht überall wird moderne Technik eingesetztBild: picture-alliance/dpa

Privates Umfeld wichtiger als Hochschulpolitik

Für das Semester 2012/2013 hatten sich rund 5000 Studenten aus 25 Hochschulen an der Umfrage beteiligt, die vom Bundesministerium für Forschung und Bildung unterstützt wird. Das ist in der Geschichte des Studierendensurveys, der schon seit Anfang der 80er Jahre erhoben wird, ein Tiefststand. "Wir sind über die geringe Beteiligung natürlich nicht erfreut", sagt Michael Ramm, "aber es gibt einfach sehr viele Befragungen an Hochschulen, so dass es eine gewisse Umfragemüdigkeit gibt". Vielleicht ist es aber auch die Tendenz zum privaten Rückzug, den die Surveystudie schon seit langem feststellt. "Wenn wir danach fragen, was den Studierenden wichtig ist, dann werden Familie und Freundeskreis fast immer an erster Stelle genannt", so Ramm. Das Hochschulstudium an sich, die Forschung und die Wissenschaft, hätten dabei an Bedeutung verloren.

Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz

Wer heute studiert, hofft vor allen Dingen auf einen sicheren Arbeitsplatz und baut darauf, als Akademiker später auch ein höheres Einkommen zu erzielen. Deshalb sind den Studierenden von heute gute Noten besonders wichtig. Das Interesse für die aktive Hochschularbeit oder für die Politik ist dabei zweitrangig. 2001 stuften noch 45 Prozent der Befragten ihr politisches Interesse als sehr stark ein. 2013 waren es nur noch 32 Prozent.

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, die die neue Studie vorgestellt hat, bedauerte das: "Gerade zum 25. Jahrestag des Mauerfalls möchte ich eindringlich an die junge Generation appellieren, die politische Freiheit in unserem Land zu nutzen und auch für die Belange von Studierenden aktiv zu werden."

Johanna Wanka (Foto: dpa)
Wanka fordert mehr politisches EngagementBild: picture-alliance/dpa

Studentisches Engagement unterstützen

Isabella Albert ist aktiv. Sie sitzt an der FH Aachen im Studierendenparlament und gehört zum Vorstand des "fzs", des "freien zusammenschlusses von studenTinnenschaften". Die Studentin kennt das Problem, gerade Erstsemester für hochschulpolitische Aufgaben zu begeistern. "Wenn man die Leute im ersten Semester nicht gewinnt, dann wird es sehr schwer." Schließlich liege die Regelstudienzeit der meisten Bachelor Studiengänge nur bei sechs bis sieben Semestern. Daran gekoppelt sei der Anspruch auf Bafög, also die finanzielle Unterstützung durch den Staat, und der Anspruch auf einen Wohnheimplatz. "Viele Studierende haben Angst, ihr Pensum in der Zeit nicht zu schaffen und wollen sich deshalb nicht zusätzlich durch politisches oder hochschulpolitisches Engagement binden." Isabella Albert wünscht sich, dass auch die Hochschulen selbst die Erstsemester stärker ermuntern mitzuwirken, und dass die Überschreitung der Regelstudienzeit nicht so strenge Auswirkungen hat.

Einige Studienbedingungen, die in der Vergangenheit unter Studenten immer wieder für Aufregung gesorgt haben, sind allerdings heute nicht mehr so umstritten. So hatte es vor 15 Jahren in der Anfangszeit von Bachelor und Master viele Proteste gegen die sogenannte Bologna-Reform gegeben. Die Kritik: Zu viel Lehrstoff werde in zu kurzer Zeit vermittelt und die Strukturen hinkten den Anforderungen weit hinterher. Auch die Studiengebühren waren ein ständiger Aufreger. Mittlerweile sind die Studiengebühren in fast allen Bundesländern abgeschafft - und die Surveystudie zeigt, dass die Studierenden mit der Gliederung des Studiums zufrieden sind. Der starke Leistungsdruck ist allerdings geblieben. Er sorgt noch immer für eine hohe Quote an Studienabbrechern von über 20 Prozent und ist mitverantwortlich dafür, dass Studierende immer häufiger psychologische Beratung in Anspruch nehmen.

Studenten demonstrieren in Bonn (Foto: dpa)
Studentenproteste gegen die Bologna-ReformBild: picture-alliance/dpa

Wunsch nach mehr Praxis und Frauenförderung

Mit der Bologna-Reform sollten auch die Universitäten praxisorientierter arbeiten. "Da sind allerdings noch Wünsche offen", meint Michael Ramm. "Viele Studierende wollen mehr Praxisbezug im Studium, gerade in Fächern wie Wirtschafts- oder Sozialwissenschaften, wo Praktika nicht vorgeschrieben sind." Dass gerade in den Universitäten noch mehr Praxiselemente eingebaut werden müssen, stößt bei Bundesbildungsministerin Wanka auf offene Ohren.

Isabella Albert wünscht sich von Seiten des Ministeriums aber auch noch mehr Engagement für studierende Frauen. Die Studie zeigt zwar nicht an, dass sich Frauen im Studium benachteiligt fühlen. Doch in Fächern, die von Männern dominiert werden, bräuchten Frauen noch mehr Unterstützung, findet Isabella Albert. Gerade in ihrem Studiengang Physik-Ingenieurwissenschaften ist der Frauenanteil sehr gering, da müsse man mehr Geld investieren, um Frauen zu werben. Isabella Albert setzt sich - ganz im Sinne von Ministerin Wanka - für gesellschaftliche Belange ein und fordert deshalb fernab der Studie mehr Online-Studienangebote und Teilzeit-Studiengänge. "Da wären Gelder der Regierung gut investiert, damit Studierende mit Kind, Erwerbstätige oder Studierende mit Behinderung einen leichteren Zugang zum Studium bekommen."