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Kleider machen Opfer

Christian Roman31. März 2014

Uganda hat Frauen kürzlich das Tragen "provokanter" Kleidung verboten. Auch in anderen afrikanischen Staaten dürfen viele von ihnen nicht selbst bestimmen, was sie anziehen. Schuld sind die Frauen angeblich selbst.

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Frauen in Afrika im Minirock (Foto: Getty Images)
Bild: Paballo Thekiso/AFP/Getty Images

Ugandas Frauen sind empört: Sie wollen sich ihre Miniröcke nicht verbieten lassen. Dafür sind sie in der Hauptstadt Kampala sogar auf die Straße gegangen. Denn das neue Anti-Pornografie-Gesetz der Regierung untersagt der weiblichen Bevölkerung das Tragen sexuell "provozierender" Kleidung.

"Alles, was über dem Knie endet, ist verboten. Wenn eine Frau einen Minirock trägt, werden wir sie verhaften", warnte Ugandas Ethikminister Simon Lokodo. Ursprünglich als Maßnahme zur Eindämmung insbesondere der Kinderpornografie im Land gedacht, verstehen Teile der Bevölkerung das Gesetz nun als Aufruf zur Selbstjustiz. Plötzlich werden Mädchen auf den Straßen Ugandas mit Gewalt die Miniröcke heruntergerissen, andernorts sperrt man leicht bekleidete Frauen aus Polizei- und Poststellen aus.

"Die ugandischen Frauen und unsere gesamte Gesellschaft werden damit zweihundert Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen", kommentiert Rita Aciro Lakor von der Frauenrechtsorganisation Uganda Women Network das Gesetz. Die Regierung versuche die Kontrolle über die Frauen zurückzugewinnen, sie zu entmachten und die patriarchalischen Strukturen der Vergangenheit wieder aufzubauen. Lakor bezweifelt jedoch den Erfolg des Gesetzes. Bisher sei völlig unklar, was die Regierung unter "provokanter" Kleidung verstehe. Wann ist ein Rock zu kurz, ein Oberteil zu freizügig? "Die Regierung wird es schwer haben, die Regelung landesweit umzusetzen - auch weil wir das Gesetz anfechten werden und andere Menschenrechtsorganisationen hoffentlich auch."

Sudan, Swasiland, Nigeria - Freizügigkeit wird hart bestraft

In Uganda ist die rechtliche Ausgestaltung des Anti-Pornografie-Gesetzes noch umstritten. In anderen Teilen Afrikas werden Verstöße gegen die Kleiderordnung bereits hart bestraft. Laut Amnesty International kann eine Frau im Sudan mit 40 Peitschenhieben bestraft werden, wenn sie Hosen trägt oder ihr Haar nicht bedeckt. In Swasiland sind seit 2012 Miniröcke und Hüfthosen verboten. Frauen riskieren eine sechsmonatige Haftstrafe bei einem Verstoß gegen das Gesetz. Und in der Millionenmetropole Lagos im Süden Nigerias droht weiblichen Staatsangestellten seit wenigen Wochen ebenfalls das Gefängnis, wenn sie "unanständig" gekleidet zur Arbeit kommen.

Größere Proteste gegen die Kleiderordnung blieben in der nigerianischen Bevölkerung allerdings aus. In Lagos sind vor allem Männer sogar vom Nutzen des Gesetzes überzeugt: "Viele Frauen missbrauchen ihre Freiheit und zeigen sich zu freizügig. Aber wir müssen unsere Würde bewahren und deshalb unterstütze ich das Gesetz", meint Habibat Kunle, seit mehr als 20 Jahren bei der Regierung angestellt. Ebenso sieht es Lateef Haroun, der sagt: "Frauen, die ihren Körper zur Schau stellen, gehören nicht in unsere Gesellschaft. Teile des Frauenkörpers sind einfach heilig, daher sollte sie auch nur der Ehemann zu Gesicht bekommen."

Verschleierte Frauen im Norden Nigerias (Foto: Getty Images)
Verschleiert: Im Norden Nigerias herrschen religiöse KleidervorschriftenBild: Getty Images

Kleiderordnungen kulturell erwünscht

In dem westafrikanischen Land würden vielerorts religiös motivierte Etiketten herrschen, erklärt Jane Osagie von der UN-Forschungsgruppe für Reproduktive Rechte in Nigeria. Muslimische Frauen im Norden des Landes tragen Kopftuch, die weibliche Bevölkerung im christlich geprägten Süden kleidet sich traditionell bedeckt. Eine Kleiderordnung wie in Lagos sei daher kulturell gewissermaßen erwünscht. "Ich möchte auch gar nicht, dass sich unsere Mädchen wie die Frauen in der westlichen Welt anziehen und zu Sexobjekten werden." Trotzdem müsse jede Frau selbst entscheiden können, welche Kleidung am besten zu ihr passt, bekräftigt Osagie. Bestimmte Kleidungsstücke völlig aus der Öffentlichkeit zu verbannen, hält sie deshalb für falsch: "Ich würde meine Tochter nicht ermutigen, einen Minirock zu tragen, aber ich würde es ihr auch nicht per Gesetz verbieten."

5000 Kilometer weiter südlich ist der Minirock aus den Kleiderschränken der jungen Generation nicht mehr wegzudenken. In Südafrika müssen Frauen, die in der Öffentlichkeit zu viel Haut zeigen, trotzdem mit Beschimpfungen rechnen - oder mit Schlimmerem. In Johannesburg kam es in der Vergangenheit mehrfach zu Übergriffen, bei denen freizügig gekleidete Frauen beleidigt, berührt oder gezwungen wurden, sich auf offener Straße bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Auf dem Land hingegen kaschieren Zulu-Frauen meist aus Vorsicht ihre Hosen, wenn sie ein Dorf betreten - da Hosen dort nicht als angemessene Kleidung für eine Frau gelten. Die UN-Frauenrechtsberaterin Anu Pillay sieht im modernen Kleiderzwang einen Widerspruch zur südafrikanischen Kultur. Denn viele traditionelle Bräuche sehen vor, dass junge Frauen barbusig sind und oft nicht mehr als einen kurzen Rock tragen.

Frauen eines Zulu-Stammes in Südafrika (Foto: dpa)
Freizügigkeit erlaubt: Frauen eines Zulu-Stamms in Südafrika in traditionellen KleidernBild: picture-alliance/dpa

Miniröcke als Auslöser von Vergewaltigungen?

Warum sorgt der Minirock in Südafrika trotzdem für Aufruhr? Die Frauenrechtsexpertin erklärt das mit einem sozialen Kontrollmechanismus: "Das moderne Verständnis der Frau als gleichberechtigtes, eigenständiges Wesen akzeptieren längst nicht alle Gesellschaftsschichten. Viele südafrikanischen Männer ignorieren die Emanzipationsbemühungen und sehen die Frau weiterhin in der Pflicht, zu heiraten, Kinder zu gebären, dem Mann streng zu gehorchen", so Pillay. Wenn nötig, wird dieser Gehorsam mit Gewalt durchgesetzt. Die internationale Polizeibehörde Interpol geht davon aus, dass in Südafrika alle 17 Sekunden eine Frau zum Sex gezwungen wird. Der Vorwand der Täter lautet dann häufig: Die Frauen würden durch aufreizende Kleidung eine Vergewaltigung geradezu provozieren. Schuld an den hohen Vergewaltigungsraten sind dieser Logik zu Folge: die Frauen selbst.

"Das ist natürlich absurd. Studien haben ergeben, dass Frauen missbraucht werden, egal wie alt sie sind, egal wie sie gekleidet sind", sagt Christa Stolle von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. In zu vielen Ländern Afrikas dienten solche Vergewaltigungsmythen jedoch weiterhin dazu, sexuelle Übergriffe zu rechtfertigen - und die Frauen in ihrer Selbstbestimmung weiter einzuschränken. Daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern, solange die Frauen nicht an der Problemlösung beteiligt sind, so Stolle. "Mehr Aufklärung, Bildung, mehr Rechte und politische Partizipationsmöglichkeiten für Frauen, mehr von ihnen in den Führungspositionen der Polizei - dann sinkt die Vergewaltigungsrate ganz schnell." Womöglich könnten die Frauen auf den Straßen von Kampala, Lagos und Johannesburg dann eines Tages ihre Miniröcke tragen - ohne Furcht und als Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins.

Christa Stolle von Terre des Femmes Deutschland (Foto: Terre des Femmes)
Christa Stolle: Vergewaltigungsmythen schränken die Frauen in ihrer Selbstbestimmung einBild: Uwe Steinert, Berlin