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Streit über Waffenlieferungen an Kurden

Jens Thurau22. August 2014

Deutschland will die Kurden im Irak mit Waffen unterstützen - ein Bruch mit der bisherigen Tradition. Doch welche Lieferungen sind sinnvoll? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

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Ein Gewehr der Marke Heckler und Koch G36 (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Damit dürfte Patrick Sensburg (CDU) weitgehend allein stehen in seiner Partei: "Wenn man befrieden will, muss man ehrlich sein. Es wäre sinnvoll, wenn deutsche Soldaten zur Verteilung der Hilfsgüter sowie insbesondere zum Schutz der Flüchtlingslager vor Ort eingesetzt würden", meinte der Bundestagsabgeordnete in einem Zeitungsinterview. Deutsche Soldaten im Irak? Soweit wird es wohl nicht kommen, denn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das kategorisch ausgeschlossen - und das, obwohl klare Festlegungen der Regierungschefin eher die Ausnahme sind. Allenfalls die Entsendung von Militärausbildern sei denkbar, sagte Merkel am Donnerstag auf einer Wahlkampfveranstaltung im sächsischen Grimma.

Was hilft den Kurden im Kampf gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) jetzt am ehesten? Darüber wird quer durch alle Parteien gestritten. So ist der Abgeordnete der Grünen, Omid Nouripour, wie sein CDU-Kollege Sensburg dafür, die Bundeswehr in den Irak zu schicken. Nach seiner Einschätzung könnten deutsche Soldaten die US-Angriffe gegen die Terroristen unterstützen. Nouripours Fraktionschef Anton Hofreiter hält gar nichts davon: Er will es dabei belassen, dass die Amerikaner aus der Luft in den Krieg eingreifen. Im DW-Gespräch sagte er: "Richtig sind die Luftangriffe, aber falsch ist es, Waffen zu liefern, bei denen man am Ende nicht weiß, wozu sie genutzt werden. Was wir uns durchaus vorstellen können, sind Ausrüstungsgegenstände wie Helme oder Schutzwesten."

Peschmerga Kämpfer beim Mossul-Damm (Foto: AP)
Kurdische Peschmerga-Kämpfer im IrakBild: picture alliance/AP Photo

Konsultationen mit den NATO-Partnern

Das zumindest scheint Konsens zu sein - jedenfalls bei Union, SPD und Grünen: Militärische Ausrüstungsgegenstände können den Kurden helfen. Und die SPD, die Rüstungsexporte immer sehr skeptisch sieht, steht nach den Worten von Generalsekretärin Yasmin Fahimi hinter dem Regierungskurs. "Der überwiegende Teil der Partei unterstützt uns in diesem schwierigen Abwägungsprozess", sagte Fahimi am Freitag in Münster. Und sogar in der Linkspartei, die bislang solche Lieferungen kategorisch ablehnt, soll es Stimmen geben, die im Fall der Terrormiliz IS gerne von dem absoluten "Nein" abweichen würden.

Am nächsten Mittwoch will die Regierung nach Konsultationen mit den NATO-Partnern bekanntgeben, was genau sie den Kurden liefert. Immer wieder genannt wird das in die Jahre gekommene Raketensystem Milan, einsetzbar gegen Militärfahrzeuge. Aber die Kurden könnten auch Gewehre gebrauchen. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, warnte schon davor, veraltetes Material in den Nordirak zu schicken. Als verlässlicher Partner müsse man modernes, funktionsfähiges Gerät liefern, sagte er in einem Zeitungsinterview.

Wenn die Regierung entschieden hat, wird kurz danach der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über die Lieferungen zu debattieren. Notwendig ist das nicht, die Regierung kann die Lieferung allein entscheiden, solange keine Soldaten deutschen Boden verlassen. Und tatsächlich hatte Merkels Sprecher Steffen Seibert zunächst gesagt, der Bundestag werde "informiert". Aber dann waren sich alle Fraktionen schnell einig, dass eine Sondersitzung richtig ist. "Es ist eine so wichtige Frage, ob wir Waffen in ein Krisengebiet liefern oder militärische Ausrüstungsgegenstände, dass ich meine, dass das Parlament, der Bundestag, beteiligt werden sollte", sagte der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann der DW. Da lenkte dann auch die Regierung ein: Das Parlament wird die Sache beraten. Und die Kanzlerin ist dann auch zu einer Regierungserklärung bereit, hieß es am Freitag in Berlin.

Karl-Georg Wellmann, Abgeordneter der CDU (Foto: BRL)
Wellmann: "Das Parlament sollte an der Frage beteiligt werden"Bild: picture-alliance/ZB

Kurswende hat für Unmut gesorgt

Die Entscheidung der Regierung, die Kurden auch mit Waffen zu unterstützen, gilt als eine Kurswende in der deutschen Außenpolitik. Und sie hat auch für Unmut innerhalb der Regierung gesorgt. Die Kanzlerin, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD), Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU): Dieser Kreis beschloss die militärische Hilfe am Mittwoch. Nicht dabei war die CSU - obwohl etwa Entwicklungsminister Gerd Müller, der zu dieser Partei gehört, zum Treffen des Kabinetts kurz zuvor ins Kanzleramt gekommen war. Jetzt ist die CSU verschnupft, Parteichef Horst Seehofer will mit der Bundeskanzlerin über die Sache reden.

Ob es wohl an einem Interview Müllers im ZDF kurz zuvor gelegen hat, dass er bei der Entscheider-Runde nicht dabei sein durfte? Im Zusammenhang mit der Finanzierung der Terrorgruppe IS hatte der Minister das Emirat Katar erwähnt, das tatsächlich seit Jahren verdächtigt wird, Islamisten zu unterstützen. Daraufhin soll sich das Emirat in Berlin beschwert haben. Der Sprecher des deutschen Außenministeriums, Martin Schäfer, bestätigte das am Freitag und fügte hinzu: "Wenn es zu Missverständnissen gekommen sein sollte, so bedauern wir diese."