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Ein Professor und der Streit ums Paradies

Martin Koch27. Februar 2013

In der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland gibt es Streit: Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide soll in seinem Buch "Islam ist Barmherzigkeit" Glaubensprinzipien verraten haben. Der Professor wehrt sich.

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Themenbild Koran (Foto: Ulrike Hummel)
Bild: Ulrike Hummel

Von außen betrachtet ist es eine kuriose Situation: In einer türkischen Zeitung erscheint ein Artikel, in dem drei hochrangige Funktionäre islamischer Organisationen aus Hamburg einem nicht Türkisch sprechenden palästinensisch-stämmigen Österreicher vorwerfen, die Grundzüge des Islams verraten zu haben. Er habe gesagt, ins Paradies könnten auch alle diejenigen kommen, die in ihrem Leben ein guter Mensch waren - sie müssten dafür nicht einmal an Gott geglaubt haben, so der Vorwurf in der Tageszeitung "Türkiye".

Brisant wird die Angelegenheit dadurch, dass der betreffende Österreicher Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster ist und dort federführend verantwortlich für die Ausbildung künftiger islamischer Religionslehrer.

Schlechter Stil

Dass die Kritik an seinem Buch - das bereits im Herbst vergangenen Jahres erschienen ist - ihn jetzt über eine türkische Zeitung erreicht, hat Mouhanad Khorchide gleichermaßen überrascht wie geärgert: "Das entspricht nicht den islamischen Werten, wo es ganz klar steht, wenn jemand kritisieren will oder Ratschlag erteilen will, dann soll es unter vier Augen passieren und nicht via Medien", sagt er im Gespräch mit der DW.

Professor Mouhanad Khorchide, Institut für Islamische Theologie der Universität Münster (Foto: Ulrike Hummel)
Mouhanad Khorchide: "Ich kann keinen Gott lieben, der mir Angst macht"Bild: Ulrike Hummel

Inhaltlich geht es um Khorchides Definition, der Islam sei die Annahme von Gottes Liebe und Barmherzigkeit und deren Verwirklichung im Handeln. Unter dieser Voraussetzung sei jeder, der sich dazu bekenne, ein Muslim, auch wenn er nicht an Gott glaube. Denn Gott gehe es nicht um Attribute wie "gläubig" oder "nicht gläubig".

Für Zekeriya Altug, den Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion in Hamburg, kurz: DÍTÍB Nord, greift diese Reduzierung des Islams auf Barmherzigkeit zu kurz: "Der Glaube ist elementar, aber auch die Handlung, die den Glauben unterstützt. Beides für sich alleine reicht nicht, im Zusammenspiel wird's ein Ganzes." Altug ist einer der drei erwähnten Kritiker aus Hamburg.

Glaubensinhalte anschaulich vermitteln

Viele von Khorchides Ansichten findet Altug nicht schlimm. Im Gegenteil, der Islam sei eine pluralistische Religion, die verschiedenste Meinungen zulasse und auch bei Khorchide sei manches dabei, mit dem er sich anfreunden könne. Doch gerade vor dem Hintergrund, dass dieser für die Ausbildung künftiger Religionslehrer verantwortlich ist, müsse man sehr genau hinsehen, welche Wertvorstellungen er transportiere, so der DÍTÍB-Nord-Vorsitzende.

Dr. Zekeriya Altuğ, Vorsitzender DITIB-Nord (Foto: privat)
Zekeriya Altug: "Glaube und Handeln gehören im Islam zusammen"Bild: privat

Auch für Mouhanad Khorchide bekommt die inhaltliche Diskussion im Hinblick auf die Ausbildung künftiger Religionslehrer eine besondere Bedeutung. Ihm sei es wichtig, bei der Vermittlung von Glaubensinhalten die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Blick zu haben: "Wir haben die Herausforderung, dass viele junge Menschen sagen, mit dem Bild eines restriktiven Gottes kann ich nicht viel anfangen, das ist ein Gott, der mir Angst macht", so der Islamwissenschaftler. Deshalb wolle er ihnen vermitteln, dass die Religion für sie da sei und nicht für Gott. Dem gehe es nämlich nicht darum, verherrlicht zu werden, sondern um die Menschen.

Die Zeichen stehen auf Dialog

In dem besagten "Türkiye"-Artikel wird Khorchide, so schreibt es die "taz", von Ramazan Ucar vom Bund Islamischer Gemeinschaften in Hamburg sogar aufgefordert, "Reue zu zeigen und sich wie ein Muslim zu verhalten". Dieser Forderung schließt sich Zekeriya Altug nicht an: "Das geht auch aus religiöser Perspektive zu weit. Es muss jeder Mensch selber wissen, wann er Reue empfindet und Reue muss aus dem Innern kommen, kann man niemandem aufoktroyieren."

Er vertraue darauf, so Altug, dass Khorchide die Diskussion in guter Absicht angestoßen habe, wenn auch seine Formulierungen unkonventionell seien. Auf jeden Fall seien sie eine gute Basis für einen Dialog: " Es gibt Gesprächsbedarf, sollte aber nicht als Streit wahrgenommen werden, sondern als konstruktive Auseinandersetzung, nur so können wir weiterkommen."

Und damit liegt er schon gar nicht mehr weit von der Position des Kritisierten entfernt. Mouhanad Khorchide ist nämlich auch überzeugt, dass die muslimische Gemeinschaft in Deutschland von dieser Diskussion profitieren werde, nicht zuletzt aufgrund vieler positiver Reaktionen, die er in dem Streit erhalten habe: "Alles was neu ist, ruft am Anfang Unbehagen hervor oder Unsicherheit. Aber ich sehe einen guten Weg, auch die Verbände werden das wohlwollend machen. Wir werden alle aus unsern Fehlern lernen."