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EU-Datenschutzreform

Christoph Hasselbach6. Juni 2013

Dauerbrenner Datenschutz: Die EU-Justizminister beraten über neue Rechte für Verbraucher und Unternehmen im Internet-Zeitalter. Viele Details sind umstritten. Das EU-Parlament muss noch zustimmen.

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Computertastatur mit Schloss-Symbol Photo: Fotolia/m.schuckart
Bild: Fotolia/m.schuckart

Die geltenden europäischen Datenschutzregelungen stammen aus dem Jahr 1995 - in digitaler Hinsicht ist das fast noch Steinzeit. Der europäische Datenschutz muss also dringend an das Zeitalter von Smartphones, Online-Handel und Facebook angepasst werden. "Daten sind mobiler geworden, und darauf müssen wir reagieren", meint die FDP-Europaabgeordnete Nadja Hirsch im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Doch die EU-Gesetzgebungsmaschine arbeitet sich nur langsam durch die Materie. Kein Wunder, das Thema ist hochkompliziert, es ragt in so viele Bereiche hinein und berührt enorme wirtschaftliche Interessen. Die zuständige Kommissarin Viviane Reding hat bereits vor gut einem Jahr einen Vorschlag für eine Reform gemacht. Seitdem wird im Europaparlament und in den Mitgliedsstaaten heftig darüber debattiert.

Der Nutzer soll Herr über seine Daten sein

Reding geht es vor allem darum, die Selbstbestimmung der Verbraucher über ihre Privatsphäre grenzüberschreitend zu stärken. Sie will ein hohes Datenschutzniveau, an das sich alle Anbieter halten müssen, die in der EU aktiv sind. Hinter diese Position stellt sich ausdrücklich auch die deutsche Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. In einer gemeinsamen Erklärung schrieben die beiden Politikerinnen: "Es darf keine Schlupflöcher geben, weder für soziale Netzwerke noch für App-Anbieter oder Internethändler. Wir müssen sicherstellen, dass auch dann EU-Recht gilt, wenn die Anbieter ihren Firmensitz außerhalb der EU haben oder die Daten irgendwo in der Welt in der ‘Cloud‘ gespeichert sind." Kein Unternehmen soll nach Meinung der Kommission "über persönliche Daten verfügen und Profile über Nutzer anlegen dürfen, ohne dass der Nutzer dem zugestimmt hat". Außerdem soll der Nutzer weitgehende Löschungsrechte haben.

Reding vor Hintergrund mit Europa-Sternen Photo: picture-alliance/Wiktor Dabkowski
Kommissarin Reding will weitgehende LöschungsrechteBild: picture-alliance/Wiktor Dabkowski

Droht ein Bezahl-Internet?

Beim CDU-Europaabgeordneten Axel Voss schrillen dabei die Alarmglocken. Er sitzt für die Fraktion der Europäischen Volkspartei in den Verhandlungen. Zu viel Datenschutz sei innovations- und wachstumsfeindlich, meint er gegenüber der Deutschen Welle. Voss sieht eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Internet-Giganten und Verbrauchern in Gefahr: Ihr gebt uns eure Daten, wir bieten euch dafür einen kostenlosen Service an. Bei zu viel Datenschutz drohe ein "Bezahl-Internet". Voss nennt monatliche Beiträge von 20 bis 40 Euro, die der Nutzer dann für etwas zahlen müsse, was er bisher gratis bekommt. Dazu sei aber kaum jemand bereit. Daher seien "die Bürger nicht an einem zu extremen Datenschutz interessiert, weil es sie nachher wirtschaftlich treffen würde".

Gegenseitiger Lobby-Vorwurf

Diese Argumentation kritisieren die Grünen als Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit interessierter Unternehmen. Der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht, der die Vorlage als Berichterstatter des Europaparlaments erarbeitet hat, beklagt ein "sehr umfangreiches Lobbying" jetzt während der heißen Debattenphase. Aktivisten der Plattform "lobbyplag.eu" gehen noch weiter. Durch den direkten Vergleich von Textteilen werfen sie Abgeordneten vor, Änderungsvorschläge für die neue EU-Datenschutzrichtlinie zum Teil wörtlich aus den Vorlagen von Firmen wie Amazon oder eBay übernommen zu haben. Doch den Vorwurf, der Internet-Wirtschaft gefügig zu sein, lehnt Axel Voss ab. Er dreht den Spieß um: "Wenn man sich die Vorschläge anderer mal anschaut, sind sie sehr stark beeinflusst von den NGOs, die angeblich keinerlei Interessen verfolgen."

Voss gestikuliert Photo: picture alliance / dpa
Europaabgeordneter Voss befürchtet das Ende eines GeschäftsmodellsBild: picture alliance / dpa

Ziel: einheitliche Mindeststandards

Wie weit Datenschutz in Zukunft gehen soll, bewerten Abgeordnete aus verschiedenen Parlamentsfraktionen unterschiedlich. Doch sie sehen zunächst einmal den großen Vorteil der europäischen Vereinheitlichung. Denn im Moment gilt in Europa ein sehr fragmentiertes Datenschutzrecht. Der Grüne Jan Philipp Albrecht will einen "Standard setzen" und verhindern, dass sich Unternehmen ihren Sitz im Land mit dem geringsten Datenschutz aussuchen. Nadja Hirsch von den Liberalen ist der Arbeitnehmerdatenschutz besonders wichtig. Man müsse sich zum Beispiel sicher sein können, "egal, in welchem Land ich arbeite, dass es keine heimliche Videoaufzeichnung gibt". Doch was das Internet betrifft, so findet sie es "falsch, dem Bürger vorzugaukeln, er hätte die absolute Sicherheit seiner Daten".

Die Verantwortung zu überlegen, welche Daten man freiwillig preisgebe, könne und dürfe man dem Bürger nicht nehmen. Die Debatte um einen europäischen Mindeststandard im Datenschutz könnte noch an Schärfe zunehmen. Denn das Europäische Parlament sollte nach dem Zeitplan der irischen Ratspräsidentschaft Ende Juni dem Gesetzespaket zustimmen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Die Justizminister könnten sich vielleicht auf politische Eckpunkte einigen, viele Details blieben aber noch zu klären. EU-Diplomaten gehen davon aus, dass die Datenschutzreform erst Ende des Jahres kommen wird.