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"Stolze Griechen" wollen Luft zum Atmen

Sabine Kinkartz24. August 2012

Premier Samaras wirbt in Berlin um mehr Zeit für die Umsetzung der Sparprogramme. Kanzlerin Merkel hält sich bedeckt, erkennt aber die Anstrengungen der Griechen an.

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Griechenlands Premier Samaras und Bundeskanzlerin Merkel bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Bild: Reuters

Es war ein Empfang mit Pomp und rotem Teppich, mit militärischen Ehren und allem, was sich für den Antrittsbesuch eines amtierenden Ministerpräsidenten eines befreundeten Landes gehört. Doch der äußere Schein konnte nicht über die gehörige Portion Skepsis hinwegtäuschen, mit der der griechische Premier Antonis Samaras in Berlin erwartet wurde. Es sei "eine schwierige Situation", in der man sich im Moment befinde, so Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Nach außen hin freundlich, in der Sache aber unnachgiebig, so könnte man die Linie der Kanzlerin beschreiben. "Zusagen müssen eingehalten werden", so Merkel an Samaras gewandt, "Worten müssen Taten folgen." Die Bundesregierung unterstütze die Anstrengungen Griechenlands und werde keine vorschnellen Urteile fällen.

Griechenland soll in der Euro-Zone bleiben

Sie habe sich von Samaras über seine Arbeit informieren lassen und sei nun zutiefst überzeugt, dass die neue griechische Regierung alles daran setze, die Probleme Griechenlands auch zu lösen, sagte Merkel nach dem Gespräch mit Samaras. "Seit Beginn der Staatsschuldenkrise habe ich das immer gesagt und das ist auch das Ziel der gesamten Bundesregierung, dass Griechenland Teil der Eurozone ist, und ich möchte auch, dass Griechenland Teil der Eurozone bleibt. Das leitet mich und das leitet auch alle unsere Gespräche."

Berlin: Samaras will mehr Zeit für Griechenland

Wie die Griechen das schaffen sollen und ob sie für ihre Reformanstrengungen mehr Zeit bekommen können, darüber verlor die Bundeskanzlerin vor der Presse allerdings kein Wort. Umso deutlicher wurde hingegen ihr Gast. "Wir sind ein sehr stolzes Volk", sagte Samaras, "wir mögen es nicht, von geliehenem Geld abhängig zu sein." Sein Land brauche nicht mehr Mittel, sondern "Zeit und Luft zum Atmen".

Ob Griechenland diese Zeit bekommen wird, darüber gab es in der rund zwanzigminütigen Pressekonferenz nach dem Gespräch keine Auskunft. Klar ist, dass nichts wichtiger für Griechenland ist als Wirtschaftswachstum, um die Schuldenkrise zu überwinden. Doch genau dieses Wachstum bleibt seit mehr als fünf Jahren aus. Griechenland befindet sich im sechsten Jahr der Rezession.

Herabwürdigende Äußerungen

Sein Volk bringe so viele Opfer, betonte Samaras und es könne bis jetzt keine Zeichen für einen Aufschwung erkennen. Inzwischen würden die Bemühungen, die Lage zu verbessern, auch noch durch "herabwürdigende Äußerungen" aus dem Ausland torpediert. Wenn ein ranghoher Politiker, egal aus welchem Land, erkläre, dass Griechenland die Drachme wieder einführen müsse, wie sollten dann Unternehmen auf die Idee kommen, in Griechenland zu investieren? In solchen Momenten habe man das Gefühl, umsonst zu kämpfen, so Samaras.

Im September wird der Bericht der sogenannten "Troika" erwartet, in dem die Kreditgeber vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission über den Stand der griechischen Reformbemühungen urteilen. Ein Bericht, der mit Spannung erwartet wird. Hängt von ihm doch die Auszahlung der nächsten Hilfstranche ab. Spätestens im Oktober braucht Griechenland eine erneute Geldspritze in Höhe von 31 Milliarden Euro. Dafür muss Athen aber nachgewiesen haben, dass es Einsparungen in Höhe von 11,5 Milliarden Euro erbringen wird. In Medienberichten heißt es allerdings bereits, dass das Finanzloch der Griechen weitaus größer sei und das Land bis zu 14 Milliarden Euro einsparen oder erwirtschaften müsste, um die Forderungen der Kreditgeber zu erfüllen.

Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras wird am Freitag (24.08.2012) von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor dem Bundeskanzleramt in Berlin begrüßt. Thema des Treffens ist das weitere Vorgehen in der Euro-Schuldenkrise. Foto: Kay Nietfeld dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Freundlich, aber in der Sache unnachgiebig: Merkel will von Samaras Taten sehen.Bild: picture-alliance/dpa

Vor diesem Hintergrund erscheint es auch mehr als unwahrscheinlich, das Griechenland schon 2014 seinen Haushalt so im Griff haben könnte, dass das Defizit unterhalb der in der EU vorgeschriebenen Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen könnte. Samaras arbeitet schon jetzt darauf hin, diese Forderung erst 2016 erfüllen zu müssen.

Zwei Wirklichkeiten

Von Berlin aus geht es für den griechischen Ministerpräsidenten nun weiter nach Paris. Dort wird er an diesem Samstag (25.08.2012) vom französischen Staatspräsidenten Francois Hollande empfangen. Der hatte am Donnerstagabend mit der Bundeskanzlerin in Berlin zu Abend gegessen und besprochen, wie Deutschland und Frankreich mit dem strategischen Ziel Samaras umgehen wollen, die Reformauflagen zumindest zeitlich zu lockern. Hollande ist diesem Ansinnen gegenüber aufgeschlossen, Merkel bislang nicht.

Sie lese jeden Tag die griechische Presseschau, um sich zu informieren, verriet die Kanzlerin nach dem Gespräch mit Samaras. Sie wolle wissen, "was aus der griechischen Perspektive gesagt, gefühlt und gedacht" werde. "Was wir schaffen müssen, dass wir die zwei Wirklichkeiten, die es scheinbar gibt, wieder zu einer Wirklichkeit zusammenführen", so die Kanzlerin. Das wird sie auch politisch meinen.