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Stolpersteine im Anti-Terrorkampf

Andreas Noll16. Februar 2015

Nach der Attentatsserie in Kopenhagen steht der Kampf gegen islamistische Terroristen wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Vor allem Frankreich hat zuletzt radikale Schritte unternommen. Einige davon sind umstritten.

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Bewaffnete Soldaten auf einer Straße in Nizza - Foto: Valery Hache (AFP)
Bild: Valery Hache/AFP/Getty Images

Mehrfach ist Frankreich im Kampf gegen islamistische Terroristen alleine losgeprescht, aber jetzt drängt Staatspräsident François Hollande auf Unterstützung durch die EU-Partner. Als internationales Phänomen sei der Terrorismus nur international zu besiegen, lautet die Überzeugung der französischen Führung. Und dafür brauche man bessere Überwachungsinstrumente. Beim jüngsten EU-Gipfel warb Hollande daher bei den EU-Partnern besonders für zwei Punkte: eine intensivere Kontrolle der Außengrenzen des Schengen-Raums und das vom EU-Parlament blockierte europaweite Register zur Fluggastdatenspeicherung. Frankreich wird mit der Überwachung der Flugpassagiere im September beginnen und hofft, dass möglichst viele EU-Partner dem Beispiel folgen.

Im Visier der Dschihadisten

François Hollande in Brüssel: Alain Jocard (AFP)
Hofft auf Unterstützung durch die EU-Partner: der französische Präsident François HollandeBild: Alain Jocard/AFP/Getty Images

Der französische Staat sieht sich nicht erst seit dem Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" Anfang Januar besonders im Visier islamistischer Terroristen. Bereits im vergangenen Jahr haben Regierung und Parlament im Eilverfahren die Anti-Terror-Gesetzgebung verschärft - als Reaktion auf das Erstarken des "Islamischen Staats" und der Warnung französischer Sicherheitsbehörden vor hunderten radikalisierten Syrien-Rückkehrern.

Kernpunkte des gerade in Kraft getretenen Gesetzespakets sind neben hohen Gefängnisstrafen für sogenannte Hassprediger auch Ausreiseverbote für gewaltbereite Islamisten und Sperren im Internet. Mit bis zu sieben Jahren Haft muss rechnen, wer im Internet für terroristische Akte wirbt, Terroranschläge glorifiziert oder dazu aufruft.

Netzsperren als Mittel gegen Terrorpropaganda

Die Verbreitung terroristischer Inhalte soll auch mit einer weiteren Maßnahme erschwert werden. Nach einem Hinweis der Behörden haben Provider in Frankreich maximal 24 Stunden Zeit, um islamistische Propaganda-Seiten zu blocken. User, die aus Frankreich entsprechende Seiten aufrufen, gelangen dann automatisch auf die Server des französischen Innenministeriums mit einem Warnhinweis.

Sicherheitscheck am Flughafen "Charles de Gaulle" in Paris - Foto: François Guillot (AFP)
Mehr Informationen über Passagiere: Im Kampf gegen den Terrorismus baut Frankreich die Überwachung ausBild: FRANCOIS GUILLOT/AFP/Getty Images

Mit diesen neuen Maßnahmen hat die Regierung in Paris bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre die Gesetze zur Terrorismusbekämpfung verschärft. Auch nach der Mordserie des Islamisten Mohammed Merah im Großraum Toulouse im März 2012 riefen Politiker nach härteren Gesetzen. So wurde noch im gleichen Jahr der Besuch von Terrorcamps im Ausland unter Strafe gestellt - auch ohne, dass auf ihn ein konkreter Anschlag in Frankreich folgen muss. Die Höchststrafe von zehn Jahren für den Besuch von Terrorcamps folgt der Logik der Abschreckung.

Neue Stellen im Sicherheitsapparat

Nach der islamistischen Attentatsserie in diesem Jahr steht nun erstmals nicht mehr die Verschärfung von Gesetzen im Vordergrund, sondern eine stärkere Überwachung von Verdächtigen. Dafür will der Staat in den kommenden drei Jahren 2680 zusätzliche Stellen im Sicherheitsapparat schaffen - davon rund 1100 beim Inlandsgeheimdienst. Auch die Ausrüstung von Polizei und Geheimdiensten soll in diesem Zeitraum für 425 Millionen Euro modernisiert werden.

Ausschnitt aus dem Bekennervideo zu den Anschlägen von Paris - Foto: Yahya Arhab (EPA)
Terror-Propaganda im Internet: Strafen für die Verbreitung empfindlich erhöhtBild: picture-alliance/dpa/Y. Arhab

Wie mühsam der Kampf gegen den Terror in der Praxis ist, zeigt sich allerdings in den französischen Gefängnissen. Da die Regierung besonders die Haftanstalten als Orte der islamistischen Radikalisierung fürchtet, will sie auch hier gegensteuern. Die Rekrutierung von 60 neuen muslimischen Gefängnisseelsorgern - für 30.000 muslimische Häftlinge gibt es bislang 178 Geistliche - zählt ebenso zu den geplanten Maßnahmen wie die Isolierung besonders radikaler Islamisten. Sie sollen, wo immer möglich, von anderen Gefangenen getrennt inhaftiert werden.

Doch was sich in der Theorie sinnvoll anhört, macht in der Praxis Schwierigkeiten. Ein Pilotprojekt in einer Haftanstalt südlich von Paris bewertet Gewerkschaftsvertreter Yoan Karar kritisch. Es habe die radikalen Islamisten zusammengeschweißt. Man höre nun Aufrufe zum "Heiligen Krieg" und radikale Predigten, die aus den Zellenfenstern schallten. "Unsere Erfahrungen sind eher negativ", so Karar.

Mehr Sicherheit auf Kosten der Freiheit?

Dass die Regierung mit ihren Maßnahmen über das Ziel hinausschießt, fürchten auch die Internet-Aktivisten von "La Quadrature du Net". Der Aufbau einer Sperrinfrastruktur für das Netz, so ihre Kritik, sei nicht nur leicht zu umgehen, sondern höhle vor allem die von der Verfassung geschützte Redefreiheit aus.

Die Regierungen mehrerer EU-Staaten sehen den französischen Weg zu mehr Überwachung und schärferen Gesetzen dagegen positiv und bereiten ähnliche Schritte vor. Ein Grund dafür dürfte wohl auch das Ausmaß der Gefahr sein. Von 3000 derzeit in Frankreich überwachten Islamisten haben laut Pariser Regierung fast 1300 Verbindungen in Terrornetzwerke in Syrien und dem Irak. Nach Angaben von Premierminister Manuel Valls entspricht dies einer Steigerung von 130 Prozent innerhalb eines Jahres. Wie kritisch die Regierung auch fast sechs Wochen nach dem "Charlie-Hebdo"-Anschlag die Sicherheitslage im Land bewertet, zeigt auch diese massive Polizei- und Militärpräsenz auf den Straßen. In der Hauptstadt und in Teilen Südfrankreichs gilt weiterhin die höchste Terrorwarnstufe.