Stimmen zu einem Jahrhundertverbrechen
Vor mehr als 100 Jahren kam es im Osmanischen Reich zu systematischen Massakern an den armenischen Christen. Die Türkei will nicht von einem Völkermord sprechen - während Persönlichkeiten weltweit das immer wieder tun.
Papst: "Erster Völkermord im 20. Jahrhundert"
Papst Franziskus nutzte die Ostermesse in diesem Jahr für eine politische Botschaft. Er nannte die Massaker an den armenischen Christen im Osmanischen Reich vor 100 Jahren den "ersten Völkermord im 20. Jahrhundert". Nach scharfer Kritik aus der Türkei sagte er: "Wir können nicht über das schweigen, was wir gesehen und gehört haben."
Türkei: "Wir teilen den Schmerz"
Die türkische Regierung lehnt eine Einordnung der Geschehnisse vor 100 Jahren als "Völkermord" noch immer strikt ab. Zuletzt ist Ankara aber auf die Nachfahren zugegangen. Regierungschef Ahmet Davutoğlu sagte jetzt: "Wir teilen den Schmerz der Kinder und Enkelkinder der Armenier, die ihr Leben bei Deportationen 1915 verloren haben."
"Verbrechen gegen die Menschlichkeit"
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will nach den Papst-Äußerungen zwischen der Türkei und Armenien vermitteln. Er spricht von "Gräueltaten" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Neue Historiker-Kommissionen, die alles aufarbeiten, will er nicht. Die beiden Länder sollten ihren Dialog fortsetzen - mit dem klaren Ziel, dass solche "tragischen Ereignisse" in der Zukunft verhindert werden können.
Deutschland sorgt sich um Versöhnung
Außenminister Frank-Walter Steinmeier wägt seine Worte genau ab. Er will die Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien nicht gefährden. Deshalb spricht er nicht von Völkermord. "Verantwortung heißt eben, Verantwortlichkeit nicht auf einen einzigen Begriff zu reduzieren". Im Oktober 2014 besuchte Steinmeier Armenien - hier mit Amtskollege Edward Nalbandjan.
"Es geht nicht um Schuldzuweisungen"
Auch das Europäische Parlament meldet sich zu Wort. Nach einer Schweigeminute verabschiedeten die Parlamentarier eine Erklärung. Darin wird die Türkei aufgefordert, die Verbrechen als Völkermord anzuerkennen. Der Parlamentarier Knut Fleckenstein sagt dazu: "Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen an die heutige politische Regierung, sehr wohl aber um die Übernahme von Verantwortung."
"Face The Shadow": Armenien beim ESC
Politisch soll es nicht zugehen beim Eurovision Song Contest. In diesem Jahr schickt Armenien aber einen brisanten Beitrag ins Rennen. "Don't deny", Leugne nicht!, heißt die zentrale Botschaft des Liedes "Face the Shadow". Die Band Genealogy will den Wettbewerb zur Plattform für ein offenes Wort machen - ihre Ballade wird wohl nicht nur nach ihrem musikalischen Gehalt beurteilt werden.
Genozid-Anerkennung als Türöffner zur EU?
"Würde sich die Türkei nicht so stur verhalten, könnte das auch einen EU-Beitritt beschleunigen". Das sagt Daniyel Demir, der Bundesvorsitzende der Volksgrupe der Aramäer in Deutschland, mit Blick auf das türkisch-armenische Verhältnis. Lange hatte Deutschland gezögert, den Völkermord anzuerkennen. Demir sagte dazu: "Den Opfern muss es so vorkommen, als würde Erdoğan in Berlin mitregieren."
Putin spricht von "Genozid" - und reist an
Kremlchef Wladimir Putin hat dem armenischen Volk zum 100. Jahrestag des "Genozids" sein Mitgefühl ausgedrückt. Der 24. April 1915 sei ein "trauriges Datum, das mit einem der schlimmsten und dramatischsten Ereignisse in der Geschichte der Menschheit verbunden ist - mit dem Genozid am armenischen Volk". Putin wird auch zu den Gedenkfeiern in die armenische Hauptstadt Eriwan reisen.