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Trauer in Köln

Peter Hille17. April 2015

Mit einem bewegenden Gottesdienst wurde im Kölner Dom der Toten des Germanwings-Absturzes gedacht. Dieser stand ganz im Zeichen der Trauer und des Mitgefühls für die Angehörigen der Opfer. Aus Köln Peter Hille.

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Trauerkränze vor dem Kölner Dom
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Mit einem kleinen Engel aus Holz verlassen die Trauergäste den Kölner Dom. Er soll "stärken, ermutigen, Halt geben", so hatte es im Gottesdienst geheißen. Jeder der rund 1400 Trauergäste hatte einen der Holzengel als Andenken an die Trauerfeier erhalten. Unter Tränen nahm eine der Angehörigen eine der Holzfiguren aus der Hand von Kardinal Rainer Maria Woelki entgegen, "als Zeichen unserer Anteilnahme und unseres Mitgefühls". Die junge Frau hatte ihre Schwester bei dem Flugzeugunglück verloren.

Der Engel wird die Trauergäste vielleicht erinnern an Worte von Hoffnung und Zuversicht aus dem Gottesdienst: "Auch Menschen können einander zum Engel werden", umschrieb Notfallseelsorgerin Jutta Unruh ihre Erfahrungen. Sie hat Angehörige nach dem Unglück betreut und dabei viel Hilfe der Trauernden untereinander erlebt.

Der Engel lade ein, nach Quellen der Kraft und Stärke zu suchen. Auch Bundespräsident Joachim Gauck, der spanische Innenminister Jorge Fernandez Diaz und Frankreichs Verkehrsminister Alain Vidalies hatten stellvertretend für die Angehörigen der Opfer und für deren Helfer einen Holzengel überreicht bekommen.

"Trauer und Zorn"

Im Mittelschiff des Kirchenbaus, dessen hohe Fenster im Mittagslicht hell in allen Farben strahlten, saßen die Angehörigen der Opfer von Germanwings-Flug 9525. Sie sollten im Zentrum stehen, ihnen sollte der Trauergottesdienst Trost spenden. So hatten es der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und die Präses der evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, angekündigt. "Unbegreifliches ist geschehen", sagte Kurschus in ihrer Predigt. "Und Unbegreifliches wurde getan."

Deutschland Trauerfeier für Germanwings-Opfer im Kölner Dom (Foro: REUTERS/ Wolfgang Rattay)
Auf der Suche nach Trost: Auch vor dem Dom beteten Menschen für die AngehörigenBild: Reuters/W. Rattay

Auch wenn der Name des Copiloten Andreas L. nicht genannt wurde: Die Tat des Mannes, der das Flugzeug mutmaßlich mit voller Absicht zum Absturz brachte und dabei 149 Menschen mit sich in den Tod riss, war immer wieder Thema in Predigt, Gebet und Ansprachen. Gleich zu Beginn sprach Kardinal Woelki von "Trauer und Zorn" in den Herzen vieler, als er am Mittag den Trauergottesdienst eröffnete.

Für jeden Toten eine Kerze

Vor dem Altar, an dem Woelki und Kurschus standen, flackerten 150 Kerzen. Trotz des Zorns angesichts der unbegreiflichen Tat sollte die Trauer allen Verstorbenen gelten, auch dem mutmaßlich Schuldigen, dem Co-Piloten. Auf die Altarkerze auf einem Ständer, umrankt von weißen Lilien, verwies Kardinal Woelki in seiner Predigt.

"Ich habe keine theoretische Antwort auf das schreckliche Unglück", so der Geistliche. Aber er könne auf die Antwort zeigen, an die er selbst glaube. "Auf die Auferstehung, auf Ostern, auf das ewige Leben, für das diese Kerze steht." Auch eine muslimische Seelsorgerin sprach am katholischen Bischofssitz eine Fürbitte, sie bat für die Helfer in Frankreich und für die Angehörigen.

Fließend ging der Trauergottesdienst über in den Staatsakt zum Gedenken an die Toten. Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, dankte zunächst allen Helfern, die in den französischen Alpen an der Absturzstelle im Einsatz waren. "Wir werden nicht vergessen, was sie in diesen schweren Wochen geleistet haben", so Kraft. Mit Blick auf die Angehörigen der 150 Todesopfer sagte Kraft. "Wir trauern in tiefer Verbundenheit um jede Einzelne, jeden Einzelnen. Wir alle sind betroffen, hilflos, wütend." 65 Todesopfer kamen aus Nordrhein-Westfalen.

Deutschland Trauerfeier für Germanwings-Opfer im Kölner Dom. (Photo by Sascha Schuermann/Getty Images)
Auch Kanzlerin Merkel, Bundespräsident Gauck und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kamen zur Gedenkfeier im Kölner DomBild: Getty Images/S. Schuermann

"Kein Leben ohne Vertrauen möglich"

Die Spitzen aller deutschen Verfassungsorgane waren nach Köln gekommen. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel nahmen auch Bundestagspräsident Norbert Lammert und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, an den Trauerfeierlichkeiten teil.

Bundespräsident Joachim Gauck sprach von einer "verstörenden Vernichtungstat", mit der man konfrontiert sei. Zu Trauer und Schmerz komme so noch das tiefe Erschrecken hinzu über die Abgründe des Menschen, über das Böse. "Was uns aber dennoch ja sagen lässt zu einem Leben, das von Bedrohung und Tod begleitet ist, ist die Tatsache, dass der Mensch zum Guten fähig ist", so Gauck.

Er dankte allen Menschen, die in verantwortungsvollen Berufen, etwa als Piloten oder Lokführer, täglich ihrer Pflicht nachgingen und das Vertrauen in sie rechtfertigten. "Wir sind alle im täglichen Leben auf Vertrauen angewiesen", so Gauck. "Ein Leben ohne Vertrauen ist nicht vorstellbar. Nicht in der Familie, nicht unter Freunden, auch nicht in der Gesellschaft. Wir müssen einander vertrauen."

Gauck dankte auch dem französischen Staatsminister Alain Vidalies und dem spanischen Innenminister Jorge Fernández Díaz für ihr Kommen. "In schweren Stunden stehen unsere Völker erst recht zusammen", so Gauck. Viele Beobachter hatten zunächst damit gerechnet, dass auch die Staatsoberhäupter beider Länder nach Köln kommen würden.

Deutschland Trauerfeier für Germanwings-Opfer im Kölner Dom
Passantin Violetta Spallek: "Ich möchte den Angehörigen mein Mitgefühl zeigen"Bild: DW/P. Hille

Ein Engel für den Weg

Neben Angehörigen der Opfer, Helfern und Politikern hatten sich auch zahlreiche Bürger auf den Weg in den Kölner Dom gemacht. Für sie waren rund 250 Plätze in der Kathedrale reserviert. Violetta Spallek hatte dafür schon am Morgen auf der Domplatte Schlange gestanden. Sie selbst habe keinen direkten Bezug zu den Opfern, das Unglück sei ihr dennoch sehr nahe gegangen. Deshalb habe sie unbedingt beim Gedenkgottesdienst dabei sein wollen. "Ich wollte den Menschen, die umgekommen sind, die letzte Ehre erweisen, eine Kerze anzünden, einfach da sein. Ich bin auch Mutter und ich kann sehr gut nachvollziehen, wie sich die Angehörigen fühlen."

Die Trauerfeier habe gut getan, sagt Kirchenbesucherin Margrit Reinwand, als sie auf den Domvorplatz tritt, auf dem sich hunderte Menschen versammelt haben. Per Videoübertragung konnte der Gottesdienst auch unter freiem Himmel verfolgt werden. "Uns alle hat das Unglück schwer beschäftigt", so Reinwand. "Da ist jetzt ein Stück Erleichterung." Mit festem Griff umklammert sie ihren Holzengel: "Jedem von uns kann so ein Unglück passieren", sagt sie und steckt die Figur in ihre Handtasche. Ab jetzt, so sagt sie, werde sie den Engel immer bei sich tragen.