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Stellvertreterkrieg

Anne Allmeling9. Oktober 2014

Der Kampf der Terrormiliz "Islamischer Staat" gegen die Kurden im Nahen Osten wirkt sich auch in deutschen Städten aus: Kurdische Gruppen und IS-Sympathisanten liefern sich schwere Gefechte.

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Demonstration Kurden Hamburg 08.10.2014
Bild: Getty Images/Alexander Koerner

Es war ein Szenario, das der Hamburger Polizei bekannt vorkam: Als sich am Dienstagabend mehrere hundert Kurden in der Innenstadt versammelten, um gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu demonstrieren, ahnten die Sicherheitskräfte bereits, dass die Nacht nicht ruhig bleiben würde. Doch anders als am Tag zuvor gab es lediglich kleinere Zwischenfälle - auch, weil fast 1300 Beamte im Einsatz waren, um Auseinandersetzungen wie am Vorabend zu verhindern.

Am Montag hatten sich einige hundert Kurden heftige Straßenschlachten mit mutmaßlichen Salafisten geliefert. Nach einer Demonstration der Kurden gingen die beiden Gruppen ausgesprochen gewalttätig aufeinander los: mit Metallstangen, Messen und Macheten. Wer mit der Schlägerei begann, ist unklar. Insgesamt 14 Menschen wurden verletzt; die Polizei wurde mit Steinen beworfen.

Ruhig blieb es dagegen bislang an diesem Donnerstag. Wieder gingen mehrere tausend Kurden in deutschen Städten auf die Straße, um gegen die Angriffe der Islamistenmiliz IS zu protestieren. In Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe zählte die Polizei etwa 2400 Teilnehmer.

Warnung vor Ausweitung der Krawalle

Dennoch sieht der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, einen Grund, Alarm zu schlagen. "Hier droht ein Stellvertreterkrieg auf deutschem Boden", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), zeigte sich besorgt. Es sei "leider nicht das erste Mal, dass Konflikte, deren Ursachen in anderen Staaten oder in unterschiedlicher religiöser Prägung liegen, mit Gewalt auf unseren Straßen und Plätzen ausgetragen werden", sagte er der derselben Zeitung. Die Polizei warnt vor einer Ausweitung der Krawalle in deutschen Städten. Denn hier treffen Anhänger und Gegner der Terrormiliz "Islamischer Staat" aufeinander.

Kurden demonstrieren in Hamburg (Foto: Getty Images)
Eine Gruppe junger Kurden demonstriert in Hamburg gegen den IS-TerrorBild: Reuters/Alexander Koerner

"Die Kurden wollen, dass der Krieg in ihrer Heimat aufhört, dass der Terror des so genannten 'Islamischen Staates' gegen ihre Bevölkerung aufhört - deshalb gehen sie auf die Straße und demonstrieren friedlich“, sagt Mehmet Tanriverdi, Vizevorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschlands (KGD), im Gespräch mit der DW. Nach den Ausschreitungen in Hamburg hatten sich die Vertreter des kurdisch-deutschen Kulturzentrums, der Al-Nour-Moschee und des Rats der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura) in einer gemeinsamen Erklärung von der Gewalt distanziert. Die mutmaßlichen Salafisten dagegen sympathisieren offenbar mit der Terrormiliz "Islamischer Staat". Viele von ihnen sind Muslime mit Wurzeln in der islamischen Welt und haben die deutsche Staatsangehörigkeit.

Massenschlägerei in Celle

Auch in Celle sind Mitglieder der kurdischen Gemeinde mit mutmaßlichen Islamisten aneinandergeraten. Die 70.000-Einwohner-Stadt in Niedersachsen beherbergt die größte jesidische Gemeinde Europas. Die Jesiden sind Kurden, folgen aber ihrer eigenen Religion - anders als die muslimische Mehrheit der Kurden. In Celle gingen Jesiden und Exil-Tschetschenen aufeinander los. In Tschetschenien gibt es eine lange Tradition eines nationalistisch und islamistisch inspirierten Widerstands, seit die Russen im 19. Jahrhundert das Land am Kaukasus besetzten. Vor allem seit den 1990er Jahren haben sich viele Tschetschenen in letztlich vergeblichen Kämpfen für ein unabhängiges Tschetschenien gegen die russische Armee und die tschetschenischen Verbündeten Putins radikalisiert. Heute kämpfen zahlreiche tschetschenische Exilanten in Syrien für den "Islamischen Staat".

Kurden demonstrieren in Hamburg (Foto: Getty Images)
Wie in Hamburg gehen die Kurden in vielen deutschen Städten auf die StraßeBild: Reuters/Alexander Koerner