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Zuwanderung: Krach in der Koalition

2. Januar 2014

Ist die sogenannte Armutszuwanderung ein Problem für Deutschland - oder nur eines für die große Koalition? Die hat nach dem Vorstoß der CSU jedenfalls den ersten Krach. Bundesaußenminister Steinmeier bezieht Position.

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SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier
Bild: picture-alliance/dpa

Streit um Zuwanderung

Der SPD-Mann Frank-Walter Steinmeier sagte der "Süddeutschen Zeitung" mit Blick auf die Forderungen der CSU nach Beschränkungen für Menschen aus Bulgarien und Rumänien, wer die Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stelle, schade Europa und Deutschland. "Die europäischen Freiheiten sind der Kern unserer Idee von Europa, die Arbeitnehmer-Freizügigkeit ist ein unverzichtbarer Teil der europäischen Integration. Deutschland hat davon ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert", fügte der Außenminister hinzu.

Einer der engsten Mitarbeiter Steinmeiers wurde noch deutlicher. "Die CSU hat Europa nicht verstanden. Und offenkundig will sie es auch nicht", kritisierte Staatsminister Michael Roth gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". Roth, ebenfalls SPD-Mitglied, ist im Auswärtigen Amt für Europa-Angelegenheiten zuständig. Deutschland profitiere als Exportnation von offenen Märkten und Freizügigkeit. Die CSU mache mit "dummen Parolen" Stimmung gegen Migranten und beherrsche "noch nicht einmal die Faktenlage". Das sei "äußerst gefährlich".

Fälle von Missbrauch?

Anlass der Debatte ist, dass seit dem Neujahrstag die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Bürger der EU-Staaten Rumänien und Bulgarien gilt, für die es bislang übergangsweise Beschränkungen gab. Diese haben somit vollen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Die CSU hatte vor diesem Hintergrund schärfere Regeln gegen den "Missbrauch durch Armutszuwanderung" verlangt, wie es dem Bericht zufolge in einer Beschlussvorlage der CSU-Landesgruppe für ihre Klausurtagung in Wildbad Kreuth in wenigen Tagen heißt.

CSU-Chef Horst Seehofer hatte diese Position am Mittwoch bekräftigt. Seine Partei fordert eine Wiedereinreisesperre etwa nach Sozialbetrug und brachte eine Aussetzung aller Sozialleistungen während der ersten drei Monate des Aufenthalts in die Debatte. Vorwürfe, er schüre Ressentiments gegen Ausländer, wies Seehofer zurück: "Der beste Schutz gegen rechtsradikale Dumpfbacken ist, die Probleme zu lösen, auf denen diese Leute ihr Süppchen kochen", sagte er der "Bild"-Zeitung.

Streit um Zuwanderung

Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach stellte sich hinter die CSU-Forderungen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit bedeute die freie Wahl des Arbeitsplatzes in der EU, nicht aber die freie Auswahl des Sozialsystems, in das man einwandern möchte, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Union und SPD hätten sich zudem im Koalitionsvertrag daruf geeinigt, eine dauerehafte Zuwanderung in die Sozialsystem zu vermeiden. Er hoffe sehr, dass dieser Konsens von Seiten de SPD nicht aufgekündigt werde.

"Kein Grund für Sorgen"

Die Bundesregierung reagierte - neben der Stellungnahme des Außenministers - insgesamt zurückhaltend auf die Forderungen aus München. Das - ebenfalls sozialdemokratisch geführte - Arbeitsministerium verweist darauf, dass es keine größeren Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Freizügigkeit für Bürger aus Rumänien und Bulgarien erwarte.

Auch der rumänische Botschafter in Berlin, Lazăr Comănescu, betonte im DW-Interview, dass es keinen Grund für derartige Sorgen gäbe. Auch bei vergangenen EU-Erweiterungen hätten sich die Ängste vor einer Migrationswelle nicht bewahrheitet. "Begriffe wie 'Armutsmigration' sind irreführend und wenig hilfreich", so der Botschafter. Schließlich sei die Freizügigkeit eines der Fundamente der europäischen Integration. Die große Mehrheit der Rumänen in Deutschland sei gut integriert und leiste einen großen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland.

ml/uh/nc (dpa, afp)