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Steinbrücks Mittelfinger

Jeanette Seiffert13. September 2013

Große Aufregung zum Ende des Wahlkampfs: Peer Steinbrück zeigt auf dem Cover eines Magazins den Mittelfinger. Ob ein Kanzlerkandidat so etwas darf, wird auch in den sozialen Netzwerken heiß diskutiert.

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Ein Finger macht Karriere - Peer Steinbrücks Geste auf der Titelseite des SZ-Magazins

Der Mittelfinger des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hat mittlerweile sogar einen eigenen Auftritt beim Kurznachrichtendienst Twitter: Unter @peersfinger schreiben Spaßvögel Kommentare zu Peer Steinbrücks Geste, die auf dem Titel der aktuellen Ausgaben des SZ-Magazins prangt. Der gestreckte Mittelfinger war Steinbrücks nonverbale Antwort auf die Frage von Journalisten zu diversen Spitznamen wie "Pannen-Peer" oder "Peerlusconi", die über ihn kursieren.

"Ihr könnt mir alle mal gepflegt den Finger küssen", ist dazu auf @peersfinger zu lesen oder: "Eine Woche vor der Wahl hatte mein Team dann endlich auch eine Idee für die Gören". Der Suchbegriff #stinkefinger - der umgangssprachlichen deutsche Ausdruck für den erhobenen Mittelfinger - steht bei Twitter schon seit Stunden an der Spitze der Rangliste, auf Online-Seiten von Fernsehsendern und Zeitungen können Nutzer darüber abstimmen, ob sie die Steinbrück-Geste gut oder schlecht finden.

Eine Frau hält das SZ-Magazin in die Luft. (Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL)
"Sagen sei jetzt nichts": Steinbrück im Foto-Interview im SZ-MagazinBild: John Macdougall/AFP/Getty Images

Witz oder Beleidigung?

Während die meisten Vertreter der etablierten Medien sich empört zeigen und politische Gegner gegen Peer Steinbrücks Mittelfinger-Pose wettern, kontert er selbst im Fernsehen mit dem Kommentar: "Wo kommen wir denn hin, wenn wir völlig humorlos sind?" Und tatsächlich scheinen viele in den sozialen Netzwerken es mit Humor zu nehmen: "Positiv gesehen, könnte man sagen, Peer Steinbrück rührt wenigstens einen Finger", witzelt ein Twitter-User, andere veröffentlichen Fotomontagen, auf denen an Steinbrücks Finger ein Damenslip baumelt oder eine Giraffe daran leckt.

Inge Wolff vom"Arbeitskreis Umgangsformen International" hält es allerdings für sehr gefährlich, auf diese Weise mit Ironie zu spielen: "Viele Menschen verstehen sie nicht", warnt die Kommunikationsberaterin, "oder der Schuss geht nach hinten los, weil manche es dann als verletzend oder als diskriminierend empfinden." Zwar habe Steinbrück hinterher erklärt, dass er es nicht so gemeint habe: Dennoch gebe es viele Menschen, die diese Geste als Beleidigung auffassen, sagt Wolff gegenüber der Deutschen Welle.

Steinbrück: Lachnummer....

Und tatsächlich nehmen einige Twitter-User dem Kandidaten seine Provokation offenbar übel: "#steinbrück symbolisiert nichts anderes als: 'ihr wähler seid mir doch scheißegal ich mach eh was ich will mit euch'". Einige verweisen darauf, dass die Geste, die Peer Steinbrück zeigt, auch im juristischen Sinne eine Beleidigung ist: "Wenn man anderen Autofahrern oder gar Polizisten den Finger zeigt, kann man mit einer Strafe rechnen. Er soll seinen @peersfingereinpacken!"

Der Schatten einer Jugendlichen mit einem Handy ist vor der Internetseite des Kurzmeldungsdienstes Twitter Foto: Armin Weigel dpa/lnw.
Aufregung im Netz: Tausende Tweets zu Steinbrück-GesteBild: picture alliance/dpa

Für viele drückt Steinbrück damit aus, dass er den Wahlkampf nicht wirklich ernst nimmt: "Die Antwort der #spd auf die soziale Ungerechtigkeit im Land: @peersfinger Die neue Mitte." Ein anderer schreibt: "Peer #Steinbrück:Vorbild? Kanzler? Wohl eher Lachnummer und ein Idiot!" "Jeder Mensch, der oft in der Öffentlichkeit auftritt, wird, ob er es will oder nicht, automatisch von vielen Menschen als Vorbild wahrgenommen", argumentiert auch Etiketteberaterin Inge Wolff. "Und das lassen eben viele außer Acht."

....oder authentischer Politiker?

Viel Lärm um nicht viel, meint dagegen Felix Flemming, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Münster: Aus seiner Sicht sind es vor allem die etablierten Medien, die ein wenig beleidigt auf Steinbrücks Foto reagiert hätten. Oft seien es dieselben, die sich sonst beschweren, dass Politiker zu wenig authentisch seien: "Wenn sie dann mal ehrlich sind, wie Steinbrück auf diesem Cover, dann wird das dann als völliger Fehltritt oder auch als Skandal hoch geschrieben", sagt Flemming der DW. So sieht das auch ein Twitter-Nutzer: "Steinbrücks #Stinkefinger ist endlich mal eine authentische Reaktion auf eine doofe Pressefrage. #findichgut #wähleichtrotzdemnicht".

Steinbrück-Mittelfinger gegen Merkel-Raute?

Für viele setzt sich Steinbrück damit von der Kanzlerin Angela Merkel ab, die oft als sehr steif und wenig spontan erlebt wird: "Steinbrücks #Stinkefinger ist mir 10x lieber als die Handrautenspastik der Kanzlerin", schreibt eine Nutzerin und spielt damit auf die "Merkel-Raute" an, die typische Art von Merkel, ihre Hände vor dem Körper rautenförmig aneinander zu legen.

CDU-Plakat mit der sogenannten "Merkel-Raute" in Berlin. Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch
Raute statt Stinkefinger: Merkel-Wahlplakat in BerlinBild: Reuters

Ein anderer sieht das ähnlich: "Noch so ein Aufreger um nichts: @peersfinger: Lieber ein Kanzler mit Kante als eine Kanzlerin, die weder Fisch noch Fleisch ist".

Mediale Empörung ohne Effekt

Felix Flemming glaubt dennoch nicht, dass die Aufregung um den "Peer-Finger" einen messbaren Einfluss auf die Bundestagswahl haben wird. "Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand, der Steinbrück nicht wählen wollte, ihn aufgrund dieses Covers wählt."

Einige Stimmen im Netz wünschen sich deshalb schon wieder, dass diese aus ihrer Sicht überflüssige Diskussion wieder anderen Themen Platz macht: "Nach dem Aufreger über @peersfinger... Können wir jetzt darüber reden wer dieses Land gestalten statt verwalten möchte? Danke."