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"Abkommen zum Kongo wirft Fragen auf"

Philipp Sandner 24. Februar 2013

Mit einem Abkommen wollen afrikanische Staaten den Ostkongo-Konflikt beilegen. Ob das gelingt, bleibt fraglich. Kongo-Experte Jason Stearns nennt im DW-Interview die Schwachpunkte.

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Herr Stearns, am Sonntag (24.02.2013) haben elf afrikanische Staaten in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba ein Abkommen unterzeichnet, das Frieden und Sicherheit in der Demokratischen Republik Kongo garantieren soll. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon war anwesend, ebenso wie Vertreter der Afrikanischen Union und afrikanischer Staatenbündnisse. Worum geht es in diesem Abkommen?

Das Abkommen baut auf zwei Säulen: Die erste ist eine Reform der staatlichen kongolesischen Institutionen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der anhaltenden Krise, den immer neu aufflammenden Konflikten und dem schwachen kongolesischen Staat. Bei der zweiten Säule geht es darum, den internationalen Einmischungen im Kongo ein Ende zu setzen. Um diese zwei Punkte zu erreichen, soll es Überwachungsmechanismen geben, die die Maßstäbe setzen und die Durchführung überwachen - aber das Abkommen bleibt sehr vage. Die meisten Details bleiben noch zu klären.

Auslöser der aktuellen Krise, die jetzt zu den Verhandlungen geführt hat, war der Krieg, den die Rebellengruppe M23 in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu im vergangenen Jahr gegen die Armee führte. Im November konnten die Rebellen für kurze Zeit die Stadt Goma einnehmen. UN-Experten vermuten Ruanda und Uganda hinter der Rebellion. Wie kann dieses Abkommen den Kongo und seine Nachbarn davon abhalten, sich weiter anzufeinden?

Das Abkommen sagt dazu nichts. Darin steht nur, dass alle Länder der Region die Souveränität der anderen anerkennen, dass es keine militärischen Interventionen in anderen Ländern geben wird, aber es ist nicht klar, wie das passieren wird. Es sollen Richtlinien aufgestellt werden, um die Einhaltung zu überwachen, aber das ist sehr schwierig, wenn man bedenkt, dass gerade Ruandas und Ugandas Interventionen im Kongo immer geheim waren. Wie überwacht man etwas, das nie offen angesprochen wurde?

Während das jetzige Abkommen auf eine Initiative der Vereinten Nationen zurückgeht, treten die kongolesische Regierung und die M23-Rebellen bei ihren Verhandlungen in Ugandas Hauptstadt Kampala auf der Stelle. Und Vertreter der Opposition monieren, dass die kongolesischen Bürger kein Mitspracherecht bei all diesen Verhandlungen haben.

Es ist nicht ganz falsch, zu sagen, dass die Zukunft des Kongo außerhalb des Kongo entschieden wird. Die kongolesische Politik wurde schon immer stark von Außenstehenden bestimmt - zumindest seit dem Ausbruch des Kriegs 1996. Das Rahmenabkommen zeigt, dass das wohl auch weiter so sein wird. Das kann gut oder schlecht sein. Die Zivilgesellschaft ist da gespalten - manche fordern kongolesische Lösungen; andere sagen, dass es keinen Raum für solche kongolesischen Lösungen gibt, weil weder der Staat noch die bewaffneten Gruppen auf zivilgesellschaftliche Stimmen hören. Eine der auffälligsten Auslassungen im Abkommen betrifft übrigens die bewaffneten Gruppen. Es ist zwar die Rede vom Konflikt, von internen Flüchtlingen. Aber die M23 wird nicht mal erwähnt! Und es wird nicht erläutert, wie der Vertrag zur Entwaffnung dieser Gruppen führen kann. Daher bleibt offen, wie die Verhandlungen in Kampala und Addis Abeba zusammengebracht werden können.

Joseph Kabila Foto: Reuters
Joseph Kabila, Präsident der Demokratischen Republik Kongo, bei der UnterzeichnungszeremonieBild: Reuters

Der Aufbau staatlicher Strukturen im Kongo ist seit Jahren ein ungelöstes Problem. Wie kann ein Abkommen diese Hürde überwinden?

Während es im ursprünglichen Entwurf noch ein Kontrollkomitee zur Staatsbildung gab, in dem neben dem kongolesischen Präsidenten auch die wichtigen Geber vertreten waren, ist diese Aufgabe nun der kongolesischen Regierung vorbehalten. Die Regierung überwacht sich also gewissermaßen selber und wird lediglich von der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Am Unterschied der Formulierungen in den verschiedenen Entwürfen lässt sich erkennen, wie diese Möglichkeit internationaler politischer Einflussnahme im Prozess verlorengegangen ist - weil der Kongo hier eine Einmischung in innere Angelegenheiten sah.

Die Zivilgesellschaft war weder bei der Ausarbeitung des Abkommens beteiligt, noch hat sie es unterzeichnet. Was bedeutet das für die Lösung des Konflikts?

Ich finde das sehr bedauerlich. Die Zivilgesellschaft zu befragen, wann immer das möglich ist - das sollten diejenigen im Blick haben, die die Umsetzung des Abkommens in die Hand nehmen. Ein Positivbeispiel war die Übergangsphase von 2003 bis 2006. Damals haben zivilgesellschaftliche Gruppen eine aktive Rolle gespielt, sie bekamen Sitze im Parlament und Ministerposten. Diese positive Erfahrung sollte man sich im aktuellen Prozess zunutze machen.

Bei all den Schwächen, die das Abkommen hat: Würden Sie es trotzdem als Schritt nach vorne betrachten?

Ja, ich denke schon, dass das Abkommen eine positive Entwicklung ist. Es erkennt an, dass die Schwäche des Kongo und die internationalen Verwicklungen grundlegende Probleme im Konflikt sind. Was leider außen vor bleibt, ist die Bedeutung von lokalen Konflikten um Land und Macht im Ostkongo. Aber immerhin versuchen die Unterzeichner, das Problem bei den Wurzeln zu packen und einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Ob das ein ehrlicher Versuch wird oder ob wieder nur diplomatisch an der Oberfläche gekratzt wird, bleibt aber abzuwarten. Unterm Strich werden mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben.

Jason Stearns ist Leiter des Usalama Projekts am kenianischen Rift Valley Institute, das den Konflikt im Ostkongo untersucht. Seit vielen Jahren befasst er sich mit dem Kongo, unter anderem im Auftrag der Vereinten Nationen und der International Crisis Group. 2012 erschien sein Buch "Dancing in the Glory of Monsters", das eine umfassende Analyse der Entwicklung im Kongo bietet.