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Standort Deutschland im Aufwind

Sabine Kinkartz27. Mai 2014

"Made in Germany" steht weltweit hoch im Kurs: Im Ranking der attraktivsten Standorte rückt es weiter vor, in Europa ist die Bundesrepublik sogar die Nummer Eins. Doch am Horizont ziehen Wolken auf.

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Zwei Ingenieure arbeiten an einer Flugzeugturbine.Foto: Robert Schlesinger/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Die gute Nachricht zuerst: Aktuell gilt Westeuropa unter Investoren als attraktivster Standort weltweit, noch vor China und Nordamerika. In Westeuropa ist es wiederum Deutschland, das von Investoren die meisten Punkte bekommt. In einer Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaf EY, wie sich Ernst & Young seit kurzem nennt, sprachen sich 40 Prozent der Manager für Deutschland aus, Großbritannien und Frankreich folgten mit 22 und elf Prozent auf den Plätzen zwei und drei.

Besonders wichtig sei für Investoren, dass sie ihre Geschäfte in einem in jeder Beziehung gesicherten Umfeld machen können, sagt EY-Partner Peter Englisch. Deutschland punkte als ein politisch und rechtlich stabiles Land im Herzen Europas mit einem attraktiven Binnenmarkt. "Auch wenn wir immer wieder verstopfte Autobahnen beklagen, ist die Transport- und die Logistik-Infrastruktur in Deutschland insgesamt sehr gut ausgeprägt. Das betrifft Straße, Bahn, Luftverkehrswege." Das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte werde unverändert hoch geschätzt, aber auch das positive soziale Klima und die Telekommunikationsinfrastruktur.

Ein Porsche Macan fährt zur Werkseröffnung am 11.02.2014 im Porsche-Werk in Leipzig (Sachsen) vor. Foto: Jan Woitas/dpa
Die Transport- und Automobilindustrie wird als größter Wachstumstreiber in Deutschland gesehenBild: picture-alliance/dpa

Deutschland auch weltweit vorne

Deutschland sei heute eindeutig die robusteste und wettbewerbsfähigste unter den großen Volkswirtschaften Europas, urteilt Englisch. Auch im weltweiten Vergleich konnte sich Deutschland in der Gunst der Investoren weiter hocharbeiten. Auf den Plätzen eins bis drei rangieren China, die USA und Russland, gefolgt von Deutschland.

Allerdings hat EY die Befragung von rund 1000 international tätigen Unternehmen im Februar und März dieses Jahres durchgeführt. Mit Blick auf die Ukraine-Krise dürfte Russland inzwischen weniger gut abschneiden. "Ich glaube, dass man das relativ gut prognostizieren kann. Wenn man sich vor Augen führt, dass politische Stabilität und die Sicherheit der rechtlichen Systeme Investitionskriterium Nummer eins sind, dann ist das Vertrauen in nachhaltige und verlässliche Politik und eine stabile Gesellschaft und Rechtsordnung momentan doch schon erschüttert", analysiert Peter Englisch.

Wo laufen die Geschäfte am besten?

Deutschland profitiert aber auch davon, dass die Schwellenländer schwächeln. Die Investoren hätten feststellen müssen, dass in Ländern wie Indien, Brasilien, der Türkei oder Südafrika die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Indien habe eine schwierige Zeit hinter sich, das habe jetzt zu einem dramatischen Regierungswechsel und zu einer Neuorientierung geführt, so EY-Experte Englisch. "In Brasilien ist es so, dass die Unzufriedenheit damit, was für die Menschen dort getan wird, für die Infrastruktur und die Unternehmen, sehr hoch ist. Und es ist eines der bürokratischsten Länder der Welt."

Wer sein Geld in einem Land investieren will, dort ein eigenes Unternehmen aufbauen, oder eins kaufen, also übernehmen will, der beobachtet ganz genau, wie sich die Lage vor Ort auch mittel- und langfristig entwickelt. Aus diesem Grund, so meint Peter Englisch, sollte es die Deutschen aufhorchen lassen, dass trotz wachsender Wertschätzung für den Standort in diesem Jahr mehr Unternehmen angeben, Teile ihrer Geschäfte wieder aus Deutschland heraus in andere Länder verlagern zu wollen. Der Anteil der Firmen mit solchen Plänen erhöhte sich im Vergleich zu 2013 von elf auf 20 Prozent.

Es reicht nicht, den Diesel noch sparsamer zu machen

Gleichzeitig planen weniger ausländische Unternehmen, sich in Deutschland neu anzusiedeln oder zusätzliche Geschäftsbereiche hierher zu verlagern: Ihr Anteil sinkt von 36 auf 27 Prozent. Englisch sieht daran zwar kein Misstrauensvotum gegen Deutschland, aber es sei ein Warnsignal. "Es gibt durchaus konkrete Empfehlungen der Unternehmer und Entscheider, wie man sich anders aufstellen könnte." Deutschland müsse ein insgesamt positiveres und innovationsfreundlicheres Gesamtumfeld schaffen. "Es ist doch eigentlich ein Unding, dass die neuen Weltkonzerne überall anders entstehen. Ob das Google ist oder Facebook, jetzt Alibaba in China. Wo sind da die Deutschen? Wo sind die neuen deutschen Technologien? Es reicht nicht aus, den Dieselmotor noch sparsamer zu machen."

Deutsche Ingenieurskunst sei zwar nach wie vor in der Welt gefragt, aus dem Ausland werde aber durchaus auch verfolgt, wie viele große Projekte in Deutschland inzwischen scheitern würden. "Der Rest der Welt hat die Katastrophen rund um den Berliner Flughafen, die Hamburger Elbphilharmonie und andere Fehlleistungen deutlich mitbekommen. Sie werden in China heute darauf angesprochen, was denn da passiere und wo die deutsche Ingenieurkunst geblieben sei."

Das am Abend beleuchtete Terminal des neuen Flughafens Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) in Schönefeld (Brandenburg). Das Chaos auf der Großbaustelle ist noch immer nicht gelichtet, ein Starttermin ist nicht in Sicht. Foto: Patrick Pleul/dpa
Für den Flughafen Berlin-Brandenburg ist ein Starttermin nach wie vor nicht in SichtBild: picture-alliance/dpa

China mache Deutschland vor, wie man einen Großflughafen innerhalb des zeitlichen Rahmens und innerhalb des gegebenen Budgets baue, wie man Hochleistungsstrecken, Energieversorgungsleitungen über tausende von Kilometern in Rekordzeit verlege und ohne dabei zu scheitern.

Trotzdem richten gerade chinesische Investoren ihr Augenmerk auf Deutschland. Wie auch private Kapitalgesellschaften sind sie auf der Suche nach mittelständischen Unternehmen, bei denen ein Wechsel in der Führungsetage ansteht. Peter Englisch schätzt, dass bei rund 20.000 deutschen Mittelständlern die Unternehmensnachfolge mittelfristig nicht geklärt sei. Seiner Erfahrung nach werden zehn Prozent dieser Unternehmen am Ende verkauft – auch an Chinesen.