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Sprachtandems und Freundschaft

Greta Hamann11. Januar 2015

Was können wir Flüchtlingen am besten geben, fragten sich Studierende der Universität in Friedrichshafen. Und kamen zu dem Schluss: Freundschaft. Von den Begegnungen profitieren heute beide Seiten.

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Welt_Raum-Projektgruppe und Flüchtlinge am Bodensee. (Foto: privat)
Bild: Privat

Deutsche Welle: Anfang 2014 haben Sie Ihr Projekt Welt_Raum gestartet. Wie ist es dazu gekommen?

Melanie Berger. (Foto: privat)
Melanie Berger ist Mitbegründerin des ProjektesBild: Privat

Melanie Berger: Zwei Sozialarbeiter vom Deutschen Roten Kreuz, die für sechs Asylbewerberheime zuständig sind, kamen auf uns zu und sagten, dass sie Hilfe brauchten. Zwei dieser Heime stehen in Friedrichshafen, wo sich auch unsere Uni befindet. Also sind wir dort hingegangen und haben gefragt, was könnten wir machen und woran fehlt es? Wir sind ziemlich schnell zu dem Schluss gekommen, dass es nicht an materiellen Dingen fehlt, da sowohl eine Kirchengemeinde als auch andere Initiativen sich schon ausreichend darum kümmern. Also haben wir gedacht, dass das, was wir am besten geben können, Begegnungen sind.

Wie waren die ersten Reaktionen von Seiten der Bewohner?

Am Anfang waren alle etwas skeptisch, weil sie meinten, es wären schon so viele Leute da, die etwas versprochen und nicht gehalten haben. Also haben wir gesagt: Gut, wir versprechen nichts, wir sind Studenten, wir machen, was wir können und wollen einfach mit euch Zeit verbringen. Wir studieren und damit haben wir auch nicht den ganzen Tag Zeit, aber sobald wir können, kommen wir vorbei. Nicht, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.

Wie verbringen Sie die gemeinsame Zeit?

Im Sommer waren wir oft im Heim. Entweder haben die Syrer für uns gekocht, oder wir haben zusammen ein großes Abendessen im Hinterhof mit einem großen Tisch veranstaltet. Wir waren auf Volksfesten, sind an den Bodensee gefahren oder haben gemeinsam WM geschaut. Mittlerweile haben sich unsere Strukturen verfestigt, weil wir für mehr Kontinuität sorgen wollen. Wir spielen zwei Mal die Woche Fußball, das Training ist in den Hochschulsport eingegliedert. Wir bieten ein Frauencafé im Heim an, und wir treffen uns für unsere Sprachtandems. Ich lerne zum Beispiel seit zwei Jahren Arabisch. Ich habe mich mit Hassan, einem Familienvater aus Syrien, angefreundet - mit ihm unterhalte ich mich öfter auf Arabisch. Meistens ist es aber eher so, dass wir zusammen Zeit verbringen, und dann kann man jederzeit eine Frage stellen. Von Anfang an haben wir uns den großen Leitsatz gesetzt, dass wir nicht wollen, dass wir ein Hilfsprojekt sind, sondern dass es um Begegnungen auf Augenhöhe geht.

Stoßen Sie bei dem Ansatz, vor allem Freundschaften zu knüpfen, nicht auch an Ihre persönlichen und zeitlichen Grenzen?

Welt_Raum-Projektgruppe und Flüchtlinge. (Foto: privat)
Melanie Berger: "Wir wollen Begegnungen auf Augenhöhe."Bild: Privat

Natürlich ist nicht jeder mit 20 Asylbewerbern befreundet. Das wäre ja auch irgendwie unnatürlich. Man versteht sich dann halt mit ein paar Leuten ganz gut und mit denen hält man Kontakt. Wir wollen auch nichts erzwingen, schließlich ist es ein sehr persönliches Projekt und wir wünschen uns, dass wir natürlich wachsen. Das Hoffnungslose ist aber trotzdem auch, dass wir nie unseren eigenen Ansprüchen genügen. Schon allein bei den Freunden, die wir haben, ist es schwierig. Als Flüchtling darf man ja nicht arbeiten und hat den ganzen Tag Zeit. Wir allerdings studieren und müssen auch mal andere Dinge erledigen. Dadurch entsteht auch ein Ungleichgewicht. Oft habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich wieder absagen muss. Aber ich denke, mittlerweile besteht auf beiden Seiten schon viel mehr Verständnis für den jeweils anderen.

Melanie Berger ist eine der Initiatorinnen des Projektes Welt_Raum. Sie studiert an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Das Projekt läuft jedoch unabhängig von der Universität.