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Orientalische Christen

Günther Birkenstock25. Juli 2013

Durch die Rebellion in Syrien sind die Christen im Land Repression und Verfolgung ausgesetzt. Der neu gegründete Zentralrat orientalischer Christen in Deutschland will auf ihre schwierige Situation aufmerksam machen.

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Symbolbild Christentum, Kirchenkuppel mit orientalisch anmutenden Kreuzen.
Bild: picture-alliance/dpa

Rund 200.000 orientalische Christen leben heute in Deutschland, viele von ihnen bereits in der zweiten oder dritten Generation. Ihnen will der neu entstandene Zentralrat der Orientalischen Christen, ZOCD, eine Stimme geben und zugleich auf die schwierige Lage der Christen im Nahen Osten aufmerksam machen.

Solide Informationen liefern

Die Mitglieder der orientalischen Kirchen fühlen sich in Deutschland gut integriert", sagt der ZOCD-Vorsitzende Simon Jacob. Deshalb habe es bisher keinen großen Bedarf gegeben, sich in einer besonderen Form zu organisieren. Doch durch die Entwicklung im Nahen Osten habe sich das geändert. "Es war notwendig, dass wir uns zusammenschließen, um uns politisch nach außen wenden zu können.", erklärt der ZOCD-Vorsitzende im Gespräch mit der Deutschen Welle. Organisiert sind im ZOCD Vertreter der koptisch-orthodoxen Kirche, der syrisch-orthodoxen und der Apostolischen Kirche des Ostens. Im März wurde der Verein gegründet. Jetzt (25.07.13) geht er in München erstmals an die Öffentlichkeit.

Eine wichtige Aufgabe des Zentralrates sieht der Vorsitzende Jacob darin, den deutschen Behörden verlässliche Informationen über die Situation in den Heimatländern der Orientalischen Christen zu liefern. "Wir wollen Verständnis wecken und Aufklärung betreiben". Das Signal scheint bereits angekommen zu sein: 5000 Flüchtlinge aus Syrien will die Bundesrepublik in diesem Jahr aufnehmen. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", findet Simon Jacob angesichts der großen Zahl der Flüchtlinge. Um herauszufinden, wer tatsächlich zu den Bedürftigen gehört, hatte sich die deutsche Regierung im Frühling an den ZOCD gewandt. "Sie haben uns gefragt, ob es möglich wäre, den Mitarbeitern der Ministerien Kontakt zu den Familien zu verschaffen. Wir haben dafür unsere Netzwerke genutzt und mit den Kirchen gesprochen." ZOCD und Innenministerium seien sich darüber einig gewesen, so Jacob, dass nicht nur Christen, sondern auch andere Minderheiten aus Syrien schutzbedürftig seien.

Syrian Christians take communion during Sunday in Damascus Foto: AFP Getty/Images
In Syrien leben rund zwei Millionen ChristenBild: AFP/Getty Images

Das Ziel ist die friedliche Koexistenz

Den notleidenden Christen im vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien zu helfen, hält Simon Jacob für eine wichtige Aufgabe, doch ein massenhafter Auszug aus dem Land dürfe nicht stattfinden. Auf diplomatischem Wege müsse erreicht werden, dass die Christen in ihrer Heimat leben können. Sonst gehe ein wichtiger Teil der Kultur in Syrien und anderen Nahost-Ländern verloren. Deutschland könnte dabei helfen, einen ernsthaften Dialog mit den religiösen Gemeinschaften im Nahen Osten herzustellen. Der ZOCD könne bei diesem Dialog eine Schlüsselrolle übernehmen. "Die orientalischen Christen in Deutschland sind in zwei Welten groß geworden. Sie könnten die notwendigen Brücken der Diplomatie schlagen." glaubt Jacob.

***Achtung: Nur zur mit Simon Jacob abgesprochenen Berichterstattung verwenden!*** Simon Jacob, Vorsitzender des Zentralrates der orientalischen Christen in Deutschland *** Copyright/Quelle: ZOCD
Simon Jacob vom ZOCD: Wir wollen solide Informationen über Syrien liefernBild: ZOCD

Um langfristig Verständigung zu erreichen, will Jacob in Deutschland die Zentralräte anderer Religionen mit ins Boot holen, "um gemeinsam den Menschen in den Ursprungsländern, auch den Muslimen und den Juden zum Beispiel, eine Perspektive zu verschaffen." Dieses Ziel sei nur gemeinsam zu erreichen. Dazu gehöre auch – so der ZOCD-Vorsitzende - die demokratischen Rechte, die in Deutschland von den Religionsgruppen verlangt würden, ebenso in den Herkunftsländern einzufordern.

Assad war das kleinere Übel

Christen haben im Nahen Osten schon lange unter Verfolgung zu leiden. Doch in den vergangenen Jahren habe sich dieser Trend durch die Bürgerkriege im Irak und in Syrien verstärkt, erklärt der Nahost Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Guido Steinberg. "Der Zeitgeist in den Heimatländern der orientalischen Christen geht in Richtung Islamisierung", so Steinberg. Im Irak habe sich die Zahl der Christen seit 2003 halbiert, weil viele bereits wegen der Repression durch die Islamisten geflohen sind. In Syrien seien die Christen lange Zeit durch die Assad-Herrschaft geschützt worden. Denn der autokratische Herrscher habe sich auf alle gestützt, die er gewinnen konnte, vor allem auf Minderheiten, Alawiten, Christen und Drusen. Für die syrischen Christen – auch für die, die ihn nicht mochten - sei Assad das kleinere Übel gewesen. Andere religiöse Gruppen hätten ihre Opposition deutlicher betont, vor allem die sunnitisch-arabische Mehrheit im Land. Deswegen befürchten die Christen nach Einschätzung Steinbergs jetzt, "dass sie als Kollaborateure und Nutznießer des alten Regimes gesehen werden und nach den Alawiten als erste ins Visier der Aufständischen gelangen".

Nahostexperte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik Foto: DW/Birgit Görtz
Nahost-Experte Guido Steinberg: Die Christen werden von den Aufständischen als Kollaborateure Assads gesehenBild: DW

Hilfe geben, Religionsfreiheit fordern

Von Deutschland aus ist diese Entwicklung schwer zu beeinflussen. Dennoch gebe es Möglichkeiten, die Situation der Christen im Nahen Osten zu verbessern, sagt Martin Schindehütte, Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland. "Man könnte zum Beispiel deutlicher in den Beziehungen zu diesen Ländern Religionsfreiheit und Menschenrechte mit politischen Unterstützungsprogrammen verbinden.“ Religionsfreiheit, so der evangelische Auslandsbischof, sei ein Schlüsselelement im Blick auf Demokratie und Frieden. Das müssten deutsche Politiker bei ihren Verhandlungen im Nahen Osten noch deutlicher vertreten als bisher.

Martin Schindehütte Auslandsbischof der Ev. Kirche Deutschland dpa/lno (Digitale Fotografie)
Auslandsbischof Martin Schindehütte: Hilfsprogramme sollten an Forderungen nach Menschenrechten geknüpft werdenBild: picture-alliance/dpa

Gleichzeitig plädiert Schindehütte im DW-Gespräch für Verantwortungsbewusstsein und Feingefühl bei der westlichen Hilfe für Notleidende im Nahen Osten, um neue Polarisierungen zu vermeiden. In Syrien unterstützt die Evangelische Kirche die Bevölkerung über die Hilfsorganisation "Brot für die Welt", die Diakonie und deren Katastrophenhilfe. "Diese Hilfe binden wir daran, dass sie nicht nur für Christen ist, sondern der gesamten Bevölkerung in der Region oder einem Stadtteil zugute kommt.", betont der Auslandsbischof. Wer auf Frieden bauen wolle, müsse gemeinsame Entwicklungen fördern. Denn Schindehütte ist davon überzeugt: "Wenn man Klientelpolitik macht und nur die eigene Glaubensgemeinschaft stützt, dann vertieft man nur die Gräben oder reißt neue auf."