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Triales Studium

Günther Birkenstock20. September 2014

Lehre, Meisterausbildung und Studium in einem: In einer bisher einzigartigen Ausbildung erhalten Studenten gleich drei Titel. Damit begegnet die Kölner Handwerkskammer dem drohenden Führungskräftemangel.

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Studenten (Foto: Handwerkskammer Köln)
Bild: Handwerkskammer Köln

Tom Pütz konnte schon als kleiner Junge mit dem Schweißbrenner umgehen. "Ich weiß noch, wie ich in der ersten Klasse für meine Klassenlehrerin eine kleine Statue aus zusammengeschweißten Schrauben gebastelt habe", erinnert sich der 22-jährige Metallbauer, "das waren damals meine ersten Schweißversuche. Von daher ist mein Weg ziemlich vorgezeichnet." Tom Pütz hat bereits als Jugendlicher im elterlichen Metallbaubetrieb in Grevenbroich mitgeholfen, ist in das Handwerk hineingewachsen und nach wie vor mit viel Leidenschaft bei der Sache. Beste Voraussetzungen für seine derzeitige Ausbildung, die eine hohe Qualifikation im Schnelldurchgang verspricht, das Triale Studium, das von der Kölner Handwerkskammer seit 2010 angeboten wird.

Drei Abschlüsse in einema

Student (Foto: Handwerkskammer Köln)
Nach viereinhalb Jahren sind die Studenten Geselle, Meister und BachelorBild: Handwerkskammer Köln

In nur viereinhalb Jahren sind die Studierenden sowohl Geselle als auch Meister und haben einen Bachelor in Handwerksmanagement in der Tasche. Rund 20 Teilnehmer pro Jahrgang absolvieren zunächst eine verkürzte Lehre, meist in klassischen Gewerken als Tischler, Bäcker oder Dachdecker. Bildhauer und Bestatter sind aber auch dabei. Neben der Ausbildung im Betrieb kommt für die Lehrlinge noch reichlich Theorie hinzu. Einmal pro Woche vier Stunden Vorlesung, nicht an der Uni, sondern Online - mit Kopfhörern und Mikrofon vor dem Computerbildschirm. Das spart Fahrzeit, denn nicht jeder der Teilnehmer wohnt und arbeitet in Köln. Es erfordert aber auch eine hohe Konzentration und Disziplin. Jedes zweite Wochenende treffen sich die Studenten zum "Präsenzunterricht" in einem realen Klassenraum in Köln. Nach der Gesellenprüfung folgen Meisterkurse, Vollzeitstudium und eine schriftliche Abschlussarbeit. Ein geballtes Lernpaket.

Non Stop Lernen

Den Spaß an der Arbeit hat Metallbauer Tom Pütz aber dadurch nicht verloren. "Während der Lehrzeit waren es auch schon mal 70, 80 Stunden in der Woche. Aber das ist alles machbar, wenn man Bock drauf hat." sagt der junge Metallbauer.

Tom Pütz (Foto: DW)
Tom Pütz: Online-Vorlesungen sind Teil des Trialen StudiumsBild: DW/G.Birkenstock

Seine Kommilitonin Andrea Ries hat für das Triale Studium vor drei Jahren eine Augenoptiker-Lehre im Betrieb ihres Vaters in Wipperfürth begonnen. Jetzt ist sie in der Phase des Vollzeitstudiums angekommen und büffelt, obwohl derzeit vorlesungsfreie Zeit ist. "Typisches Studentenleben", so Andrea Ries, "gibt es innerhalb des Trialen Studiums auf keinen Fall".

Später will sie zusammen mit ihrer Schwester das Geschäft ihres Vaters übernehmen, einen Traditionsbetrieb in der vierten Generation für Brillen, Uhren und Schmuck. Tom Pütz möchte an der Seite seines Vater noch einige Jahre Erfahrungen sammeln. Auch eine Station in einem anderen Betrieb hält er für möglich. Am Ende wird aber auch er den väterlichen Betrieb übernehmen:"Wenn ich nicht dieses klare Ziel vor Augen hätte und nicht wüsste, dass mein Vater ein gesundes Unternehmen hat, dann hätte ich wahrscheinlich auch nicht den Biss, das Studium durchzuziehen", bekennt der junge Student freimütig.

Andrea Ries im elterlichen Optiker-Betrieb in Wipperfürth (Foto: privat)
Andrea Ries: Sie mag Mode, Technik und den direkten Kontakt mit MenschenBild: privat

Führungsnachwuchs wächst nicht auf Bäumen

Bildungsberater Michael Brücken hat das Konzept des Trialen Studiums wesentlich mitentwickelt. Ein Schritt, um den Rückstand des Handwerks bei der Bildungsexpansion aufzuholen, so Brücken. "Wir haben im Handwerk seit Ewigkeiten eine Abiturientenquote, die zwischen 10 und 15 Prozent schwankt. Das passte in den 70er Jahren, als 10 Prozent eines Altersjahrgangs Abitur gemacht hat", erklärt Brücken. Heute jedoch gebe es eine Abiturientenquote von 40-60 Prozent, aber nur wenig mehr Abiturienten als früher, die sich für ein Handwerk entschieden. Außerdem seien in Köln ein Viertel der Leiter von Handwerksbetrieben über 50 Jahre alt. "Einen Nachfolger auszubauen dauert sechs bis zehn Jahre", so der Bildungsberater, "aber die wachsen nicht auf Bäumen. Die muss man selber ausbilden." Das Nachwuchs-Problem im Handwerk besteht nicht nur in Köln. Im Rest der Republik sieht es kaum anders aus.

Umsonst ist das Triale Studium nicht zu haben. Rund 400 Euro kostet die Ausbildung im Monat. Die meisten Teilnehmer werden von ihren Eltern unterstützt, Stipendien sind noch die Ausnahme. Erst im Vollzeitstudium können die Studenten staatliche Förderung durch das sogenannte Meisterbafög beantragen.

Ende 2014 werden die ersten Studenten das Triale Studium beenden. Eine Erfolgsgeschichte sei das Projekt aber jetzt schon, meint Michael Brücken. Bewerber kämen inzwischen sogar aus anderen Bundesländern. Außerdem, so der Bildungsberater, mache das Kölner Beispiel Schule: "Am Anfang gab es viele kritische Stimmen. Jetzt sind die ersten Handwerkskammern - wie zum Beispiel Hannover - dabei, das Triale Studium zu übernehmen."

Studenten in der Kfz-Werkstatt
Das Triale Studium verbindet Theorie und Praxis auf einmalige WeiseBild: Handwerkskammer Köln