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20 Jahre "Black Wednesday"

Nicolas Martin14. September 2012

Sie wetten auf die Schwachstellen ganzer Staaten. Spekulantenlegende George Soros hat dieses Prinzip schon vor zwei Jahrzehnten zum Erfolg geführt und eine ganze Notenbank zu Fall gebracht.

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Financial worker analyzing data displayed on computer screen Keine Weitergabe an Drittverwerter.
Symbolbild Börse Börsianer Broker Aktien Börsenmakler DaxBild: picture-alliance/picture alliance / Bildagentur-online

George Soros wird von den einen als Prophet der Märkte gefeiert, die anderen sehen in ihm einen rücksichtslosen Börsenjongleur. Er selbst versteht sich heute als Philanthrop, der den Staaten aufzeigt, wo sie auszubessern haben. Früher nutzte er deren Schwachstellen radikal aus, um den eigenen Reichtum zu vermehren. Das Vermögen des 82-Jährigen wird von Forbes mittlerweile auf mehr als 14 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Rückblick: Es ist das Jahr 1992 - die Europäische Union ist gemessen an ihren Mitgliedsstaaten noch eine Mini-Union. Deutschland hat gerade erst die Wiedervereinigung vollzogen und dafür viel Geld in die Hand genommen. Die deutsche Einheit bringt das politische und wirtschaftliche Gefüge der damals 12 EU-Länder mächtig durcheinander. Mit der Verschuldung in Deutschland steigt die Inflationsrate. Um den Inflationsdruck zu nehmen, erhöht die deutsche Bundesbank ihre Leitzinsen.

George Soros gestikuliert mit den Händen bei einer Buchvorstellung. AP Photo Manuel Balce Ceneta)
George Soros - umstrittenes Börsen-GenieBild: dapd

Das konnte sie damals noch, denn die Notenbanken waren national unabhängig. Vereint waren die Staaten im Europäischen Währungssystem (EWS). Kernelement war der Währungsmechanismus, der die unterschiedlichen Wechselkurse in einer vorgegeben Bandbreite stabilisieren sollte. Mit der deutschen Leitzins-Anhebung mussten aber auch andere Länder nachziehen, um eine Abwertung ihrer Landeswährungen zu verhindern. Vor allem das britische Pfund war zu dieser Zeit stark überbewertet. Zusätzlich verlor der US-Dollar an Wert - Europa, allen voran die Briten, stand unter Druck.

Krimi in London

Diese Schwachstellen wusste George Soros zu nutzen. Der 1930 geborene Ungar war nach seinem Wirtschaftsstudium mit 5000 Dollar in die USA gereist und hatte sich dort durch Spekulationsgeschäfte zu einem reichen Mann gemausert. Im Jahr 1992 sah auch Soros den Druck, unter dem die britische Regierung stand und ging deshalb davon aus, dass Großbritannien entweder seine Währung massiv abwerten würde oder aus dem EWS austreten müsse. Der britische Staatshaushalt war zudem in einem schlechten Zustand. Gemeinsam mit anderen Investoren setzte Soros hohe Geldbeträge ein, um das britische Pfund gezielt zu schwächen. Dazu tauschte er geliehene Pfund in andere europäische Währungen wie Deutsche Mark oder Französische Franc.

Die britische Notenbank reagiert und kauft im großen Stil Pfund, um die Währung zu stützen. Allerdings ohne Wirkung. Deshalb erhöht sie am 16. September die Zinsen von 10 auf 12 Prozent. Damit sollen die Investoren angelockt werden, um Pfund zu kaufen und die Währung zu stabilisieren. Nur wenige Stunden später wollte die Notenbank nochmals nachlegen und auf 15 Prozent erhöhen. Doch Soros und die Spekulantenschar beißen nicht an, sondern verharren in Wartestellung. Um 19 Uhr desselben Tages erklärt der britische Schatzkanzler dann den Austritt aus dem Europäischen Währungssystem. Der Tag geht als "Black Wednesday" in die Finanzgeschichte Großbritanniens ein. Soros verdient in der Folge einer starken Abwertung des britischen Pfunds eine Milliarde Dollar und wird zur Legende.

Im Bild Sir John Major, Premierminsiter von Großbritannien (Foto: dpa)
John Major war 1992 Premierminister von GroßbritannienBild: picture-alliance/dpa

Zocken ohne Grenzen

Bis zu seiner Rente mit 81 Jahren arbeitete Soros bis 2011 unentwegt weiter, um aus den Schwachstellen der Staaten Profit zu schlagen. An Nachahmern fehlt es nicht: In der Eurokrise sind die Spekulanten wohl zu den zentralen Sündenböcken geworden. Sie seien schuld, wenn sich Länder nur noch zu Wucherzinsen Geld an den Finanzmärkten aufnehmen können, heißt es häufig von Seiten der Politik. Die meisten Politiker vergessen bei ihren Schuldzuweisungen allerdings, dass Spekulanten nicht Auslöser von Krisen sind, sondern diese nur ausnutzen. Und dass es Aufgabe der Politik ist, den Jongleuren klare Regeln vorzugeben. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das Spekulationsaufkommen vervielfacht - mit speziellen Finanzinstrumenten wird auf steigende und fallende Kurse von Devisen, Rohstoffen und Anleihen gewettet. Sowohl vor 20 Jahren als auch heute in Zeiten kriselnder Euroländer fehlt es an Mechanismen, dies zu verhindern. Und so bleibt den Staaten nur, ihre maroden Haushalte in den Griff zu bekommen - ansonsten lächeln am Ende eben immer die Spekulanten.

Ein Börsenhändler schaut auf die sinkenden Kurse in der Börse von Madrid (Foto:AP/dapd)
Unter ständiger Beobachtung - die Börse in MadridBild: dapd