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Blick ins Kinderzimmer von Galaxien

Cornelia Borrmann27. Februar 2015

Am Very Large Telescope haben Astronomen die besten 3D-Aufnahmen vom frühen Universum gemacht. Sie entdeckten lichtschwache Objekte, die selbst das Hubble-Weltraumteleskop nicht sehen kann.

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Hubble Deep Field South (Foto: ESO/MUSE)
Die Aufnahme zeigt das Hubble Deep Field South. In den Kästchen sind zwei der neu entdeckten Objekte abgebildet. Die Montage macht deutlich, wie sehr sich mit dem neuen Instrument MUSE der Blick ins tiefe All verbessert.Bild: ESO/MUSE Consortium/R. Bacon

Wollen Astronomen tief ins Universum schauen und damit auch weit zurück in der Zeit, müssen sie ihre Teleskope möglichst lange auf denselben Himmelausschnitt richten. Die Fachwelt spricht dann von sogenannten Deep Field-Aufnahmen.

Die bisher bedeutendsten stammen vom Hubble-Weltraumteleskop. 1995 haben Astronomen mit dem Superauge eine Region am nördlichen Sternenhimmel ins Visier genommen, um ins Kinderzimmer des Universums zu blicken und Galaxien zu untersuchen, die extrem weit entfernt sind und sich in ganz frühen Entwicklungsstadien befinden.

Drei Jahre später wählten die Astronomen eine Region am südlichen Sternenhimmel aus. Hier wiederholten sie zehn Tage lang die Beobachtungsprozedur mit dem Hubble-Weltraumteleskop.

Die Aufnahmen gelten als Meilenstein der beobachtenden Kosmologie. Sie lieferten wertvolle Informationen, mit denen die Forscher nun ihre Vorstellungen und Theorien überprüfen konnten. Etwa die Frage: Sieht das frühe Universum wirklich überall gleich aus? Tatsächlich zeigen beide Bilder viele Galaxien, die ähnliche Farben und Formen haben.

Unser Bild vom Universum

Babyfoto des Universums Planck-Satellit (Foto: ESA)
Die Microwellen-Hintergrund-Strahlung - hier zu sehen - entstand 380.000 Jahre nach dem UrknallBild: ESA/Planck -Gesellschaft

Der Theorie nach hat sich alles, was wir heute sehen, Sterne und Galaxien wie unsere Milchstraße, aus einem heißen, nahezu gleichmäßig verteilten Gas entwickelt. Schon bald nach dem Urknall bildeten sich erste Verdichtungen, getrieben von der sogenannten Dunklen Materie.

Wo sich dieser mysteriöse Stoff sammelte, konzentrierte sich auch die uns bekannte Materie.

Bis die ersten Sterne und Galaxien entstanden. Über die Jahrmilliarden bildeten sich dann immer größere Strukturen, bis hin zu Spiralgalaxien wie unsere Milchstraße. Wie diese Strukturen entstanden sind, und sich weiter entwickeln, ist eine zentrale Frage der Astronomie.

Den Jahrmilliarden dauernden Prozess wollen Forscher untersuchen und sogar rekonstruieren, was dabei geschieht. Dazu brauchen sie detailreiche Aufnahmen von Galaxien in ganz unterschiedlichen Entwicklungsphasen - von Galaxienkindern bis hin zu Methusalems wie unsere Milchstraße.

Galaktische Geheimnisse

So hat die detaillierte Untersuchung unserer Heimatgalaxis gezeigt: Die Milchstraße ist eine kosmische Kannibalin. Anderen Galaxien hat sie Sterne entrissen. Und manche sogar ganz verschlungen. Astronomen haben schon viele solcher folgenreichen Begegnungen im Weltall entdeckt - Galaxien, die sich verwirbeln und miteinander verschmelzen.

Auch unsere Milchstraße befindet sich auf Kollisionskurs - mit unserer benachbarten Andromeda-Galaxie. Beide rasen mit rund 400.000 Kilometern pro Stunde aufeinander zu. Durch ihre Schwerkraft werden sie aneinander gefesselt und schließlich miteinander verschmelzen zu einer großen elliptischen Galaxie.

Andromeda-Galaxie (Foto: NASA/ESA)
So könnte der kosmische Crash der Milchstraße mit der Andromeda-Galaxie aussehen - wenn sie in etwa vier Milliarden Jahren zusammenkrachenBild: NASA, ESA, Z. Levay and R. van der Marel (STScI), T. Hallas, and A. Mellinger

Wie sich die frühe Entwicklung der Sterneninseln vollzogen hat, liegt noch weitgehend im Dunkeln. Denn die ganz jungen Galaxien sind so weit entfernt, dass selbst die Deep Field-Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops die nötigen Informationen nicht mehr liefern können.

Ein neues Fenster ins Universum

Im vergangenen Jahr haben Astronomen ein einzigartiges Hightech-Gerät am Very Large Telescope (VLT) in Chile in Betrieb genommen - den Multi Unit Spectroscopic Explorer MUSE. Er verbindet Himmelsaufnahmen mit Spektroskopie. Zu jedem Bildpunkt liefert er ein Spektrum, das die Intensität der einzelnen Farbanteile des Lichts enthüllt. In der nachfolgenden Analyse können die Astronomen dann durch die Daten gehen und verschiedene Ansichten eines Objekts bei unterschiedlichen Wellenlängen studieren.

Mit MUSE nahmen die Astronomen den gleichen Sektor am südlichen Sternenhimmel ins Visier, den das Hubble Weltraumteleskop 1998 erkundet hat. Während Hubble zehn Tage lang hinschaute, bekam MUSE nur 27 Stunden Zeit, um die fernen Galaxien zu inspizieren. Trotzdem entdeckte er mehr als 20 äußerst lichtschwache Objekte, die Hubble nicht gesehen hat. Die Forscher sind begeistert.

"Schon nach einigen Stunden Beobachtung am Teleskop haben wir kurz in die Daten geschaut und viele Galaxien gefunden", schwärmt Projektleiter Roland Bacon vom Centre de Recherche Astrophysique de Lyon. "Das war sehr ermutigend. Das war wie Fischen in der Tiefsee! Jeder neue Fang sorgte für Aufregung und Diskussionen darüber, was uns da an die Angel ging."

Das drei-dimensionale Bild vom frühen Universum zeigt: Mit MUSE können Astronomen Entfernung und Beschaffenheit von fernen Galaxien nun genau untersuchen, ja sogar Bewegungen innerhalb dieser Galaxien. Das wird ihnen helfen, die Geburtsprozesse solcher Sterneninseln besser zu verstehen.