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Rentnerparadies in Spanien

Guy Hedgecoe/ db3. Januar 2014

Eine Gruppe spanischer Rentner pfeift auf staatliche Angebote und schafft sich ein Seniorenparadies auf dem Lande: die Kooperative Trabensol.

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Paloma Rodriguez und ein weiterer Bewohner der Seniorenresidenz Trabensol (Foto: Guy Hedgecoe)
Bild: Guy Hedgecoe

In einem Garten in den Bergen nördlich von Madrid konzentriert sich eine kleine Gruppe Senioren auf die frühmorgendlichen Qigong-Übungen. Behutsam verlagern sie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, drehen und wenden sich im Einklang mit den Bewegungen des Trainers.

Die Frauen und Männer sind Teil des Rentnerkollektivs Trabensol, dessen 50 Mitglieder sicher sind, eine innovative Lösung für ihren Lebensabend gefunden zu haben. Sie sorgen für ihr körperliches und geistiges Wohl - und klinken sich aus den wirtschaftlichen Turbulenzen Spaniens aus.

Sie haben ihre Ersparnisse zusammengelegt und nahe dem ruhigen Ort Torremocha de Jarama ihre eigene, maßgeschneiderte Genossenschafts-Seniorenresidenz gebaut. Gemeinsamkeit wird in Trabensol groß geschrieben. Keines der Mitglieder besitzt seine Wohnung, den Speisesaal oder die anderen Gemeinschaftsräume auf dem weitläufigen Gelände.

Gelbe Gebäude der Seniorenresidenz Trabensol (Foto: Guy Hedgecoe)
All-inclusive in TrabensolBild: Guy Hedgecoe

Gekaufte Sicherheit

"In einer der privaten Seniorenresidenzen hätten wir gar keinen Platz bekommen, die sind so teuer", erklärt Paloma Rodriguez. Ein staatliches Altenheim sei auch keine Option gewesen, denn davon gebe es zu wenige, und es gebe genug Senioren, die den Platz dringender brauchten, meint die 70-jährige Witwe, die die Kooperative leitet. "Also war uns klar: Wir müssen handeln."

Wie die meisten Bewohner zog Rodriguez im Frühjahr kurz nach der Fertigstellung in die neue Seniorenresidenz ein. Die alte Dame grinst vergnügt und erzählt, das Projekt habe ihr wieder eine Lebensperspektive gegeben und gleichzeitig alle Sorgen, den Kindern zur Last zu fallen, hinweggefegt.

Die Sorge ist verständlich: Laut einer UN-Studie werden bis zum Jahr 2050 fast 40 Prozent aller Spanier 60 Jahre oder älter sein. "Wir hatten alle ziemlich anstrengende Erfahrungen mit unseren eigenen alternden Eltern, und wir wussten, unsere Kinder würden so etwas mit uns nicht erleben wollen", sagt Rodriguez. Zehn Jahre lang zahle jedes Mitglied der Kooperative in das Projekt ein, insgesamt 150.000 Euro pro Person. Monatlich werden etwa 800 Euro fällig: für Unterkunft, eine tägliche Mahlzeit von einem Caterer und alle weiteren Grundkosten.

Aktiv und friedlich

Im Preis inbegriffen sind auch regelmäßige Wanderungen in die nahegelegenen Berge, Shiatsu-Behandlungen, Meditation, Gesellschaftsspiele, Astronomiekurse, Bastelkurse, Gärtnern und Tischtennis.

Paloma Rodriguez, Leiterin der Seniorenresidenz Trabensol (Foto: Guy Hedgecoy)
Paloma Rodriguez ist überzeugt von dem ProjektBild: Guy Hedgecoe

Teresa Sagasola macht jeden Tag Qigong, besucht ab und zu Tanzkurse oder schließt sich Wanderungen an. "Die Aktivitäten sind nicht spirituell im religiösen Sinne", meint die 77-Jährige, aber sie gäben ihr Energie und "ein Gefühl von Wohlbefinden".

Selbst das Residenzgebäude strahlt innere Ruhe aus. Die Wohnungen sind geräumig, geschmackvoll eingerichtet und nach Süden ausgerichtet, mit Blick auf den Gemüsegarten der Kooperative. Die Fenster sind so konstruiert, dass die Sonne die Räume im Winter wärmt, sie aber im Sommer nicht übermäßig erhitzt.

Die Kooperative ist noch jung, und Mitglieder werden wieder ausziehen, weil sie zu gebrechlich sind, um an den Angeboten teilzunehmen, oder weil sie rund um die Uhr Pflege brauchen. Laut der Regeln des Hauses wird die Summe, die sie ursprünglich eingezahlt haben, dann zurückerstattet, und ein anderer Rentner kann sich einkaufen. Der Kreditrahmen der örtlichen Filiale der Banco Popolare von drei Millionen Euro ist noch lange nicht ausgeschöpft: Die Finanzen der Kooperative scheinen so stabil und gesund wie seine Bewohner.

Soziales Sicherheitsnetz versagt

Trabensol verbreitet Ruhe und Gelassenheit, und dennoch sind sich die Senioren der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in ihrem Land bewusst. Spanien taucht gerade aus der längsten Rezession seiner demokratischen Ära auf. Die Regierung Rajoy verfolgt einen harten Sparkurs, um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. Die Arbeitslosenquote liegt bei fast 26 Prozent.

Demonstrant hält Schild mit der Aufschrift "No cuts" (Foto: Dani Pozo/AFP/Getty Images)
Spanier protestieren gegen die Sparmaßnahmen der RegierungBild: Dani Pozo/AFP/Getty Images

Manche Mitglieder der Kooperative sind besorgt, weil die Regierung ihre Renten, von denen sie die monatlichen Zahlungen in der Residenz bestreiten, mehr oder weniger eingefroren hat. Manche haben Freunde in Madrid, die sich gern der Kooperative anschließen würden - wenn sie denn einen Käufer für ihr Haus hätten.

Die Immobilienkrise 2008 traf Spanien hart. Um ähnliche Immobilienspekulationen zu vermeiden, besitzen die Mitglieder keinen Teil von Trabensol persönlich, erklärt Maria Luisa Llorena, 73. Es gebe Wichtigeres im Leben als Reichtum, sagt die Seniorin.

Und das treibe sie alle an. "Die Menschen, die hierher kommen um hier zu leben, wissen worum es geht - Zusammenleben, Solidarität und gegenseitige Hilfe."