1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Untergräbt Griechenland die EU-Russlandpolitik?

Barbara Wesel 28. Januar 2015

Nach der Gewalteskalation in der Ostukraine wollen die EU-Staaten Russland noch härter begegnen. Die Außenminister bereiten in Brüssel weitere Sanktionen vor - aber Griechenland könnte die Einigkeit gefährden.

https://p.dw.com/p/1ESOm
Ausgebrannte Autos auf einem Parkplatz in Mariupol (Foto: dpa/TASS)
Bild: picture-alliance/dpa/D.Bodrov/TASS

Schon kurz nach dem Amtsantritt der neuen Regierung in Athen steht die Europäische Union vor einer ersten Zerreißprobe. Bisher sahen Diplomaten die Einigkeit der EU gegenüber Russland als ihren größten außenpolitischen Erfolg an. Das könnte sich durch den Einspruch von Ministerpräsident Alexis Tsipras schnell ändern, der gegen eine gemeinsame Erklärung der europäischen Regierungen zur Ausweitung der Sanktionen gegen Russland protestiert hatte.

Schon in der Vergangenheit war die Geschlossenheit hin und wieder gefährdet, weil Länder wie Ungarn, die Slowakei oder sogar Italien aus unterschiedlichen Gründen für einen nachsichtigeren Umgang mit Moskau plädierten. Aber bislang hatte man sich hinter verschlossenen Türen immer einigen und die gemeinsame Front erhalten können.

Syriza-Anhänger schwenken rote Fahnen (Foto: dpa)
Unter den Anhängern von Tsipras Regierungspartei gibt es viele Sympathien für die russische RegierungBild: Reuters/A. Konstantinidis

Es geht um eine Ausweitung und Verlängerung der Sanktionen

Dieser Konsens steht bei der Sondersitzung der Außenminister in Brüssel jetzt möglicherweise auf dem Spiel. Sie wollen einerseits beschließen, dass bis zum Gipfeltreffen im Februar Vorschläge für eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland auf den Tisch kommen. Das könnte etwa auf zusätzliche Einschränkungen am Finanzmarkt hinauslaufen oder auch auf eine Ausweitung der Liste von Personen und Unternehmen, mit denen der Westen keine Geschäfte mehr macht.

Darüber hinaus wollen die Außenminister die Verlängerung der bestehenden Sanktionen vorbereiten. Es geht um die Einreiseverbote und Kontensperrungen, die im Frühjahr 2014 beschlossen wurden, und die nun bis Ende 2015 weiter gelten sollen. Beide Beschlüsse müssen im Prinzip einstimmig gefasst werden, beide könnte die neue Regierung in Athen also torpedieren. Schon in zwei Wochen, beim Gipfeltreffen der Regierungschefs, kann es hier zum Schwur kommen.

Moskau hat die rote Linie überschritten

Dabei sieht die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten dringenden Handlungsbedarf gegenüber Moskau. Der Angriff auf die Stadt Mariupol am Wochenende habe zu "einer qualitativen Veränderung der Situation geführt", sagte Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier, darauf müsse die EU reagieren. Und er fügte im Zeitungsinterview noch hinzu: "In der Ostukraine geben wieder die Kriegstreiber den Ton an."

Der litauische Außenminister Linas Linkevcius, derzeit Vorsitzender des Ministerrates in Brüssel, spricht inzwischen offen von einem "russischen Krieg in der Ukraine". Und er nennt den Beschuss von Mariupol einen Terroranschlag, da er speziell gegen zivile Ziele gerichtet gewesen sei: "Ich wüsste nicht, wie man es sonst nennen sollte. Wie viele weitere Menschen müssen sterben, um deutlich zu machen, dass die rote Linie überschritten ist?"

Solidarität ist keine Einbahnstraße

Die Europaabgeordnete der Grünen, Rebecca Harms, Mitglied im Ukraine-Ausschuss des Parlamentes, äußert sich entsetzt über die Signale aus Athen: "Ich kann nur davor warnen, dass Griechenland oder andere Mitgliedsstaaten die europäische Einigkeit gegenüber Russland aufweichen. Ich glaube, dass eine Geschlossenheit im Umgang mit dem Krieg im Osten der Ukraine absoluter Schlüssel ist".

Rebecca Harms (Foto: dpa)
Rebecca Harms, Europaabgeordnete der Grünen, mahnt Griechenland zu Solidarität mit der UkraineBild: picture alliance/Wiktor Dabkowski

Was sie ebenfalls bestürze sei, dass Griechenland von vielen in Brüssel in punkto Solidarität immer unterstützt wurde und jetzt in einer anderen Frage keine Rücksicht auf die Solidarität innerhalb der EU nehme, so die Grünen-Politikerin: "Die Staaten in Osteuropa werden auf so etwas mit Empörung reagieren." Überrascht sei sie allerdings nicht wegen der Moskaunähe der neuen Regierung: Schon im vergangenen Jahr hätten sich Syriza-Abgeordnete im Europäischen Parlament geweigert, die gemeinsame Kritik an Gesetzen von Präsident Putin mitzutragen.

Da ist Musik drin

Es sei noch nicht klar, dass Griechenland das Thema Russland-Sanktionen wirklich hochspielen werde, meint Jan Techau von der Carnegie Stiftung Europe: "Griechenland ist mit seiner Haltung relativ isoliert. Das Land hat wirklich andere Sorgen und braucht von den politischen Partnern in Europa Entgegenkommen." Ob es also wegen Russland jetzt Streit vom Zaun brechen und politisches Kapital aufbrauchen wolle, das stehe noch in den Sternen.Sollten die Griechen aber tatsächlich in dieser Frage hart spielen, könnte das eine "interessante Dynamik entwickeln", sagt Techau. Denn es stehe sowohl die Refinanzierung Griechenlands an, als auch die Verlängerung der Russland-Sanktionen. Der Außenpolitik-Experte bezweifelt allerdings, dass die neue Regierung in Athen sich auf ein solches Spielfeld begeben wolle.

Jan Techau (Foto: DW/B. Riegert)
Jan Techau, Carnegie Stiftung Europe, rät der Europäischen Union zur Ruhe gegenüber GriechenlandBild: DW/B. Riegert

Es gibt jedoch noch weitere Themen, bei denen Griechenland sich als Störfaktor zeigen könnte: Europa brauche Einstimmigkeit bei allen außenpolitischen Fragen und bei Handelsentscheidungen, betont Techau. In diesem Jahr gehe z.B. das Transatlantische Handelsabkommen in die entscheidende Runde, da müssten die Griechen an Bord sein. Darüber hinaus müssten viele der Sofortmaßnahmen aus der Eurokrise in dauerhafte Regelungen überführt werden, wie etwa bei der Banken-Aufsicht: "Da ist eine Menge Musik drin".