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Ungleiche Chancen in der Bildung

Christina Ruta15. August 2012

Das Bildungsniveau junger Menschen hängt in Deutschland immer noch stärker vom Familienhintergrund ab als in anderen Ländern. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie.

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Ein Kind mit Migrationshintergrund schaut auf ein Wandbild in einem Kindergarten (Foto: AP)
Bild: AP

Was die Integration von Ausländern ins Bildungssystem angeht, liegt Deutschland international nur im Mittelfeld. Allerdings hat sich in der Bundesrepublik diesbezüglich auch einiges verbessert. Ein wichtiger Grund: In den 1990erJahren wurden Kindergärten für Drei- bis Sechsjährige stark ausgebaut - wovon die heute 15-jährigen Ausländer profitieren, die in Deutschland leben. Dass frühkindliche Bildung zentral für den späteren schulischen und beruflichen Werdegang ist, ist ein wichtiges Ergebnis des Bildungsmonitors 2012, der am Mittwoch (15.08.2012) veröffentlicht wurde.

Doppelt so viele Schüler mit deutschem Pass machen Abitur

"Von 2000 bis 2010 ist der Anteil der ausländischen Schulabgänger ohne Abschluss von 20 auf 13 Prozent gesunken", sagt Axel Plünnecke. Er ist Experte für Bildungspolitik und hat mit seinem Team am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln den Bildungsmonitor 2012 erarbeitet. "Bei den Ausländern mit Abitur hatten wir einen Anteil von 13 Prozent im Jahr 2000 und liegen jetzt bei 23 Prozent", so der Experte. Diese Entwicklung liege allerdings im Gesamttrend. Denn auch der Anteil der Schüler mit deutschem Pass, die es bis zum Abitur geschafft haben, sei in diesem Zeitraum angestiegen - auf knapp 50 Prozent. Schüler mit ausländischen Wurzeln haben sich also im Durchschnitt dem Bildungsniveau deutscher Jugendlicher angenähert. Dennoch besteht weiter Nachholbedarf.

Kindereinrichtung in Wörlitz mit Erzieherinnen (Foto: dpa)
Kindereinrichtung in Wörlitz mit ihren ErzieherinnenBild: picture-alliance/dpa

Ein Grund für das weiterhin oft schlechte Abschneiden von ausländischen Schülern: Das Bildungsniveau ihrer Eltern ist oft niedriger als das von Nicht-Migranten. Doch gerade das spielt in Deutschland nach wie vor eine große Rolle, wenn es um den Schulerfolg geht. "Dass sich der Bildungshintergrund der Eltern sehr stark auf die Qualifikationen und Chancen der Kinder auswirkt, ist gerade im deutschen Bildungssystem ein großes Problem, wie wir aus verschiedenen Studien wissen", sagt Axel Plünnecke. In Deutschland seien Halbtagsschulen weit verbreitet und auch sonst würde noch zu wenig frühkindliche Förderung betrieben. Außerdem sei das Bildungssystem zu wenig ergebnisorientiert. "Erst in den letzten Jahren schaut man in Deutschland stärker auf Ziele und auf Bildungsstandards und stellt sich die Frage, was Kinder in einem bestimmten Alter lernen sollen", so der Kölner Forscher.

Status der Eltern wichtig

Innerhalb der Migrantengruppen gibt es allerdings Unterschiede. Darauf verweist Heinz Reinders, Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg. "Wir haben zum Beispiel eine sehr erfolgreiche Migrantengruppe was Bildungsbeteiligung angeht, und zwar die spanischen Migranten. Auf der anderen Seite des Spektrums ist die am wenigsten 'erfolgreiche' Gruppe der Jungendlichen und Kinder türkischer Herkunft", so Reinders im Gespräch mit der DW. Auch hier liege ein Grund darin, dass türkische Schüler in Deutschland oft aus Familien kommen, die bildungsferner oder finanziell schlechter gestellt sind als die Familien anderer Schüler.

Vor allem in den skandinavischen Ländern ist die Schere zwischen Jungen und Mädchen aus bildungsnahen und Kindern aus bildungsfernen Familien kleiner als in Deutschland. Dort seien die frühkindliche Betreuung und Bildung systematischer aufgebaut und auch die Ausbildung der Erzieher für Kindertagesstätten besser organisiert, meint Heinz Reinders. "Man sieht den Unterschied in der Ausbildung auch daran, dass wir in Deutschland das System der staatlich anerkannten Schulen für Erzieher haben. In einigen anderen Ländern ist diese Ausbildung an die universitäre Ausbildung gekoppelt." Damit bestünde eine größere Nähe zu den aktuellen Ergebnissen der Forschung, die direkt in die Bildung und Erziehung der Kinder einfließen könne.

Axel Plünnecke vom Instituts der deutschen Wirtschaft Foto: Institut der deutschen Wirtschaft in Köln
Axel Plünnecke vom Institut der deutschen WirtschaftBild: Axel Plünnecke

Mehr frühkindliche Förderung

Ein Punkt, an dem man nach Meinung des Würzburger Bildungsforschers besonders ansetzen müsse, sei die Sprachförderung. Diese müsse systematisiert werden. Außerdem müssten Kinder mit Migrationshintergrund viel stärker Betreuungseinrichtungen im Vorschulalter besuchen. Oft könnten Migranten diese Angebote wegen der Kosten und auch der geringen Verfügbarkeit der Angebote nicht annehmen.

Auf mehr frühkindliche Förderung, etwa durch den weiteren Ausbau von vorschulischen Betreuungsangeboten und von Ganztagsschulen, setzt auch der Bildungsmonitor 2012. "Wenn es uns gelingt, früh mehr zu investieren, dann haben wir sehr große Chancen, auch bei Personen mit Migrationshintergrund deutlich bessere Ergebnisse zu erreichen", sagt Axel Plünnecke, Leiter der Studie. Dies sei auch für die Fachkräftesicherung und das Wirtschaftswachstum in Deutschland wichtig.