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Sozial und engagiert

Silke Bartlick2. Dezember 2012

20 Millionen Einwohner soll Sao Paulo mittlerweile haben. Etwa 70.000 von ihnen sind Juden. Eine Minderheit, die dennoch in die Stadt hinein wirkt. Drei Beispiele.

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Kinder beim Musikunterricht im Kinderheim Lar das Criancas (Foto: DW/Silke Bartlick)
Bild: DW

Das beste Krankenhaus Brasiliens soll es sein. Eine vorbildliche Klinik, weltweit führend bei Lebertransplantationen – das Albert Einstein-Hospital. Eine Stadt in der Stadt, gegründet just an dem Tag, an dem sein genialer Namensgeber starb, am 18. April 1955.

Nehmen und geben

Etwa 70.000 Juden leben heute in der Mega-City Sao Paulo. Und egal, mit wem von ihnen man spricht, immer heißt es, man sei hier gut aufgenommen worden. Mit offenen Armen. Und deshalb müsse man auch etwas zurückgeben. "Wir haben uns entschieden, etwas für das Wichtigste zu tun, was es für uns gibt. Und das ist das Leben", sagt Claudio Lottenberg, Facharzt für Augenheilkunde und Präsident des Albert Einstein Hospitals.

Das Hospital Israelita Albert Einstein in Sao Paulo (Foto: DW/Silke Bartlick)
Das Hospital Israelita Albert EinsteinBild: Hospital Israelita Albert Einstein

Sao Paulo ist eine Stadt beklemmender Gegensätze, von grell zur Schau gestelltem Wohlstand und bitterer Armut, eine Stadt mit vielen Göttern, bunt wie New York, ein Schmelztiegel der Völker, ihrer Küchen und Kulturen.

Die jüdische Community sei überall in der Stadt aktiv, so Claudio Lottenberg: in der Politik, in der Wirtschaft, in Wissenschaft, Forschung und Kultur. Menschen aus der Mittel- und Oberschicht, gebildet und gut ausgebildet. Ein Querschnitt durch die Bevölkerung der Stadt sieht anders aus. Zufall? Nein, sagt Rabbi Ruben Sternschein. Schließlich hätten viele in Sao Paulo lebende Juden deutsche Wurzeln. "Und dieses liberale Judentum zeichnet sich durch soziale Verantwortung und ein Interesse an Bildung aus."

Im Angebot: Inhalt

Pedro Herz verkauft Kultur. In Buchhandlungen in Sao Paulo und weiteren brasilianischen Städten. Er hat rund 2000 Mitarbeiter und importiert jede Woche etwa 10 Tonnen Luftfracht, vor allem aus den USA und aus England. Überwiegend Bücher, natürlich. Aber auch CDs, DVDs, Spiele und Zeitschriften. Ein Imperium. Eine Kette von niveauvollen Kulturkaufhäusern, die einen Namen hat, der über die Grenzen Brasiliens hinaus bekannt ist: Livraria Cultura. Darauf ist Pedro Herz stolz.

Begonnen hat alles mit einer winzigen Leihbücherei. 1947 war das. Die Bekannten und Freunde der Eltern von Pedro Herz wollten gerne etwas lesen. Sie waren Migranten wie Eva Herz und ihr Mann, die 1938 aus Berlin geflüchtet waren. Aber wo sollte man 1947 in Sao Paulo deutsche Bücher bekommen? Die wenigen, die es gab, befanden sich in Privatbesitz. Immerhin zehn hat Eva Herz dann zusammengetragen und wochenweise verliehen.

So fing es an, sagt Pedro Herz. Zwanzig Jahre später eröffnete in der Avenida Paulista die erste "Livraria Cultura". Seitdem ist Pedro Herz dabei, erst als Buchhändler, dann als Geschäftsführer.

Livraria Cultura

Das Hauptgeschäft, ein Concept Store in einem ehemaligen Kino, erstreckt sich über drei Etagen und ist die größte Buchhandlung des Landes. Angegliedert ein kleines Theater, in fußläufiger Entfernung befinden sich Fachbuchhandlungen für Kunst, Fotografie sowie mit dem gesamten Programm ausgewählter Verlage. "Ich glaube, wir haben etwas Tolles aufgebaut, meine Söhne und ich", sagt Pedro Herz. Damit zufrieden geben will er sich nicht. Gerade stehen mehrere neue Filialen vor ihrer Eröffnung.

Helfen ist menschlich

Mindestens eine halbe Stunde dauert die Anfahrt von der Avenida Paulista. Wenn es einigermaßen gut läuft. Wenn der Verkehr nicht mal wieder völlig zusammengebrochen ist und alles still steht. Dann ist man bei Margrit Herzberg und in "Lar das Criancas" - einem Kinderheim, das deutsche Migrantinnen gegründet haben, Charlotte Hamburger aus Berlin und die Süddeutsche Ida Hoffmann. Anfangs waren hier jüdische Kinder untergebracht, damit deren Eltern sich auf den Aufbau einer neuen Existenz konzentrieren konnten. Als das gelungen war und die Nachfrage nach Betreuungsplätzen zurückging, wurde "Lar das Criancas" nicht etwa geschlossen, sondern öffnete sich einer neuen Zielgruppe: den Benachteiligten - armen brasilianischen Kindern.

Bastelgruppe im Kinderheim Lar das Criancas in Sao Paulo (Foto: DW/Silke Bartlick)
Bastelgruppe im Lar das CriancasBild: DW

"Es hat keine Bedeutung, von wo ich komme", sagt Margrit Herzberg, die Leiterin des Kinderheims. Es liege eben im Menschen, zu versuchen, den anderen zu helfen, sobald man selbst auf den Beinen steht. Von dieser Philosophie profitieren jedes Jahr ungefähr 250 Kinder - junge Menschen, denen Zuwendung und die Möglichkeit geben wird, sich zu entfalten. "In 'Lar das Criancas' lernen sie, an sich zu glauben", erzählt Rabbi Ruben Sternschein. Das mache es ihnen leichter, ihren Platz im Leben zu finden. Ruben Sternschein kennt hunderte von Fällen, in denen das geklappt hat.