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Soll man Delfinarien verbieten?

Brigitte Osterath28. April 2014

Die Piratenpartei will das Delfinarium in Duisburg schließen lassen. Viele Tierschützer unterstützen die Forderung. Sie sagen, die schlauen Meeressäuger würden in den kleinen Zoogehegen leiden. Stimmt das?

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Delfin im Delfinarium Foto: Rainer Dückerhoff
Bild: Rainer Dückerhoff

"Freiheit für Delfine!" fordert die Fraktion der Piratenpartei im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Sie will die Haltung der Meeressäuger in Zoos verbieten lassen. Die neun Delfine, die derzeit in Duisburg leben, sollen ausgewildert werden.

"Delphine können nicht artgerecht gehalten werden", schreibt die Partei in ihrem Antrag an die Landesregierung. "Das vermeintliche Lächeln trügt, die intelligenten Tiere führen ein trostloses Leben."

Ende April hat der Landtag in Düsseldorf den Antrag verhandelt und Experten dazu befragt. Unterstützung bekommt die Piratenpartei von vielen Tierschützern, denen Delfinarien schon lange ein Dorn im Auge sind.

"Nur Mittel zum Zweck"

Der Zoo Duisburg bleibt entspannt. "Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass man uns schließen könnte", sagt Zoo-Tierärztin Kerstin Ternes. "In der Politik gibt es immer Leute, die sich so wieder ins Gespräch bringen wollen - da sind wir mal wieder Mittel zum Zweck."

Kerstin Ternes sitzt zusammen mit Tierpfleger Roland Edler im Personal-Pausenraum des Delfinariums. Dieser Raum hat eine ganz besondere Aussicht: Er ist tiefer gelegen und durch seine großen Scheiben kann man direkt ins Delfinbecken schauen.

Brigitte Osterath im Pausenraum des Delfinariums Duisburg Foto: Rainer Dückerhoff
Tierpfleger Edler (l.) im Gespräch mit DW-Reporterin OsterathBild: Rainer Dückerhoff

Edler hat gerade die mittägliche Delfinvorführung zu Ende gebracht. Eine halbe Stunde lang haben die Delfine auf Edlers Aufforderung hin Bälle gekickt, mit den Flossen gewunken und sind weit in die Höhe gesprungen. Jetzt haben sie wieder "frei". Einer der Delfine spielt gerade mit seinen eigenen Luftblasen.

Die Tiere wirken fröhlich und schauen neugierig durch die Scheibe auf die Menschen im Trockenen. "Unseren Delfinen geht es ziemlich gut hier", sagt Ternes. "Die Tiere nehmen ihre Nahrung ausreichend auf, sie spielen miteinander, pflanzen sich fort - ich weiß nicht, wo das Problem ist."

Kerstin Ternes mit Delfin Foto: Rainer Dückerhoff
Unseren Tieren geht es gut: Zootierärztin Kerstin Ternes und Tierpfleger Roland EdlerBild: Rainer Dückerhoff

Delfine sind in Zoos unglücklich

Das komplexe Sozialleben von Delfinen sei das Problem, meint Karsten Brensing von der Wal- und Delfinschutzorganisation WDC. Der Meeresbiologe hat selbst lange Zeit in Delfinarien in Florida und Israel gearbeitet, unter anderem während seiner Doktorarbeit.

Brensing erzählt im DW-Interview von einem wortwörtlich einschneidenden Erlebnis: Ein Delfin wollte aus dem mit Draht abgetrennten Bereich eines Meerwasserdelfinariums ausbrechen. Dabei hat er sich fast seine Rückenflosse abgeschnitten. "Das war so ein Moment, in dem ich mir gedacht habe: Meine Güte, wenn dieses Tier so motiviert ist, da herauszukommen - das kann ja nicht richtig sein", erzählt der Meeresbiologe.

Delfine durchlaufen laut Brensing mehrere Lebensphasen, so wie Menschen auch. Während ihrer Pubertät lernten sie viele andere Delfine kennen, aus denen sie dann die auswählen, mit denen sie ihr späteres Erwachsenenleben verbringen wollen. Und das ist im Delfinarium nicht möglich: "Als Delfin ist man darauf angewiesen, mit demjenigen klarzukommen, den man da hat", sagt er. "Das mag manchmal funktionieren, aber wir kennen auch viele Beispiele, wo das nicht funktioniert." Dann entwickelten die Delfine Aggressionen.

Karsten Brensing, WDC
Tierschützer und Meeresbiologe Karsten BrensingBild: WDC

Vorwurf des Medikamentenmissbrauchs

Laut Brensing verabreichen Delfinarienbetreiber den Tieren Psychopharmaka nach Art des Valiums. Die Medikamente sollen die Tiere ruhiger machen, ihre Aggressionen abbauen und schlechter Stimmung vorbeugen.

"Das ist gängige Praxis", sagt Brensing. Seine Organisation hat Akteneinsicht im Tiergarten Nürnberg eingeklagt, nachdem dort fünf Delfinbabys innerhalb weniger Jahre gestorben waren - den Grund dafür kennt bis heute niemand. Nürnberg ist neben Duisburg der einzige Zoo Deutschlands, der Delfine hält. Die Akten hätten gezeigt, dass fast alle Delfine einmal das Psychopharmaka Diazepam bekommen hätten, sagt Brensing.

Der Direktor des Tiergarten Nürnbergs, Dag Encke, bestätigt im DW-Interview, dass einige seiner Delfine das Mittel bekommen - einige davon auch regelmäßig. Das Medikament solle aber nicht ruhigstellen, sondern den Appetit anregen. Denn Delfine müssten sehr regelmäßig fressen, um über den Fisch genügend Wasser aufzunehmen. "Wir haben hier zwei Tiere, die auf Wasser angewiesen sind", sagt Encke. Bei beiden funktionierten die Nieren nicht mehr richtig. "Wenn sie einen Tag mal nicht fressen, gehen sofort die Nierenwerte hoch. Nur mit Wasser bleiben sie gesund."

Delfine fressen Fische Foto: Rainer Dückerhoff
Flüssigkeitsaufnahme über FischeBild: Rainer Dückerhoff

Und ja, tatsächlich habe man Diazepam in Einzelfällen auch als Beruhigungsmittel eingesetzt, gibt Encke zu - allerdings immer mit gutem Grund, etwa weil ein Delfinweibchen sein Junges verloren und daher gelitten habe. "Wir sind schließlich verpflichtet, Leid von den Tieren abzuwenden." Diazepam kommt laut Encke nicht nur bei Delfinen, sondern auch bei anderen Zootieren zum Einsatz, etwa wenn ein Transport ansteht.

Delfinarien und die alte Zoodebatte

Bei der Diskussion um Delfinarien fokussieren sich die Fragen, um die sich Zoogegner und Zoobefürworter schon lange streiten: Darf man Tiere einsperren? Haben Zoos eine Daseinsberechtigung?

Kerstin Ternes sagt ja - solange es sich um wissenschaftlich geführte Delfinarien wie in Duisburg handelt und nicht um Kommerzanlagen, die lediglich Geld mit den Tieren erwirtschaften wollen.

Karsten Brensing, nach eigener Aussage eigentlich ein Zoobefürworter, hingegen meint, es komme immer auf die Tierart an: "Es gibt Tiere, die kann man nicht gut in Gefangenschaft halten, weil ihre Ansprüche einfach so schwer zu erfüllen sind - und Delfine gehören nun mal dazu."

Delfine während der Delfinvorführung Foto: Rainer Dückerhoff
Wer nicht will, setzt aus - kein Teilnahmezwang für die Duisburger Delfine an VorführungenBild: Rainer Dückerhoff

Wer hat nun recht?

"Duisburg mag mit seiner Gruppenkonstellation Glück haben", sagt Brensing - trotzdem bleibt er dabei: In Delfinarien leben Delfine auf zu engem Raum miteinander und können ihre natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben.

Die US-amerikanische Meeresbiologin Kathleen Dudzinski vom Dolphin Communication Project hat vor anderthalb Jahren das Sozialverhalten der Duisburger Delfine eingehend beobachtet. Ihr Resümee, was die Kontaktaufnahme untereinander angeht: Einen Unterschied zu wildlebenden Delfinen konnte sie nicht beobachten.

Im Delfinarium in Duisburg ist es inzwischen Abend geworden, die letzte Vorstellung ist vorbei, die Zuschauer sind alle gegangen. Roland Edler füttert den Delfinen ihr Abendessen: Fische und Oktopus.

Wenn man den Pfleger mit seinen Tieren beobachtet, wird zumindest eines klar: Delfine haben im Zoo viel Beschäftigung - davon kann so manch anderes Zoo-Raubtier nur träumen: Viel enger Kontakt zu den Tierpflegern, drei Vorstellungen pro Tag, und dafür wird regelmäßig trainiert. Tierpfleger Roland Edler ist davon überzeugt, dass seine Delfine glücklich sind. "Ansonsten könnte ich diesen Job gar nicht machen."

Delfin springt über Seil Foto: Rainer Dückerhoff
Delfine-Akrobatik: kein natürliches VerhaltenBild: Rainer Dückerhoff

Schade nur, dass man die Delfine nicht selber fragen kann, ob sie denn nun leiden oder nicht. Das muss wohl jeder Zoobesucher für sich selbst beantworten.