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Smarter Sonnenstrom für Afrika

Sabine Kinkartz26. Januar 2015

Wir bringen Strom dahin, wo es bis jetzt noch keinen gab. So lautet das Credo der Berliner Firma Mobisol. Das funktioniert durch die Verbindung von Solaranlagen mit Mobilfunktechnologie.

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Eine gelb gestrichene Hauswand in einem afrikanischen Dorf, auf der Mobisol Werbung für seine Solaranlagen macht (Foto: Mobisol)
Bild: Mobisol

Man muss ein wenig suchen, um die Büroräume von Mobisol in Berlin-Friedrichshain zu finden. Die Firma hat sich im zweiten Hinterhof eines alten Fabrikgebäudes in der vierten Etage eingemietet. Von einem Flur gehen Zimmer ab, in denen Mitarbeiter vor Computern sitzen. Ein Raum ist eine kleine Werkstatt. An allen Wänden hängen Fotos, auf denen Menschen in Afrika zu sehen sind. Menschen, die in Dörfern um kleine Solarpanels stehen, Menschen, die Solaranlagen auf Wellblechdächern installieren, Menschen, die in kargen Räumen vor Fernsehern, Radios oder Laptops sitzen.

Es sind Bilder von afrikanischen Kunden und Kollegen. "Sie hängen hier, damit wir nie vergessen, dass wir Dienstleister sind für diejenigen, die vor Ort in Tansania, Kenia und Ruanda unsere Produkte anbieten", sagt Thomas Duveau, einer der strategischen Köpfe der Firma Mobisol. Mit ungefähr 50 Mitarbeitern stellt die Zentrale in Berlin die Infrastruktur der Firma, angefangen von der Technik über die Software bis zur Verwaltung.

Produziert wird nicht in Berlin. Die Werkstatt ist nur dafür da, neue Ideen auszuprobieren. Solarpanels und Batterien werden in China eingekauft und direkt nach Afrika verschifft.

Solarpanel, Batterie, zwei Lampen, ein Kabel und die gelbe Box von Mobisol (Foto: Mobisol)
Vor fünf Jahren wäre es technisch noch nicht möglich gewesen, eine Solaranlage an den Mobilfunk anzubindenBild: Mobisol

Das entscheidende Produkt von Mobisol baut eine Auftragsfirma im brandenburgischen Schwedt. Es ist ein gelber Kasten aus Plastik, so groß wie ein Schuhkarton. Darin steckt nicht nur die Steuerungstechnik für eine Solaranlage, sondern auch eine Mobilfunkkarte, die den Kasten mit der Firmenzentrale in Berlin kommunizieren lässt - egal wo auf der Welt er gerade steht. Voraussetzung ist einzig und allein ein funktionierendes Mobilfunknetz.

Das gibt es in Tansania, Kenia und Ruanda. Und noch eine Voraussetzung ist dort gegeben. Die Menschen nutzen ihr Handy, um Geld zu überweisen. 85 Prozent der Einwohner haben hingegen keinen eigenen Stromanschluss und wenn, dann nur über Diesel-Generatoren. "Unser Solarsystem mit seiner von deutschen Ingenieuren entwickelten Leistungselektronik gibt den Leuten die Möglichkeit, zum ersten Mal in ihrem Leben Strom zuhause zu produzieren", sagt Duveau.

Leistung nach Bedarf

Die kleinste, der bewusst einfach und robust gestalteten Anlagen liefert 30 Watt. In maximal einer Stunde ist sie auf dem Dach installiert, liefert Licht für bis zu drei Leuchten, betreibt ein Radio und lädt ein Handy auf. Die derzeit größte Anlage erzeugt 200 Watt und reicht damit schon für den Betrieb eines Kühlschranks, die Beleuchtung mehrerer Zimmer, für Stereo-Anlage und Fernseher.

Verkaufsaktion von Mobisol in einem afrikanischen Dorf (Foto: Mobisol)
Es gibt Verkaufsaktionen - 85 Prozent der neuen Kunden kommen aber auf Empfehlung ihrer NachbarnBild: Mobisol

In Deutschland verbraucht eine vierköpfige Familie pro Jahr durchschnittlich 3.500 Kilowattstunden Strom. In Tansania kommt eine Familie mit einem Zehntel dieser Leistung aus. Wer ein Gewerbe betreibt, braucht natürlich mehr Energie. Aufgrund einiger Anfragen von Unternehmern entwickelt Mobisol derzeit eine 600-Watt-Anlage, mit der auch eine kleine Werkstatt betrieben werden könnte.

Über die eingebaute SIM-Karte meldet sich jede Anlage stündlich in Berlin-Friedrichshain und gibt an, ob sie reibungslos funktioniert und Strom produziert. "Sollte das nicht der Fall sein, dann bekommt einer von unseren lokalen Handwerkern, der in den Regionen unterwegs ist, eine SMS von uns geschickt, mit der Adresse des Kunden und der Bitte, dort sehr schnell vorzusprechen", erklärt Thomas Duveau. "Das heißt, unter Umständen wissen wir, bevor der Kunde es merkt, dass die Anlage gerade repariert werden muss und das ist ein Serviceniveau, das es in Ostafrika recht selten gibt."

Zum Kunden-Service gehört auch eine kostenlose Hotline in der jeweiligen Landessprache und die Garantie, dass eine defekte Anlage innerhalb von 72 Stunden wieder Strom produziert. 220 Mitarbeiter sind für Mobisol in Ostafrika unterwegs, die meisten in Tansania. Die Berliner Firma hat sie von deutschen Technikern vor Ort ausbilden lassen.

Männer in gelben T-Shirts stehen mit einer deutschen Technikerin um einen Tisch mit Werkzeug herum (Foto: Mobisol)
Neue Mitarbeiter werden vor Ort ausgebildetBild: Mobisol

Ganz wichtig für die afrikanischen Kunden ist auch die Mikrofinanzierung. Drei Jahre hat ein Kunde Zeit, um die Anlage abzuzahlen. Dann gehört sie ihm. Je nach Größe der Solaranlage müssen zwischen rund sieben und 33 Euro pro Monat aufgebracht werden. Das ist oft weniger, als zuvor für Petroleum-Lampen oder Diesel-Generatoren ausgegeben werden musste.

Hohe Zahlungsmoral

Die Raten überweist der Kunde via Handy. In 97 Prozent der Fälle klappe das ohne Probleme, sagt Thomas Duveau. "Wenn ein Kunde einmal nicht bezahlen sollte, haben wir die Möglichkeit, die Anlage von Berlin aus abzuschalten, was auch funktioniert, weil diese SIM-Karte im System drin ist." Was sehr oft dazu führe, dass sehr kurz darauf die nächste Rate bezahlt und das System daraufhin wieder angeschaltet werde.

Angesichts der Vorfinanzierung ist der regelmäßige Eingang des Geldes für Mobisol überlebenswichtig. "Wir haben hier ein paar Leute sitzen, die im früheren Leben Banker waren und die sich um diese Vorfinanzierung kümmern", so Duveau. Im ersten Jahr halfen zudem Fördergelder der Europäischen Union und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über die Runden. 1.000 Anlagen konnten mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorfinanziert werden.

Thomas Duveau, Mobisol (Foto: Mobisol)
Thomas Duveau ist regelmäßig in Ostafrika unterwegsBild: privat

"Spannend wird es, wenn wir lokale Banken oder Mikrofinanzinstitutionen in den Ländern finden, in denen wir unterwegs sind", meint Duveau mit Blick auf die zukünftige Firmenstrategie. "Wenn die verstehen, dass das ein Geschäftsmodell für sie ist, sind wir sehr gerne bereit, unseren Finanzierungsanteil abzutreten, denn unsere Kernkompetenz ist das Solarsystem und nicht, die Bank unseres Kunden zu sein."

Große Pläne in Ruanda

Gemessen am Alter der Firma und der Mitarbeiter ist Mobisol ein Startup. Gerade einmal vier Jahre ist es her, da saßen drei Ingenieure in der sprichwörtlichen Garage in Berlin und entwickelten den Prototyp der Solaranlage. 2012 gab es Pilotprojekte in Tansania und in Kenia. Im April 2013 begann der offizielle Verkauf. Derzeit hat die Firma 15 000 Kunden. "Wir haben die Idee", sagt Thomas Duveau selbstbewusst, "dass wir bis 2020 zum größten Energielieferanten Afrikas werden könnten."

Derzeit verhandelt die Firma mit der Regierung in Ruanda, die bis 2017 rund 70 Prozent ihrer Bürger ans Stromnetz bringen will. Aktuell sind es erst 17 Prozent. "Wir überlegen im Moment mit der Regierung, was der Beitrag von dezentraler, solarer Energie zur Lösung des Problems der Elektrifizierung in Ruanda sein könnte", so Duveau. "Wir sind mit unserem Produkt offenbar so glaubwürdig, dass die Regierung sagt: Ja, wir möchten mit Mobisol zusammen einen Teil dieser Elektrifizierungsstrategie vorantreiben."

Ein Mann wischt ein Solarpanel ab, das auf einem rostigen Dach montiert ist (Foto: Mobisol)
Die Solaranlagen funktionieren auch bei RegenBild: Mobisol

In Berlin denken die Firmen-Strategen im Moment viel darüber nach, wie sie ein schnelles Wachstum mit dem Erhalt von Qualität und Service in Einklang bringen können. Die Zeit drängt, gerade hat die Weltbank angefragt, ob Mobisol sein Produkt in großem Kreis vorstellen kann.

Aktualisierte Version eines Artikels vom 15.04.2014