1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Teure Mieten

Karin Jäger14. November 2012

In Deutschland gibt es nicht genug Wohnraum, obwohl die Bevölkerungzahl rückläufig ist und viele Neubauten entstehen. In Trier ist es besonders prekär: Dort leben mehr Singles als anderswo.

https://p.dw.com/p/16c6t
Altbau mit geöffneten Fenstern, aus denen Bettzeug zum Lüften hängt, aufgenommen in Trier. (Fotot: Karin Jäger/ DW)
Bild: DW/K.Jäger

"In Tier ist es mit Wohnungen problematisch", sagt Dieter Jacobs, Sprecher der ältesten Stadt Deutschlands, "es gibt so gut wie keinen freien Markt, und auch die Mieten bewegen sich auf ganz hohem Niveau". Mit den Folgen dieser Tatsache wird Anita Merten-Traut tagtäglich konfrontiert. Die Juristin berät Mitglieder des Mietervereins. Viele Wohnungssuchende sind entsetzt, wenn sie eine neue Wohnung suchen und feststellen, dass sie die Miete plus Nebenkosten dafür nicht aufbringen können.

Die Gründe für die Mietpreis-Explosion sind vielschichtig

"Viele Luxemburger und Migranten, die in Luxemburg arbeiten, wohnen hier, weil es günstiger ist als im Nachbarland", begründet die Rechtsanwältin den Preisanstieg von 26,5 Prozent seit 2005. Die günstigen Verkehrsanbindungen fördern den Trend: Busse transportieren die Pendler über die Grenze, was dazu geführt hat, dass die Stadt mit UNESCO-Weltkulturerbe-Status beim Mietanstieg in Führung liegt im bundesweiten Vergleich. Auch durch die große Zahl an Studenten sei die Nachfrage hoch. Die Stadt baut gerade weitere 500 Wohneinheiten, in der Hoffnung, die Lage bis zum Wintersemester 2013/14 zu entspannen.

Porträt von Anita Merten-Traut, Juristin beim Mieterverein für den Regierungsbezirk Trier, (Foto: Karin Jäger/ DW)
Anita Merten-Traut, Mieterverein TrierBild: DW/K.Jäger

Besonders groß ist die Nachfrage an Ein-Personen-Wohnungen: Immer mehr Paare trennen sich, Partner versterben, die Kinder ziehen aus - und lassen Einzelne in einer viel zu großen Wohnung zurück. Zwar zählt die Geburtsstadt von Karl Marx nur 105.000 Einwohner, davon aber leben zwei Drittel allein.

Porta Nigra, römisches Stadttor und Wahrzeichen von Trier: (Foto: DW / Maksim Nelioubin)
Trierer Wahrzeichen: Porta NigraBild: DW / Nelioubin

Und nicht zuletzt ist Trier die einzige größere Stadt weit und breit. Wer nicht auf dem Land leben will, zieht nach Trier. An der Mosel gelegen, von Weinbergen umgeben, mit Nähe zu Eifel und Hunsrück und einem entsprechenden Kulturangebot, ist der Freizeitwert der Stadt sehr hoch.

Trotz Bauboom ist keine Entspannung in Sicht

Der Abzug der französischen Streitkräfte zur Jahrtausendwende soll langfristig zur Entspannung am Wohnungsmarkt beitragen. Trier war nach dem Zweiten Weltkrieg die zweitgrößte französische Garnisonsstadt nach Paris. Bis zu 15.000 Soldaten waren hier stationiert. Durch die Konversion, die Umwandlung militärischer Liegenschaften, werden Flächen für Wohnraum frei. Allein im Stadtteil Feyen entsteht auf einem ehemaligen Kasernengelände ein neues multifunktionales Stadtquartier. Das Gebiet mit gigantischen 340.000 Quadratmetern war einst militärisches Sperrgebiet und unzugänglich. Nun sollen hier in den nächsten 15 Jahren Häuser, Wege für Radfahrer und Fußgänger sowie viel Grünbepflanzung entstehen. Und auch genügend Wohnungen für die Stadt?

Kasernengelände in Trier-Feyen. (Foto: DW, Karin Jäger)
Ehemaliges Kasernengelände in Trier-Feyen. Hier entsteht ein neuer Lebensmittelpunkt.Bild: DW/K.Jäger

"Das ist hauptsächlich für Familien angelegt und wird für teuren Wohnraum vermietet oder verkauft", beklagt Anita Merten-Traut vom Mieterverein, "der Bedarf liegt aber bei günstigem Wohnraum mit kleiner Fläche."

Eine weitere Ursache für die Misere sei auch Arbeitslosigkeit. Wenn dann die Mieten nicht mehr gezahlt werden können, müssten die Betroffenen in ein kleineres Quartier umziehen. "Es gibt Leute, deren Lebensinhalt besteht nur noch darin, eine bezahlbare Wohnung zu suchen", erfährt die Rechtsberaterin von Kunden. Ein Teufelskreis: Erfahren Vermieter von bestehenden Mietschulden, erhalten die Bewerber eine Absage.

Meist gelingt es Antia Merten-Traut durch persönliche Vermittlung, dass den Säumigen die Mietrückstände gestundet werden. "Die Lösung wäre, städtischen Wohnungsbau zu fördern. Die Stadt, die über einen eigenen Bestand verfügt, sollte die Wohnungen nicht verkaufen, sondern sie sozial schwächeren Personen zur Verfügung stellen", schlägt die Vertreterin der Mieter vor. Doch die Fördermittel wurden drastisch zurückgefahren. Die staatliche Wohnungsbauförderung sei zwischen den Jahren 2002 bis 2010 um ein Drittel zurückgegangen, dabei sei "Wohnen doch ein Grundrecht", reklamiert Merten-Traut.

Für bezahlbaren Wohnraum demonstrierten am Samstag (10.11.2012) Mieter in Hamburg, Berlin und Freiburg. Und auch für Bonn befürchten Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Mieterbund einen Kollaps des Wohnungsmarktes. Eine Studie zur Situation in der früheren Bundeshauptstadt geht von 5000 fehlenden Wohnungen aus.

Der Öffentliche Wohnungsbau wurde eingestellt

In Trier bietet die Firma "gbt – Wohnungsbau AG" "Wohnraum zu bezahlbaren Konditionen für breite Bevölkerungsschichten" an, so gbt-Vorstandssprecher Stefan Ahrling Die gbt ist eine gemeinnützige Baugesellschaft, Anteilseigner sind eine Versicherung und die Stadt Trier. "Der Bedarf an Wohnraum für Geringverdiener ist sehr hoch", bestätigt Ahrling, "allerdings führen der hohe Sanierungsbedarf bei Altbauten und Investitionen auf Grund der energetischen Verordnungen dazu, dass auch Preise für normal bezahlbare Wohnungen ansteigen, die dann für den einfachen Bürger auch nicht mehr erschwinglich sind".

Porträt von Dr. Stefan Ahrling, Vorstandssprecher der gbt, (genossenschaftliche Wohnungsbau und Treuhand AG mit Sitz in Trier) (Foto: Karin Jäger/ DW)
Dr. Stefan Ahrling, gbt-VorstandBild: DW/K.Jäger

Die gbt baut auch Wohnungen und Häuser im "hochpreisigen Segment". "Diese Objekte erfreuen sich einer sehr guten Nachfrage", sagt Ahrling, "weil dort das Geld lockerer sitzt". Luxemburger und EU-Beamte mit Arbeitsplatz im westlichen Nachbarland machen einen Käuferanteil von inzwischen sieben Prozent aus. Die meisten würden eine Immobilie eher kaufen statt mieten, wenn sie könnten, hat Ahrling festgestellt: "Und der Trend geht zum Wohnen in der Stadt. Viele Ältere wollen ihr Haus am Stadtrand verkaufen, um in eine hochwertige Wohnung im Zentrum zu ziehen." Diese Klientel verfügt über genügend Kapital und beansprucht zwischen 60, 80, aber auch schon mal 200 Quadratmeter, so der gbt-Vorstand.

Mehr Singles, mehr Alte, mehr Wohnungen und höherer Pflegebedarf

Das Statistische Bundesamt prognostiziert, dass 2030 vier von fünf Deutschen ledig, verwitwet oder geschieden sind - und damit alleine oder zu Zweit leben. Damit wird der Bedarf an single-tauglichen Wohnungen weiter steigern.

"Die Stadt hat schon reagiert und weitere Flächen für den Wohnungsneubau ausgewiesen", sagt Franz-Josef Keul vom Amt für Stadtentwicklung und Statistik. Auch Mehrfamilienhäuser mit etwa 1400 Einheiten sollen entstehen. Der Trend geht dabei zu flexiblen Grundrissen bei Neubauten, um schneller auf wechselnde Bedürfnisse reagieren zu können. Etwa 40 bis 80 Jahre soll ein Haus halten, sagt der Stadtplaner. Danach wird es abgerissen, weil Neubauten heutzutage günstiger sind als die Altbausanierung.

Für den Altersprozess der Bewohner will die Stadt ebenfalls gewappnet sein. Trier ist dabei, eine Pflegestrukturplanung zu erstellen und nimmt an einem Modellversuch der Landesregierung von Rheinland-Pfalz teil. Ziel ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf die entsprechende Infrastruktur und Unterstützung vorfinden. Die Stadtplaner gehen davon aus, dass es noch mehr Menschen in die Stadt zieht. Und sind sie erst einmal dort, sollen sie auch bleiben.