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Die Macht der Lobby

Christoph Hasselbach19. Januar 2010

In Brüssel arbeiten mehr als 15.000 Lobbyisten. Ihr Image in der Öffentlichkeit ist meist schlecht. Der Vorwurf lautet, sie kauften die Politik. Besuch bei einem, der offen bekennt: "Ich bin Lobbyist".

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Schild des Bundesarbeitgeberverbandes der Chemie (Foto: DW)
Lobbyismus in Brüssel: legitime Interessensvertretung oder Korruption?Bild: DW

Andreas Ogrinz ist Anfang 30. Er hat gegeltes Haar, trägt einen schicken Anzug und hat ein jungenhaftes Lächeln. Er ist Lobbyist in Brüssel für den deutschen Bundesarbeitgeberverband Chemie. Sein Büro liegt praktischerweise ganz in der Nähe der europäischen Institutionen Parlament, Kommission und Ministerrat. Dort sind seine wichtigsten Ansprechpartner. Aber wie wird man eigentlich Lobbyist? Gab es bei ihm Berührungsängste, vor allem, wenn man bedenkt, dass viele Menschen ein schlechtes Bild von Lobbyisten haben?

Bei ihm selbst habe es diese Berührungsängste nicht gegeben, sagt Ogrinz, weil er als früherer parlamentarischer Assistent eines Europaabgeordneten viel mit Lobbyisten zu tun gehabt und "sehr gute Erfahrungen" mit ihnen gemacht habe. Irgendwann habe er sich dann selbst vorstellen können, Lobbyist zu werden.

Mit dem Fahrrad zur Arbeit

Andreas Ogrinz vom Bundesarbeitsgeberverband der Chemie spricht in ein Mikrofon (Foto: DW)
Andreas Ogrinz: "Auch Umweltlobbyisten sind Lobbyisten"Bild: DW

Wer glaubt, zu einem Lobbyisten gehöre unbedingt ein schneller Sportwagen, sieht sich bei Andreas Ogrinz in seinen Klischeevorstellungen widerlegt: Er fährt täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit. Überhaupt scheinen ihm jegliche Allüren fremd zu sein. Manche Vorurteile gegenüber dem eigenen Berufsstand amüsieren ihn wohl eher.

Aber er ärgert sich schon ein wenig, dass beim Thema Lobbyismus ein Vertreter von Greenpeace in Brüssel meist völlig anders gesehen wird als einer der Chemie-Arbeitgeber. "Auch Umweltlobbyisten und Menschenrechtsaktivisten sind Lobbyisten", sagt er.

"Reiseeinladungen an Abgeordnete sind für mich Korruption"

Einen Grund für viele Vorurteile über Lobbyisten sieht Andreas Ogrinz in einer verbreiteten Unkenntnis. Was also machen Lobbyisten wirklich? "Auf der einen Seite beobachten sie Politik. Sie versuchen, das Gras wachsen zu hören, herauszufinden, was an Gesetzesvorhaben in der Pipeline steckt. Und die zweite Seite der Lobbytätigkeit ist der Versuch, Einfluss zu nehmen", so Ogrinz.

Das sei meist auch der Bereich, der in der Kritik stehe. Die entzündet sich vor allem dann, wenn der Eindruck entsteht, Politiker ließen sich von Lobbyisten "kaufen". Andreas Ogrinz gibt zu, dass einige "schwarze Schafe" der Zunft genau das versuchen. Er selbst zieht aber hier die moralische Grenze für seine Arbeit. "Wenn man zum Beispiel einen Abgeordneten auf eine Reise einlädt, ist das ganz klar illegitime Einflussnahme, und das ist dann für mich kein Lobbyismus mehr, das ist dann Korruption."

Der Erfolg ist nur langfristig und indirekt

Das Namensschild von Andreas Ogrinz vom Bundesarbeitgeberverband der Chemie liegt auf einem Foto (Foto: DW)
Wichtig: Präsenz zeigen, Kontakte pflegenBild: DW

Nicht nur Verbände, Organisationen und Unternehmen entsenden Lobbyisten nach Brüssel. Auch die Vertretungen deutscher Bundesländer sind im Grunde Lobbyvertretungen. Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Andreas Ogrinz ist davon überzeugt, aber der Erfolg sei nur langfristig und indirekt: "Es wäre vermessen, ein bestimmtes politisches Ergebnis der eigenen Lobbytätigkeit zuzuschreiben."

Aber wenn er in manchen Debatten eigene Argumente heraushört, führt er das schon manchmal auf Gespräche mit Entscheidungsträgern zurück oder auf Positionspapiere, die er geschrieben hat. Wenn man dann merke, die eigenen Argumente hätten offenbar jemanden überzeugt, "das ist dann ein kleiner Lobbyerfolg."

Übersetzen zwischen Wirtschaft und Politik

Der ständige Kontakt zu seinen Ansprechpartnern ist das A und O für einen Lobbyisten. Dabei helfen Andreas Ogrinz seine Sprachenkenntnisse. Zusammen mit Deutsch spricht er acht europäische Sprachen und kann deswegen besser auf unterschiedliche Gesprächspartner eingehen. Brüssel ist für ihn deshalb vielleicht der ideale Ort.

Aber auch in einem anderen Sinne empfindet sich Ogrinz als "Übersetzer": "Man muss die Sprache der Wirtschaft den Politikern schmackhaft machen und umgekehrt muss man die oftmals schwer verständliche Sprache zum Beispiel aus der Europäischen Kommission den Leuten in der Wirtschaft rüberbringen. Und diese Übersetzungstätigkeit finde ich sehr reizvoll."