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Garten Eden in Äthiopien

Enrique Gili/ke21. Januar 2014

Am Tanasee, im Hochland Äthiopiens, gilt es die kulturellen und ökologischen Ursprünge einer unberührten Landschaft zu schützen. Das Rezept dazu könnte in der Bibel stehen.

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Foto: Zhara Church Wald in Äthiopien (Foto: Matthew Jellings: http://www.pbase.com/mij99)
Bild: Matthew Jellings

Das Gebiet rund um den Tanasee, im Hochland von Nord-Äthiopien, kennt inzwischen viele Facetten der Bedrohung. Sie reichen von der Abholzung der ehemals reichen Wälder bis hin zur Überfischung durch eine gewachsene Industrie. Doch es könnte eine Lösung für die Probleme der Region geben. Und die beginnt an der Wasserkante.

Hier stehen wenige bis zu hunderte Hektar große, alte Baumbestände. Sie sind Inseln der biologischen Vielfalt und das in einer Region, die inzwischen weitgehend kahl geschlagen ist. Die alten Bestände werden Kirchenwälder genannt. Sie sind das, was vom ursprünglichen Wald Äthiopiens übrig geblieben ist.

Die Wälder werden durch Priester der äthiopisch-orthodoxen Kirche “Tewahedo” erhalten, einer christlichen Gruppe, die diese alten Haine seit dem 16. Jahrhundert verwaltet. In Äthiopien gibt es noch Tausende dieser Haine, die in der sonst kargen Vegetation übrig geblieben sind. Die Anhänger der Kirche gehen davon aus, dass die Kirchenwälder erhalten werden müssen, weil sie Gottes Kreaturen vorbehalten sind. Sie sollen als Abbilder des Garten Eden aus dem Buch Genesis verstanden werden und müssen geschützt und respektiert werden.

Foto: Ein Mann der äthiopischen orthodoxen Tewahido Curch (Foto: CC BY 2.0: Matthew Jellings/flickr: http://www.flickr.com/photos/53990852@N05/7886111962/in/photolist-d1S
Priester der Tewahido Kirche sorgen seit dem 16. Jahrhundert dafür, dass ihre Wälder erhalten bleiben.Bild: Alliance of Religion and Conservation / CC BY 2.0

Doch gut steht es um die Wälder nicht. Wenn Glaube und Landwirtschaft um die Waldflächen konkurrieren, siegt allzu oft die Zweckmäßigkeit. Ein Blick von oben zeigt, dass die Kirchenwälder grüne Flecken sind - umgeben von einem Mosaik aus Feldern, Weiden und Siedlungen. Es ist nicht verwunderlich, dass wegen anhaltender Trockenheit und Konflikten in Äthiopien das Anpflanzen von Getreide oft Vorrang hat.

Wissenschaft trifft auf Glaube

Trotzdem wollen die Baumforscherin Margaret Lowman und der Forstwissenschaftler Alemayehu Wassie Esthete sicherstellen, dass zukünftige Generationen vom Kirchenwald noch im Präsens sprechen können. Um zu schützen, was es noch vom Wald gibt, hat sich das Duo mit weiteren, gleichgesinnten Wissenschaftlern und Priestern zusammengeschlossen: “Wir haben alle dasselbe Ziel. Sie nennen es Gottes Geschöpfe, wir Biodiversität. Aber wir alle wollen ihren Erhalt”, sagt Lowman, Leiterin des Bereichs Wissenschaft und Nachhaltigkeit an der California Academy of Sciences.

Foto: Dr. Alemayehu Wassie (Foto: Matthew Jellings: http://www.pbase.com/mij99)
Margret Lowman und Alemayehu Wassie Esthete (Foto) arbeiten gemeinsam daran, den Äthiopiern den Wert ihrer Natur näher zu bringen.Bild: Matthew Jellings

Lowman traf den äthiopischen Partner schon vor einigen Jahren bei einer Konferenz zur Ökologie des Waldes in Mexiko. Laut Lowman ist er einer der wenigen Menschen weltweit, der sich intensiv mit Kirchenwäldern beschäftigt. Lowman wird liebevoll Canopy Meg genannt, was soviel bedeutet wie Baumkronen-Meg. Sie gehört zu den führenden Experten zum Ökosystem Wald. Während ihrer Zeit in Mexiko erfuhr sie von der Notlage der Kirchenwälder und den begrenzten Möglichkeiten, die Esthete zur Verfügung standen, um seine Forschungen fortzuführen. Lowman begann sich ins Zeug zu legen.

Inseln der Vielfalt

2011 mobilisierte sie ein Team von Wissenschaftlern, um einen Katalog der Kirchenwälder in der Nähe des Tanasees zu erstellen. Das war die erste von einer ganzen Reihe von Studien, von denen sie sicher ist, dass sie zu einem größeren Verständnis der Bedeutung der Kirchenwälder führen können. Ihre Arbeit soll das Interesse der Menschen wecken, hofft Lowman.

Glücklicherweise gerät der Informationsfluss tatsächlich in Gang. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass etwa 170 einheimische Baum- und Buscharten in den Wäldern wachsen. Ein ermutigendes Ergebnis für eine nahezu kahle Region. Die Haine dienen als Samenbanken für einheimische Bäume und als Zuflucht für Arten, die es ansonsten nirgendwo mehr gibt.

Jüngste Forschungen weisen auch darauf hin, dass Kirchenwälder lokalen Bauern helfen können: Die Wälder sind Lebensraum für einheimische Bienenarten und andere befruchtende Insekten, die der Natur einen unschätzbaren Dienst leisten. Diese Insekten haben das Potential, Produktionserträge um bis zu 40 Prozent zu steigern.

Respekt vor der Natur liegt der Religion in den Genen

Kirchenwälder sind Teil einer langen Tradition in religiösen Gruppen, Wälder und Wildgebiete zu bewahren. Schreine, Tempel und Klöster wurden weltweit als Orte der Zuflucht gegründet, vor Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden. Laut der Alliance of Religions and Conservation sind dadurch im Moment fünf bis zehn Prozent wildwüchsiger Regionen im Besitz von religiösen Organisationen. Dank Forschern wie Lowman und Esthete rückt der Wert, den diese heiligen Gebiete für den Erhalt der Arten spielen, immer mehr ins Licht.

“Natürlich tun wir unser Bestes, um zumindest einige der Kirchenwälder vor ihrer Vernichtung zu bewahren”, schreibt Esthete in einer E-Mail. Dazu werben die beiden Forscher bei der orthodoxen Kirche für die Vorteile, die eine Überwachung der Umwelt bringen würde, setzen Gespräche zwischen Bauern und Priestern in Gang und binden Wissenschaftler in ihre Forschung ein.

Foto: Männer stehen an einer kleinen Steinmauer (Foto: North Carolina Museum of Natural Sciences)
Steinzäune bieten eine natürliche Barriere gegen Tiere und stellen eine klare Grenze dar, an die sich Landwirte und Kirchenführer halten.Bild: North Carolina Museum of Natural Sciences / Dr. Meg Lowman

Beide haben außerdem ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, das den Naturschutz beflügeln soll. Sie wollen Dorfbewohner und Kirchenälteste dazu anhalten, Steinzäune als Grenzen für bislang vier Kirchenwälder zu errichten. Das ist keine leichte Aufgabe angesichts der großen Menge Arbeit, die dazu notwendig ist, gepaart mit fehlender technischer Ausrüstung. Doch der Zaunbau lohnt sich: Bauern erwerben für die Landwirtschaft geeignetes Land. Die Zäune verhindern, dass es keine Eingriffe in die Kirchenwälder mehr gibt und auch das Vieh nicht mehr eindringen kann, um die Setzlinge zu fressen. Lowman nennt das Konzept ein "Win-Win-Win"-Projekt. Es motiviert Bauern und Priester gleichermaßen, sich an die Grenzen des Kirchengebiets zu halten. Es greift sozusagen ein geflügeltes Wort auf: “Gute Zäune machen gute Nachbarn.”