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Sind Deutsche ärmer als Spanier?

Stephanie Höppner23. März 2013

Eine Studie der Bundesbank rüttelt am Klischee: Die Menschen in den Euro-Krisenländern Spanien und Italien sind demnach anscheinend reicher als die Deutschen. Experten sehen die Ergebnisse jedoch kritisch.

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Eine Familie vor einem Haus (Foto: picture-alliance / Helga Lade Fotoagentur GmbH)
Bild: picture-alliance / Helga Lade Fotoagentur GmbH

"Schaffe, schaffe, Häusle baue" heißt ein Sprichwort aus dem Schwabenland im Süden Deutschlands. Ein eigenes Haus mit Vorgarten, viel Platz für die Kinder: Lebt so der Durchschnittsdeutsche? Eine Studie der Deutschen Bundesbank räumt auf mit diesem Vorurteil. Denn im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn besitzen mit 44 Prozent viel weniger Bundesbürger ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. In Frankreich haben zum Beispiel fast 58 Prozent ein Eigenheim, in Italien etwa 68 Prozent und in Spanien sogar knapp 83 Prozent. Das ist laut Studie der Hauptgrund dafür, dass das Gesamtvermögen der einzelnen Privathaushalte in Deutschland auch deutlich niedriger liegt als das der Haushalte in Ländern wie Spanien oder Italien.

Durchschnittlich weniger Vermögen

Die Studie der Bundesbank zeigt: Das mittlere Vermögen der Deutschen beläuft sich auf rund 51.400 Euro. In Italien dagegen liegt es bei rund 163.900 Euro, in Spanien sogar bei etwa 178.300 Euro. Österreich liegt dagegen mit etwa 76.400 Euro näher am deutschen Niveau. Berechnet wurden diese Werte mit dem so genannten Median. Dabei wurde eine repräsentative Auswahl von 40 Millionen Haushalten nach aufsteigendem Vermögen aufgereiht und der Mittelwert genommen.

Euro-Münzen liegen auf einem Tisch. (Foto: fox17 #42402859)
Die Deutschen besitzen im Mittel rund 54.000 EuroBild: Fotolia/fox17

Doch auch bei der Berechnung des Durchschnittswerts liegt das Vermögen der deutschen Haushalte unter dem anderer Euro-Staaten. Der Durchschnitt wurde errechnet, indem alle Vermögenswerte der Deutschen addiert und anschließend wieder durch die Anzahl der deutschen Haushalte geteilt wurden. Im Gegensatz zum Median ist er "empfindlicher" für statistische Ausreißer: Die hohen Vermögenswerte einiger weniger Deutscher heben den Durchschnittswert enorm. Daher liegt er auch um einiges höher als der Median.

Während etwa spanische Haushalte im Durchschnitt über 285.800 Euro Vermögen verfügen, sind es in Österreich 265.000 Euro und in Deutschland lediglich 195.200 Euro. Sind die Deutschen also ärmer als ihre südlichen Nachbarn?

Risiko: Eigenheim mit Anfang 20

"Wir haben in Deutschland einen gut funktionierenden Mietwohnungsmarkt und dadurch eine entsprechend geringe Wohneigentumsquote", sagt Diplomstatistiker Christoph Schröder vom Institut für deutsche Wirtschaft Köln. "Der zweite Punkt ist, dass wir eine recht gute soziale Absicherung haben und dadurch Sparmotive für Altersvorsorge oder Arbeitslosigkeit eingeschränkt sind bei uns." Posten wie Rentenansprüche und kostenlose Bildung wurden bei der Studie nicht berücksichtigt.

Auch Özgür Öner vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen verweist im DW-Gespräch auf den guten Mietermarkt. "Das hängt auch damit zusammen, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg vor der Herausforderung standen, relativ schnell Wohnungen und auch bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen", sagt Öner.

Das Schild der Deutschen Bundesbank am Eingang in Frankfurt. (Foto: Wolfram Steinberg)
Die Deutsche Bundesbank kommt zum Ergebnis: Spanier und Italiener haben mehr Vermögen.Bild: picture-alliance/Wolfram Steinberg

Nach wie vor verfolge man in Deutschland das Ziel, Wohnungen auch für breite Schichten der Bevölkerung anbieten zu können. In Südeuropa hingegen legten die Familien zusammen, um auch jungen Erwachsenen Anfang 20 eine Eigentumswohnung zu ermöglichen. Das berge dann auch das Risiko, die Raten bei Arbeitslosigkeit nicht bezahlen zu können, sagt Öner.

"Äpfel mit Birnen verglichen"

Das Institut für deutsche Wirtschaft in Köln kritisiert allerdings auch die Erhebungsmethode der Bundesbank-Studie. So wurde das durchschnittliche Haushaltsvermögen erfasst. Das Problem bei dieser Vorgehensweise: Die deutschen Haushalte sind mit durchschnittlich zwei Personen kleiner als etwa die spanischen mit 2,7 Personen. Das bedeutet, dass sich das Haushalts-Vermögen in Spanien auf mehr Menschen verteilt als in Deutschland.

Außerdem, so die Kritik, würden "Äpfel mit Birnen verglichen". Die Zahlen stammten aus einer europaweiten Befragung der Notenbanken, die für jedes Land die Vermögenssituation der Haushalte untersucht hatte. Während sich die Zahlen für Deutschland aber auf das Jahr 2010 bezögen, stammten die Zahlen für Spanien bereits aus dem Jahr 2008. In jenem Jahr platzte in dem südeuropäischen Land die Immobilienblase. Der Einbruch der Immobilienpreise sei jedoch nicht erfasst und das Immobilienvermögen somit überbewertet, so das Institut.

Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament.(Foto: Sven Giegold)
Grünen-Abgeordneter Sven Giegold: "Schere zwischen Arm und Reich"Bild: Sven Giegold

Schere zwischen Arm und Reich

Alles also gar nicht so schlimm für die Deutschen? Den Grünen-Abgeordneten im Europa-Parlament, Sven Giegold, alarmieren die Ergebnisse dennoch, denn sie verdeutlichen auch die innerdeutschen Vermögensverhältnisse: "Die Studie zeigt vor allem die sehr ungleiche Vermögensverteilung sowohl in Deutschland als auch in Europa", sagt er im Gespräch mit der DW. So besäßen in Deutschland die obersten zehn Prozent 60 Prozent des Vermögens. "Das überschreitet den Punkt, der für eine demokratische Gesellschaft gut ist."