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15 Jahre Landreform in Simbabwe

Theresa Krinninger26. Mai 2015

Die "Spuren des Kolonialismus" wollte Robert Mugabe mit seiner Landreform beseitigen. 15 Jahre später ist das Ergebnis ein anderes: Simbabwe kann sich nicht mehr selbst ernähren.

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Simbabwe 15 Jahre Landreform (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/O. Andersen

"Vor der Reform hatten wir 26 landwirtschaftliche Erzeugnisse auf dem Markt, jetzt müssen wir fast alles importieren", sagt Prosper Matondi. Er ist Geschäftsführer des Think-Tanks Ruzivo Trust in Simbabwes Hauptstadt Harare und beschäftigt sich seit mehr als 16 Jahren mit den Problemen des Landwirtschaftssektors in seinem Land. Simbabwe galt einst als die "Kornkammer" des südlichen Afrikas. Die Bauern versorgten auch die Länder in der Nachbarschaft mit ihren Erzeugnissen. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) exportierte Simbabwe noch im Jahr 2000 rund 107.000 Tonnen Mais. Bereits ein Jahr später waren es nur noch 2000 Tonnen.

Heute muss Simbabwe, um die Bevölkerung zu versorgen, mehrere hunderttausend Tonnen Mais, viele Früchte und andere Nahrungsmittel importieren. Verantwortlich für die Krise machen Beobachter wie Matondi eines der ehrgeizigsten Projekte der Regierung. Im Jahr 2000 stellte Präsident Robert Mugabe mit einer äußerst kontroversen "beschleunigten" Landreform ("fast-track land reform") den ganzen Agrarsektor auf den Kopf. Mehr als sieben Millionen Hektar Grund und Boden wurden in den vergangenen 15 Jahren umverteilt - offiziell gerechtfertigt als Wiedergutmachung für den Kolonialismus. Dabei wurden rund 4500 weiße Großfarmer zum Teil gewaltsam enteignet und vertrieben, auf ihrem Land rund eine Million schwarze Simbabwer angesiedelt. Es entstanden einige neue mittelgroße Höfe, hauptsächlich aber wurde das Land an Kleinbauern verteilt - und an Personen mit guten Beziehungen zur Mugabe-Regierung.

Robert Mugabe Vertreibungen weißer Farmer Landkonflikt Foto: Unbekannt
Ein Farmbesitzer im Jahr 2000 vor den Ruinen seiner niedergebrannten ScheuneBild: picture-alliance/dpa

Viele Verlierer, wenige Gewinner

Doch seit der Reform kommt der so wichtige Agrarsektor nicht wieder richtig auf die Beine. Und darunter leidet die gesamte Wirtschaft. Laut Internationalem Währungsfonds liegt das jährliche Wachstum bei nur noch drei bis vier Prozent, exportiert werden statt Nahrungsmitteln heute vor allem Tabak, Platin und Gold. Als kompletten Fehlschlag will Analyst Matondi die Fast-Track-Landreform zwar nicht bezeichnen. Immerhin habe die Regierung ein Landwirtschaftsmodell für Kleinbauern geschaffen und die Zahlen zeigten, dass nicht wenige Simbabwer davon auch profitiert hätten. Aber die Zahl der Verlierer ist groß: Rund 300.000 schwarze Farmarbeiter haben im Zuge der Landreform ihre Jobs verloren. Wie die enteigneten Großfarmer wurden auch sie bislang nicht angemessen entschädigt.

Laut Matondi wurden auch Frauen zu wenig berücksichtigt. Dabei seien sie "das Rückgrat der Landwirtschaft in Simbabwe". Von den 70 Prozent der Frauen, die in ländlichen Regionen lebten, arbeiteten mehr als die Hälfte in der Landwirtschaft. Im Zuge der Reform übernahmen nur rund 12 Prozent von ihnen größere Farmen. Damit habe die Regierung die einzigartige Gelegenheit verpasst, traditionelle Regeln, die Frauen oft benachteiligten, zu umgehen.

Gentechnik soll Hunger stillen Bauer bei der Arbeit in Afrika (Foto: dpa)
Viele Kleinbauern produzieren nicht genugBild: picture-alliance/dpa

Zu wenig durchdacht

Außerdem liegt bis heute viel Land brach. Nur etwa 40 Prozent der neu verteilten Ländereien würden momentan produktiv genutzt, sagt der Politikwissenschaftler Phillan Zamchiya, der in Harare und Oxford lehrt. Ein Grund dafür sei, dass viele der neuen Großfarmen, die vor allem politische Eliten ergattert hätten, nicht bewirtschaftet würden. Und den Kleinbauern fehle es am nötigen Know-How und am Investitionskapital: für richtiges Equipment, Saatgut, Düngemittel und Treibstoff. Von der Regierung bekämen sie keine Unterstützung, sagt Zamchiya.

Zudem bleiben viele Fragen bis heute ungeklärt: "Es gibt noch so viel Durcheinander was die Verwaltung, die Nutzungs- und Grundrechte angeht", sagt Experte Prosper Matondi. Seit 1999 gäbe es weder eine Strategie für den Agrarsektor noch eine angemessene Landnutzungsordnung. Viele Kleinbauern seien unsicher, ob sie das Land langfristig nutzen und an ihre Kinder oder Frauen weitervererben könnten. Bislang ist das verteilte Land Staatsbesitz und kann den Bauern wieder genommen werden. Ebenso unklar seien auch die Zuständigkeiten der verschiedenen Ministerien, Fachbereiche und Behörden, die die Fragen vor Ort klären sollten.

Kleinbauern vs. Großfarmen

Das Argument, dass kommerzielle Großfarmen besser wären, weist Matondi zurück. Das sei überholt. Seit den 1990ern zeigten Studien, unter anderem von der Weltbank, dass Kleinbauern effizienter arbeiten als kommerzielle Großfarmen. Ihr Potenzial werde aber nicht ausgeschöpft.

Simbabwe SADC Gipfel in Harare - Robert Mugabe (Foto: AP)
Präsident Mugabe: Ein ehrgeiziges Projekt, aber nicht gut durchdacht?Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Mukwazhi

Vor der Fast-Track-Landreform hatten die Großfarmen eine starke Lobby: "Sie bekamen im Gegensatz zu den Kleinbauern jede Menge Unterstützung, sei es durch staatliche Subventionen oder andere Finanzierungsmöglichkeiten." Ähnliche Unterstützung brauche nun auch der kleinbäuerliche Sektor. "Denn wenn man ihn voll nutzen würde, könnte er die Versorgung des Landes maßgeblich mittragen und die Staatskasse beim Import von Nahrungsmitteln erheblich entlasten", argumentiert Matondi.

Für den Politikwissenschaftler Zamchiya ist die Fast-Track-Landreform nur ein Symptom eines viel größeren Problems in Simbabwe. "Die meisten staatlichen Reformprogramme werden zugunsten der bestehenden Machtstrukturen und der Vetternwirtschaft umgesetzt", sagt er. Für den Agrarsektor gelte: Bauern, die nicht die Regierungspartei ZANU-PF unterstützten, würden eingeschüchtert, bedroht oder geschlagen. Überall grassiere die Korruption. Wer Simbabwes Ernährungs- und Wirtschaftskrise lösen wolle, müsse also in der Politik beginnen.