1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Silvesterparty in der Favela

Solveig Flörke31. Dezember 2012

Die Copacabana von Rio de Janeiro war über Jahrzehnte der berühmteste Silvester-Treffpunkt der Stadt. Immer mehr Menschen entdecken jedoch die Berggipfel der umliegenden Favelas zum Feiern.

https://p.dw.com/p/17AvG
Bild: Reuters

Das Silvesterfest wird in Rio de Janeiro fast so ausgelassen gefeiert wie der Karneval. Über eine Million Menschen pilgern zum Jahreswechsel an den Strand der Copacabana, ganz in Weiß gekleidet, bestaunen das riesige Feuerwerk, werfen Blumen ins Meer und sind in bester Party-Laune. Der Menschentrubel und die unweit der Bucht geankerten Kreuzfahrtschiffe bilden die perfekte Neujahrskulisse für reiche Touristen und die Brasilianer. Die verfolgen das Spektakel von den Dachterrassen der Fünfsterne-Hotels entlang der Avenida Atlantica oder den Balkonen der Luxuswohnungen.

Eintrittspreise von 2500 Euro

Für viele Partys werden zum Jahreswechsel in Rio de Janeiro Eintrittspreise verlangt - und die haben es in sich: Umgerechnet 2500 Euro kostet beispielsweise das dreitägige Silvester-Paket im Windsor Hotel Atlantica. Wer auf dem Zuckerhut ins neue Jahr starten will, der bekommt ein Ticket für etwa 300 Euro. Der Blick über die Stadt und den Strand der Copacabana ist vielen zum Silvesterabend ganz offensichtlich einiges wert. Doch die traditionellen Adressen für Silvesterpartys in Rio haben Konkurrenz bekommen.

Year-end tourists pack the Copacabana beach in Rio de Janeiro, Brazil, December 29, 2005. New Year's in Rio is one of the biggest year-end parties on the planet. For this edition, the city will ring in 2006 with 150 metric tons of fireworks. Douglas Engle/Bloomberg News /Landov (ACHTUNG Mindesthonorar 75 Euro) +++(c) dpa - Report+++
In der Nacht steigt die Silvesterparty an der CopacabanaBild: dpa

Seit die Polizei einen Teil der Armenviertel von Rio de Janeiro im Vorfeld der Olympischen Spiele von 2016 aus Sicherheitsgründen kontrolliert, haben sich auch diese Orte der Stadt buchstäblich zu Silvester-Knallern entwickelt. Viele Favelas liegen an den steilen Berghängen Rios und bieten damit eine Aussicht, wie sie nicht einmal ein 30 Stockwerke hohes Hotel vorzuweisen hätte. Das haben auch die Veranstalter von Silvester-Partys erkannt - mittlerweile verlangen sie auch in den Favelas bis zu 500 Euro Eintrittsgeld.

Beste Aussicht aus den Bergen

Rodrigo Braz Viera lebt in Pavão-Pavãozinho. Die Favela grenzt direkt an die Copacabana und liegt an einem der nächstgelegenen Berge zum Meer. Hier veranstaltet der 31-jährige Fremdenführer zum dritten Mal seine "New Year's Eve Favela Party". "Mit solchen Festen in der Favela kommen auch die Leute zu uns rauf, die vorher Vorurteile oder sogar Angst hatten. Dadurch können sie sich besser vorstellen, dass die Favelas Teil der Stadt sind, wie andere Viertel auch", sagt er über seine Motivation, eine solche Party zu veranstalten. Doch die Mehrheit seiner Gäste sind Ausländer. Touristen, auf der Suche nach einer ganz besonderen Silvester-Erfahrung. "Die wollen etwas anderes als das Übliche: eine informelle Atmosphäre, Ausgelassenheit und Kontakt zur lokalen Bevölkerung. Sie wollen sehen, wie die Menschen hier oben feiern, die meisten Brasilianer also, und natürlich sind sie fasziniert vom Blick auf die Stadt und vom Feuerwerk."

Blick über die Strände von Rio de Janeiro aus einer Favela (Foto: Solveig Flörke)
Aussicht von einer Favela auf die Strände von Rio de JaneiroBild: Solveig Flörke

Sicherheit in den Favelas lockt Touristen

Seit die Polizei in Rio de Janeiro nach einem festgelegten Plan gegen Drogenkommandos vorgeht, die zuvor die Favelas beherrscht haben, sind die Silvester-Partys dort in Mode gekommen. "Das liegt natürlich vor allem an der Sicherheit", sagt Rodrigo. "Als hier noch ein Drogenkommando das Sagen hatte, konnte außer den Bewohnern ja keiner einfach so in die Favelas gehen. Jetzt kann jeder kommen." Pavão-Pavãozinho gehörte zu den ersten Vierteln, die - so der Fachbegriff - "pazifiziert" wurden.

Brazil's polocemen guard the streets of the Rocinha slum in Rio de Janeiro, Sunday, Nov.13, 2011. Elite police units backed by armored military vehicles and helicopters invaded the largest slum in this seaside Olympic city before dawn Sunday. It's the most ambitious attempt yet to bring security to a town long known for its violence. (Foto:Silvia Izquierdo/AP/dapd)
Polizei sorgt für Sicherheit in den FavelasBild: dapd

Auch bei deutschen Touristen sind die Favela-Partys beliebt. Eine Besucherin schrieb nach der letzten Feier in Rodrigos virtuelles Gästebuch: "Silvester 2011 war mal wieder eines der Erlebnisse in meinem Leben, die ich nie vergessen werde! Es war etwas Neues, Unbekanntes, ein kleines Abenteuer für Gringos in einer Favela."

Mehr menschliche Wärme und Lebensfreude

Für Rodrigo ist genau das der Grund, warum vor allem Ausländer Silvester gerne in einem der Armenviertel feiern wollen: "Die Leute finden hier zum einen mehr Lebensfreude und menschliche Wärme, zum anderen gilt es noch immer als mutig und waghalsig, eine Favela zu besuchen."

Die Zeiten der kostengünstigen Straßenpartys sind daher auch vorbei. Bei Rodrigo kostet die Teilnahme an seiner "Favela-Party" umgerechnet 100 Euro, dafür gibt es Musik vom DJ und Getränke unter freiem Himmel auf der Terrasse.

Oft muss man noch tiefer ins Portemonnaie greifen. Dona Azelina, die ebenfalls in Pavão-Pavãozinho wohnt, verlangt sogar über 400 Euro für den Silvesterabend. Allerdings fordert sie die hohen Preise nicht von jedem: "Cariocas", also alle, die gebürtig aus Rio de Janeiro stammen, zahlen nur die Hälfte. Insgesamt hat Dona Azelina Platz für 60 Gäste - je 30 für Auswärtige und für Einheimische. "Das soll der Integration dienen", sagt sie.

People watch as fireworks explode over Copacabana Beach, Rio de Janeiro, Brazil, Wednesday, Dec. 31, 2003. (AP Photo/Douglas Engle)
Feuerwerk über der CopacabanaBild: AP

Am günstigsten, ja sogar gratis, ist die Silvesterparty in Rio nach wie vor für alle, die - als Teil der Neujahrskulisse - dicht gedrängt am Strand der Copacabana feiern.