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Keine Hoffnung mehr für Liberia und Sierra Leone?

Brigitte Osterath11. September 2014

Das Virus verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Nun stellt ein Virologe eine schockierende These auf: Liberia und Sierra Leone seien mit den bisher ergriffenen Maßnahmen kaum noch zu retten.

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Ein Sicherheitsbeamter in den Straßen von Monrovia, Liberias Hauptstadt (Foto: EPA/AHMED JALLANZO).
Bild: picture-alliance/dpa/A. Jallanzo

Seine Behauptung wird viele Menschen schockieren. Aber Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg sagt im DW-Interview, dass er und seine Kollegen "so langsam die Hoffnung für Sierra Leone und Liberia verlieren". Diese beiden Länder sind besonders hart von der Ebola-Epidemie getroffen.

Die richtige Zeit einzuschreiten wäre im Mai/Juni gewesen, sagt der Virologe. "Der Zeitpunkt wurde verpasst."

Schmidt-Chansit erwartet, dass sich das Virus in den westafrikanischen Ländern stark ausbreiten könnte. Mit anderen Worten: Fast jeder könnte sich infizieren.

Helfen, wo es noch möglich ist

Schmidt-Chanasit weiß, dass das eine radikale Aussage ist. Er betont, dass er keinesfalls dafür plädieren möchte, Hilfe für die westafrikanischen Staaten zu stoppen. Im Gegenteil: Er fordert "massive Hilfe". Er glaubt allerdings, dass es im Falle von Sierra Leone und Liberia schwierig , so viel Hilfe zu besorgen wie nötig wäre, um die Epidemie in den Griff zu bekommen.

Ebola in Liberia: Abtransport eines Opfers (Foto: EPA/AHMED JALLANZO).
In Liberia sind bereits über 1000 Menschen an Ebola gestorbenBild: picture-alliance/dpa/A. Jallanzo

Nach Aussage des Virologen ist es jetzt das Wichtigste, ein Übergreifen auf andere Länder zu verhindern und da zu helfen, "wo es noch möglich ist, in Nigeria und Senegal etwa." Auch müsse sehr viel Geld in die weitere Entwicklung der Impfstoffe investiert werden, fügt er hinzu.

Erzürnte Stimmen

In der Zentrale der Welthungerhilfe, die sich derzeit stark in Westafrika engagiert, stößt Schmidt-Chanasits These auf Kritik. Solche Aussagen seien "nicht so konstruktiv", meint eine Pressesprecherin.

Jochen Moninger, Landeskoordinator der Welthungerhilfe in Sierra Leone, sagt der Deutschen Welle, die Aussage sei "sehr schwerwiegend und außerdem nicht richtig." Moninger lebt seit vier Jahren in Sierra Leone und hat den Ebola-Ausbruch von Anfang an miterlebt.

"Die Maßnahmen zeigen Fortschritte", sagt er. Das Problem sei lösbar: "Die Krankheit kann eingedämmt werden."

Und er fügt hinzu: "Wenn die Situation hoffnungslos wäre, würde ich meine Familie packen und ausreisen." Aber er und seine Familie würden in Sierra Leone bleiben.

In Sierra Leone hat die Regierung eine 21-tägige Quarantäne für alle Haushalte verhängt, in denen ein Ebola-Fall auftrat. Soldaten und Polizisten bewachen diese Häuser und verhindern, dass Personen, die in Kontakt mit einem Ebola-Kranken standen, das Haus verlassen. Laut Moninger ist das genau die richtige Maßnahme: Man müsse die Kranken isolieren - notfalls auch mithilfe des Militärs.

Ebola in Liberia: Aufgeregte Menschen. (Foto: EPA/AHMED JALLANZO).
Als die liberianische Regierung das Slum-Viertel West Point unter Quarantäne setzte, brachen Unruhen ausBild: picture-alliance/dpa/A. Jallanzo

Hoffnungslosigkeit schadet nur

Moninger sagt, die Situation in Liberia kenne er nicht. Er habe aber den Eindruck, dass "dort etwas passiert, das nicht gut ist." Er räumt ein, dass Schmidt-Chanasits Aussage zu Liberia "vielleicht in die richtige Richtung deuten mag."

Liberia hat nicht dieselben Quarantäne-Vorkehrungen getroffen wie Sierra Leone. Einem WHO-Bericht zufolge durchqueren Ebola-Infizierte Liberias Hauptstadt Monrovia in Sammeltaxis, um ein Krankenbett zu finden. Wenn sie keines finden, kehren sie wieder nach Hause zurück. So verbreitet sich das Virus in der Stadt.

Aber: "Hoffnungslosigkeit zu verbreiten, ist gefährlich", sagt Moninger. Es stünden viele Menschenleben auf dem Spiel und solche Aussagen "verschlimmern die Situation noch."

Katastrophal, aber nicht hoffnungslos

Die Weltgesundheitsorganisation mit Sitz in Genf möchte nach einer Anfrage der Deutschen Welle Schmidt-Chanasits Aussage nicht kommentieren. Pressereferentin Fadéla Chaib sagt aber, dass es "natürlich" noch Hoffnung für beide Länder gebe. "Wir können die Situation in sechs bis neun Monaten unter Kontrolle bringen", sagt sie der Deutschen Welle.

Ebola in Liberia: Verletzer, junger Mann sitzt am Boden (Foto: EPA/AHMED JALLANZO).
Bei Straßenkämpfen in Liberia wurden Menschen verletztBild: picture-alliance/dpa/A. Jallanzo

Doch auch sie gibt zu, dass die Situation in Liberia "sehr ernst" ist. Die Regierung sei komplett überfordert. Sobald neue Ebola-Behandlungszentren eröffnen, würden sie schon von Patienten überschwemmt, sagt sie. Liberia ist das Land mit den höchsten Fall- und Todeszahlen, die Todesrate bei einer Ebola-Infektion beträgt 60 Prozent.

Dass bereits über 80 Ärzte und Krankenpfleger an Ebola gestorben sind, verschlimmere die Situation noch. Die WHO erwartet in Liberia Tausende weitere Fälle in den kommenden Wochen.

Nur gemeinsam ist Rettung möglich

Nicht nur benachbarte Länder, sondern vor allem Europa und die USA, müssten den Kampf gegen die Epidemie unterstützen, fordert Chaib von der WHO. Dann sei es möglich, den Kampf zu gewinnen.

Um die Epidemie in den Griff zu bekommen, müsste unbedingt die weitere Übertragung des Virus gestoppt werden. Vor allem müsse verhindert werden, dass sich Gesundheitspersonal ansteckt.

Der Aufbau von Ebolazentren in den Gemeinden oder einzelnen Stadtteilen werde Ebola-Patienten davon abhalten, mit ihren Familienmitgliedern von einem Ort zum anderen zu fahren und dabei andere Menschen anzustecken.

"Wir werden alles tun, um den Ausbruch zu stoppen", sagt Chaib. "Wir werden Westafrika nicht im Stich lassen."