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Zocken ist keine Option

Frank Sieren27. Januar 2015

Ab Februar können in Shanghai erstmals Optionsscheine gehandelt werden – Anlageinstrumente, die als besonders spekulativ gelten. Für den Aktienmarkt eine neue Bewährungsprobe, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Foto von der Börse in Schanghai (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Aly Song/Files

Brandblasen soll man bekanntlich nicht aufstechen, da sie sich sonst leicht entzünden können. Für Spekulationsblasen gilt das nicht. Davon ist zumindest die chinesische Regierung überzeugt. Sie ist nicht bereit, jeden Irrsinn am boomenden Aktienmarkt in Shanghai mitzumachen. 63 Prozent legte der Index in den vergangen sechs Monaten zu, bis es Mitte Januar an einem Tag so heftig bergab ging wie seit zehn Jahren nicht mehr. Rund acht Prozent verlor der Markt, weil Peking viele Anleger mit einer neuen Regel auf dem falschen Fuß erwischt hatte.

Um vom Aktienboom zu profitieren, hatten vor allem Privatanleger bei ihrer Bank Kredite aufgenommen und mit dem geliehenen Geld spekuliert. Die chinesische Börsenaufsichtsbehörde CSRC will daher strengere Kontrollen einführen und so sicherstellen, dass dieses gefährliche Spiel nicht zu weit getrieben wird. Das tut der Shanghaier Börse gut. Ist sie doch eine junge Wilde, die man international noch nicht ganz ernst nimmt. Auch wenn sie es in wenigen Jahren fast auf das Umsatz-Level der Hongkonger Börse geschafft hat. Es wird noch zu viel gezockt - mehr Pferdewette als Marktanalyse eben.

Neue risikoreiche Anlagemöglichkeit

Doch offensichtlich sehen selbst die Marktteilnehmer inzwischen ein, dass es so nicht weitergeht. Nach dem Schreckmoment Mitte Januar kletterten die Kurse im Verlauf der Woche wieder leicht. Doch schon wartet die nächste Herausforderung: Kommenden Monat soll es in Shanghai erstmals möglich sein, Optionsscheine zu handeln. Diese Papiere, die das Recht auf den Kauf oder Verkauf von beispielsweise Aktien zu bestimmten Konditionen garantieren, gelten als spekulative Anlageinstrumente. In ihrer einfachsten Form können sie einer jungen Börse guttun, weil sie dem Markt zusätzliche Liquidität verschaffen, und Anlegern die Möglichkeit bieten, ihre Geschäfte abzusichern. Allerdings wissen wir seit der weltweiten Finanzkrise 2008 auch: Sind die Finanzwetten zu stark gehebelt und zu undurchsichtig, kann das in einer finanziellen Kernschmelze enden.

Doch China ist weit entfernt davon, finanzielle Massenvernichtungswaffen zu schaffen, wie Anlegerlegende Warren Buffett einst die verbrieften US-Immobilienpapiere nannte, die die große Lehman-Krise im Jahr 2008 ausgelöst hatten. Die Regulatoren der chinesischen Börsenaufsichtsbehörde wollen, dass sich die Marktteilnehmer erstmal nur langsam in die Welt dieser Art der Anlageinstrumente vortasten. Deshalb sollen zunächst nur Optionen auf börsennotierte Aktienfonds handelbar sein, und nicht auf einzelne Unternehmen. Täglich sind bei den Shanghaier Optionsscheinen vorerst maximal zehn Prozent Abweichung vom Kaufkurs zugelassen.

Porträt von Frank Sieren (Foto: DW)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Sorge vor Hobby-Glücksspielern

Neben dem Tageslimit wird es auch eine Art Einstiegstests geben, mit denen Peking die Eignung der Anleger überprüfen will, um sicherzustellen, dass keine Hobby-Glücksspieler die Börse in Shanghai aus der Bahn werfen. Die Anleger, die in den Markt einsteigen wollen, müssen zudem ein minimales Eigenkapital in Höhe von 500.000 Renminbi (70.800 Euro) besitzen. Börse mit Kindersicherung gewissermaßen. Klar ist, dass am 9. Februar, der Tag, an dem der Handel mit Optionen nach Plan beginnen wird, die Börsenwelt genau nach Shanghai schauen wird. Und dort blickt man dem Datum trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bereits nervös entgegen: Statt für das neue Produkt zu werben, warnte Huang Hongyuan, Chef der Shanghaier Börse, in der vergangene Woche in einem Interview mit staatlichen Medien sogar vor einem zu übertrieben Einsatz der neuen Instrumente.

Optionen seien für Profis gedacht, um ihre Positionen abzusichern, und nicht für wilde Zockerei. Bleibt zu hoffen, dass Chinas Börsianer diese Worte beherzigen. Und wer weiß, möglicherweise wird dann neben den beiden gängigen Arten von Optionsscheinen – den amerikanischen und den europäischen – bald der chinesische als Dritter im Bunde dazukommen, der für mehr Vernunft und weniger Gier auf dem Markt steht.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.