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Sierens China: Rauchfreies Drachennest

Frank Sieren10. Dezember 2014

Peking ohne Rauch, das ist wie Hamburg ohne Fisch. Aber um gegen das Rauchen in ganz China vorzugehen, ein erster wichtiger Schritt, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Drei Rauchende Chinesen (Foto: picture-alliance/akg)
Bild: picture-alliance/akg

Vor ein paar Tagen waren sich alle einig: Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ist unaufhaltsam. Wie strikt er seine Antikorruptionskampagne durchzieht, sorgt in China und auch im Ausland für Aufsehen. Der Eindruck, der dabei überall entsteht: Dieser Präsident schreckt vor nichts zurück. Xi Jinping ist der Held der kleinen Leute, die sich oft den korrupten Kadern völlig ausgeliefert fühlen. Doch ganz egal, wie mächtig Xis letzter Fang war – verglichen mit dem Gegner, den er sich jetzt vornehmen will, war dies bisher nur eine Übung. Jetzt kommt die Kür. Jetzt geht es an den kleinen Mann: Auf Pekings Raucher kommen harte Zeiten zu.

Ein neues Gesetz, das in dieser Woche vorgestellt wurde, soll künftig das Rauchen in Peking in öffentlichen Gebäuden verbieten. Besonders Krankenhäuser und Kindergärten stehen auf der Liste der zukünftig rauchfreien Orte ganz oben. Auch im Bus oder bei der Arbeit wird dann die Zigarette zwischendurch verboten. Wer sich nicht daran hält, wird mit einer Geldstrafe von sieben bis hin zu etwas über 70 Euro bestraft. Und der Gebäudebesitzer, der das Rauchen in seinen Räumen erlaubt, gleich mit. Solch einen Versuch hat es vor drei Jahren schon einmal gegeben. Ohne großen Erfolg. Seitdem stehen lediglich ein paar zusätzliche Rauchverbotsschilder in unmittelbarer Nähe zu Aschenbechern. Keiner kann sich mehr genau erinnern, ob die Schilder oder die Aschenbecher zuerst da waren. Doch geändert hat sich nichts, denn die Raucher in Peking qualmen kräftig weiter.

Auch Tabakwerbung soll verboten werden

Aber auch die Tabakindustrie wird nun härter rangenommen: Denn Werbung für Tabakprodukte soll ebenfalls verboten werden – sei es an Hausfassaden, im Fernsehen oder in Zeitungen. Xi hatte schon vor einem Jahr angekündigt, gegen das Dauerqualmen seiner Landsleute vorzugehen. Dafür hatte er sogar seine Frau zur Nichtraucher-Botschafterin gemacht. Davon haben sich die Raucher Chinas nicht besonders beeindrucken lassen. Umso besser, dass es jetzt einen neuen Nichtraucher-Botschafter in China gibt: Bill Gates. Der Microsoft-Gründer ist nun in Werbespots zu sehen, in denen er dazu aufruft, sich gegen das Passivrauchen zu wehren. Alte Lieder aus dem Westen, bei denen man gespannt sein darf, ob sie in China gut ankommen werden.

Frank Sieren (Foto: privat)
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Die Volksrepublik zählt inzwischen mehr Raucher als die Bevölkerung der USA: über 350 Millionen, Tendenz weiter steigend. Hinzu kommen allein 760 Millionen Passivraucher. Jährlich sterben deshalb schon jetzt mehr als eine Million Chinesen an den Folgen des Rauchens. Und ein Drittel aller Lungenkrebspatienten sind Chinesen. Xi knöpft sich zuerst die etwa vier Millionen Raucher in Peking vor, bevor er seine Anti-Rauch-Kampagne weiter ins Land tragen will. Nur: Ob Xi tatsächlich den Mut hat, das Problem ernsthaft anzugehen, ist noch längst nicht entschieden. Die Hauptstadt ist erst einmal nicht viel mehr als ein großes Testlabor.

Schwer auf Land duchzusetzen

In Peking mag das womöglich funktionieren. Auf dem Land kann Xi dieses Projekt vorerst nicht ansprechen, geschweige denn testen. "Erst hat Peking das Hinterland wirtschaftlich vernachlässigt und jetzt darf man nicht einmal mehr rauchen", wäre die Reaktion. Das würde die Bauern in Scharen auf die Barrikaden treiben. Denn Zigaretten und Alkohol sind nach wie vor die bevorzugten Geschenke, die man auf dem Land zur Kontaktpflege unter Geschäftspartnern austauscht. In Pekings Regierungskreisen dürfte das sicherlich bekannt sein. War es doch noch bis Anfang des Jahres auch bei Parteikadern üblich, Zigaretten oder Alkohol als Geschenke zur Freundschaftspflege bei Terminen und Geschäftsessen mitzubringen. Den Parteimitgliedern ist dies nun verboten worden.

Darauf hat die Tabakindustrie gleich reagiert und veröffentlichte, wie viele Jobs gefährdet würden, wenn die Zahl der Raucher zurückginge. Rund 60 Millionen Chinesen leben davon, Zigaretten herzustellen und zu verkaufen. Auch das Finanzministerium legte nach: In China werde so viel geraucht, weil Zigaretten viel zu billig seien. Und das läge vor allem daran, dass die Tabaksteuern hier so niedrig seien wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Und trotz der geringen Steuern machen Zigaretten fast ein Zehntel der jährlichen Staatseinnahmen aus. Gegen höhere Steuern ist jedoch wiederum die Tabakindustrie. Mit der Tabaklobby und der Landbevölkerung hat Xi Jinping schon zwei mächtige Gegner, gegen die er sich wehren muss. Möglicherweise darf in Zukunft dann jeder, der einen Landausweis hat, rauchen. Die Städter müssen darauf verzichten. Bis Juni haben Pekinger, egal von woher sie kommen, noch Zeit für die eine oder andere Zigarette. Denn dann erst soll das neue Gesetz in Kraft treten.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.