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Eintrittskarte nach Europa

Frank Sieren18. Mai 2015

Massive Investitionszusagen überall: Präsident Xi Jinping bekräftigt mit seinem Besuch in Weißrussland das starke Interesse Chinas an Osteuropa, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Weißrussland Xi Jinping und Alexander Lukaschenko in Minsk
Chinas Präsident Xi Jinping und Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko in MinskBild: Reuters/V. Fedosenko

So etwas nennt man einen Kontrapunkt setzen: Zuerst feierte Chinas Präsident Xi Jinping gemeinsam mit Wladimir Putin das Ende des Zweiten Weltkrieges, dann machte er sich Anfang vergangener Woche von Moskau direkt auf den Weg nach Weißrussland, wo er sich mit Staatsoberhaupt Alexander Lukaschenko traf. An Moskau war der Besuch ein klares Signal: Wir arbeiten eng mit euch zusammen und kaufen auch gern euer Gas und Öl. Aber in Osteuropa haben wir unsere eigenen Interessen.

Es war der erste Besuch eines chinesischen Präsidenten seit vierzehn Jahren. Und Xi machte keinen Hehl daraus, was er sich von Lukaschenko wünschte: Mehr wirtschaftliche Kooperation. Heraus kam ein neuer Vertrag für den chinesisch-weißrussischen Industriepark "Great Stone". Pläne für diesen Park gibt es zwar schon bereits seit 2010. Jetzt aber sollen die Geschäfte dort endlich Fahrt aufnehmen. Schließlich soll der Industriepark laut Xi eine "Perle" der neuen Seidenstraße werden. Das von Peking geplante Handelsnetz soll China künftig wirtschaftlich noch besser mit dem Rest der Welt verbinden.

China als Großinvestor auf dem Balkan

Um dieses Ziel zu erreichen, ist Peking zu großen Investitionen bereit. Für einen sicheren Warentransport braucht es nun mal eine stabile Infrastruktur. Und wie für viele asiatische Nachbarn Chinas gilt auch für süd- und osteuropäische Nationen, dass sie sich diese Investitionen nicht aus eigener Kraft leisten können. Aber Peking springt da gerne ein. Besonders die Nicht-EU-Länder brauchen Hilfe, doch auch die kleinen EU-Mitgliedsstaaten in Mittelost- und Südosteuropa tun sich schwer. Allein im Westbalkan beträgt der Investitionsbedarf in die Infrastruktur schätzungsweise 110 Milliarden Euro.

Wen wundert es da noch, dass die Hilfe der Chinesen hier gerne angenommen wird. Überall ziehen chinesische Wirtschaftsdelegationen durch die Region und werden mit Fanfaren und Trompeten empfangen. Seit dem ersten 16+1-Gipfel 2012, einem Treffen von 16 Staaten in der Region plus China, sind durchschnittlich mehr als vier Milliarden Dollar pro Jahr aus China nach Mittel- und Südosteuropa geflossen. Das gesamte Handelsvolumen zwischen China und Osteuropa betrug 2013 über 60 Milliarden Dollar.

Frank Sieren Kolumnist Handelsblatt Bestseller Autor China
DW-Kolumnist Frank SierenBild: Frank Sieren

Auch im vergangenen Dezember war das 16+1-Treffen in Belgrad ein Erfolg. Über 200 chinesische Unternehmen waren vor Ort. Chinas Premier Li Keqiang betonte auf dem Belgrader Treffen, dass über 80 Prozent der geplanten Projekte vom vorangegangenen Treffen auch umgesetzt worden seien. Wie zum Beweis wurde gleichzeitig die 170 Millionen Euro teure Donaubrücke eingeweiht, ein neues Projekt war dann auch gleich gefunden: Die Zugverbindung von Belgrad nach Budapest soll für 1,5 Milliarden Euro modernisiert werden. Der Strom an Investitionen hört nicht auf. Neben dem Gipfel gibt es auch noch den "Seidenstraßen-Fonds", ganz zu schweigen von einem Zehn-Milliarden-Euro-Kredit für Infrastrukturprojekte in der ganzen Region.

Konkurrenz für Brüssel

Chinas Ambitionen sind klar: Der Handel mit Europa soll sich in Zukunft stark ausweiten, womöglich sollen in Osteuropa sogar eigene chinesische Industriestandorte entstehen, um die Transportkosten zu minimieren. Es geht aber um noch mehr als nur Exporte. Durch sein Engagement in Osteuropa gewinnt China dort viele Freunde, die in Brüssel gerne ein gutes Wort für ihren großzügigen Gönner einlegen werden.

So hat auch Weißrusslands Präsident vergangene Woche gesagt, dass eine engere Beziehung seines Landes mit China den chinesischen Einfluss in Europa befördern würde. Lukaschenko mag da seine eigene Geltung zwar etwas falsch einschätzen, allerdings ist er längst nicht der einzige, der so denkt: Die jungen EU-Mitglieder profitieren stark vom Interesse Pekings, finanziell gesehen vielleicht momentan sogar mehr als von der EU-Mitgliedschaft. Denn die Gelder aus Brüssel fließen nur stockend, und wenn sie fließen, dann eher für den Ausbau von Institutionen oder die Etablierung der Rechtsstaatlichkeit. Kein Vergleich zu den Krediten chinesischer Banken, bei denen das Geld schneller auf dem Konto landet und dabei nicht an Bedingungen geknüpft ist. Verständlich, dass man in der EU-Zentrale Brüssel Angst vor so einem Konkurrenten bekommt.

Unser Kolumnist Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Kenner. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.