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Shitstorm fürs Marketing

Christian Ignatzi5. Juni 2014

Ein deutscher Sportartikelhersteller lässt Profisportler blutende Herzen in die Kamera halten. Die Aufregung darüber war vorprogrammiert. Eine verunglückte Kampagne oder cleveres Marketing?

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Adidas - Werbebild mit blutigen Herzen
Bild: twitter/adidasfootball

Blutige Rinderherzen in den Händen bekannter Fußballstars - mit dieser Werbekampagne, bei der die Spieler symbolisch ihre Herzen für ihr Land geben, provoziert der Sportartikelhersteller Adidas negative Aufmerksamkeit wie schon lange nicht mehr. Die Reaktionen in den Social-Media-Netzwerken beginnen bei Ekel und Empörung und enden in einer Gegenkampagne von Tierschützern. Auf Facebook entrüsten sich die Nutzer mit Sätzen wie: "Habe gestern noch Adidas bestellt - geht ungeöffnet zurück!" oder "Krank und geschmacklos. Tschüss Adidas!"

Auch auf der persönlichen Facebookseite des deutschen Fußballstars Lukas Podolski hielten sich seine Fans nicht mit Kritik zurück: "Sehr geehrter Herr Podolski, ich wohne mit meiner Familie in der Nähe von Köln. Da unser Sohn mit einem Herzfehler geboren wurde, besuchen wir regelmäßig die dortige Herzklinik", schrieb einer. "Aufgrund der räumlichen Nähe ist es Ihnen sicher auch ein Leichtes, den Kindern in der Klinik, die teilweise sogar auf Spenderherzen warten müssen, mal diese Kampagne zu erläutern."

Auf DW-Anfrage erklärte Adidas-Sprecher Oliver Brüggen: "Wir wollten die Bilder so kraftvoll wie möglich gestalten, um die Leidenschaft der Spieler für die Weltmeisterschaft zu unterstreichen." Es sei nicht die Absicht des Konzerns, mit den in einer Metzgerei gekauften Herzen gegen das Tierschutzgesetz zu verstoßen. Dass die Bilder im World Wide Web Wellen schlagen, ist kein Zufall: "Für die unterschiedlichen Social Media-Kanäle hat Adidas eine noch nie dagewesene Fülle an Content unterschiedlichster Art entwickelt", so Brüggen.

Der Aufruhr im Internet ist nicht der erste, bei dem das Unternehmen aus dem fränkischen Herzogenaurach massiv in der Kritik steht. In der Vergangenheit wurde Adidas immer wieder in Verbindung gebracht mit fehlender Nachhaltigkeit, mangelndem Umweltbewusstsein und miserablen Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern. Im Winter nahm das Unternehmen WM-T-Shirts vom Markt, nachdem die brasilianische Tourismusbehörde sich über die aus ihrer Sicht sexuell aufgeladenen Motive beschwert hatte. Zu sehen war unter anderem eine halbnackte Frau unter dem Spruch: "Lookin' to score." (Sinngemäß: "Ich will punkten" ebenso wie "Ich will ihn reinmachen.") In den Augen der Kritiker eine Ermutigung zum Sextourismus.

Bei all den negativen Reaktionen gegen die nun laufende Werbekampagne sollte man aber eines nicht vergessen, sagte der PR-Experte Lukas Adda der DW: "Das Unternehmen bringt sich damit vor der Fußball-Weltmeisterschaft ins Gespräch und macht dadurch gezielt auf sich aufmerksam." Adda glaubt, dass der Sportartikelhersteller die Kritikwelle, die im Internet Shitstorm genannt wird, absichtlich provoziert hat, um Aufmerksamkeit zu erlangen. "Die Aktion scheint geplant zu sein. Adidas nutzt das als Marketinginstrument."

Dass die Reaktionen dennoch wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen haben werden, glaubt Adda nicht. "Beispiele wie der Shitstorm im vergangenen Jahr gegen Amazon haben gezeigt, dass die negativen Reaktionen ein kurzes Phänomen sind, nach zwei bis drei Tagen aber Schnee von gestern." Eine Studie, die die deutsche Macromedia Hochschule aus München kürzlich veröffentlichte, belegt das. Demnach sind bislang kaum wirtschaftliche Folgen für Unternehmen durch Empörungswellen im Netz zu belegen. Stattdessen bringen sie den Namen der Firma ins Gespräch. "Eine Ausnahme war die Empörung gegen die schlechten Hygienebedingungen bei Burger King", sagt Adda. Bei dem Fast-Food-Restaurant seien Kunden aber persönlich betroffen, weshalb negative Eindrücke länger präsent blieben.

Trotz der massiven Kritik habe Adidas sein Ziel also erreicht: "Sie wollten eine maximale Reichweite und durch ihre Provokation haben sie Emotionen geweckt." Das funktioniert fast immer, sagt Adda: "So etwas spielt auf die menschlichen Instinkte an. Wenn etwas Emotionen weckt, nehmen wir es eher wahr."