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Neue deutsche Filme in München

Jochen Kürten4. Juli 2014

Das 32. Filmfest München hat wieder einen Querschnitt neuer Kinoproduktionen aus Deutschland geboten. Bei allen unterschiedlichen Formaten und Stilen vereint die aktuellen Filme ein Thema: Lebenslügen.

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Filmstill aus "Lügen" (Foto: Filmfest München)
Wollen heiraten - lieben sich aber nicht wirklich: Meret Becker und Thomas Heinze im Kinofilm "Lügen"Bild: Filmfest München

Vielleicht ist das Thema des deutschen Film-Herbstes: Menschen, die sich selbst betrügen, Männer und Frauen, die es im Beruf und im Privatleben mit der Wahrheit nicht ganz so genau nehmen. Bei 16 neuen Produktionen ist es schwierig, inhaltliche Gemeinsamkeiten der so unterschiedlichen Filme herauszufiltern. Und doch: Regisseurinnen und Regisseure einer mittleren Generation schauen derzeit wieder stärker auf das Leben von Menschen in der Mitte des Lebens.

Filme über das Älterwerden

"Wie war jung sein früher? Wie war jung sein heute? Es hat sich so viel verändert in den letzten 35 Jahren", erzählt Regisseur Ralf Westhoff im Gespräch mit der Deutschen Welle. Und was ist daraus geworden, aus dem Jungsein - das ist das Thema von Westhoff. Der ist Jahrgang 1969 und hat in München seinen neuen Film "Wir sind die Neuen" vorgestellt, eine Komödie. Sie erzählt vom Älter werden und vom Zusammenprall der Generationen, von verblichenen Idealen, von Träumen und was daraus geworden ist.

Filmstill Wir sind die Neuen (Foto: Filmfest München)
Strebsame WG - die junge Generation in "Wir sind die Neuen". Regisseur Ralf Westhoff bekam den NachwuchspreisBild: Filmfest München

Drei in die Jahre gekommene ehemalige Freunde, zwei Männer und eine Frau (unser Bild oben), treffen sich nach langer Zeit wieder und beschließen noch einmal zusammenzuziehen, eine WG zu gründen, wie einst vor 30 Jahren. Die drei ziehen in ein Haus, in dem genau unter ihnen eine Wohngemeinschaft mit Studenten lebt. Die müssen büffeln, fürs Examen in Jura und Kunstgeschichte. Das führt zu erheblichen Konflikten. Regisseur Ralf Westhoff geben diese Auseinandersetzungen Gelegenheit für viele Pointen über so unterschiedliche Generationen.

Komödie mit Widerhaken

"Dieses Konstrukt - ehemalige Studenten, die schon mal zusammengewohnt haben, treffen auf heutige Studenten - hat viel Angriffsfläche geboten", sagt Westhoff. Der Regisseur nutzt das für eine kluge Komödie mit Tiefgang. Da werden die Jungen zu spießigen Studenten, denen jeder Partylärm der Älteren auf die Nerven geht. Und den Alten bereitet es eine diebische Freude, die Studenten zu provozieren. Westhoff spielt mit Klischees und Erwartungshaltungen der Zuschauer. Hinter allem aber scheint das Thema Lebenslügen durch. Denn auch die Alten machen sich etwas vor, versuchen verzweifelt noch einmal an etwas anzuknüpfen, was eigentlich lange vorbei ist. Und die Jungen begeben sich in ein Hamsterrad des Lernens, bei dem sie insgeheim ahnen, dass es nicht zum Glück führt.

Filmstill Wir waren Könige (Foto: Filmfest München)
Verschworene Einheit auf tönernden Füßen: Die Kollegen von der SEKBild: Filmfest München

Ein ganz ähnliches Thema, wenn auch in völlig unterschiedlicher Erzählweise und mit ganz anderen ästhetischen Mitteln, greift Philipp Leinemann in seinem in München uraufgeführten Film "Wir waren Könige" auf. Leinemann erzählt von einer SEK-Gruppe der Polizei, die in ihrem alltäglichen Kampf gegen das Verbrechen an inneren Wiedersprüchen und Idealen zerbricht. Parallel dazu entwickelt Leinemann in einem weiteren Handlungsstrang die Geschichte zweier Jugendgangs - und setzt diese in Beziehung zu den Polizisten.

Zerbrochene Ideale

Bei der Entstehung des Drehbuches sei ihm vor allem das Thema Freundschaft wichtig gewesen, erzählt Leinemann in München: "Freundschaft und der Zerfall davon." Die Freundschaft, die seine Charaktere aufrechterhalten, sei im Grunde gar nicht mehr vorhanden, so der Regisseur. "Da ist eigentlich nur noch eine Vorstellung davon da." Die Filmcharaktere, insbesondere die schon lange im Dienst stehenden SEK-Polizisten, zehren nur noch von vergangenen Zeiten. Sie leben mit Idealen, die eigentlich lange zerbröselt sind. In den Mühlen des Alltags und der Realität.

Philipp Leinemann Filmregisseur (Foto: Jochen Kürten)
Regisseur Philipp LeinemannBild: DW/J. Kürten

Und schließlich kreiste noch ein dritter Film in München um das Thema. Regisseurin Vanessa Jopp hat ihren Film auch direkt so betitelt. "Lügen" ist ein Ensemblefilm, der das Leben einer Handvoll Charaktere in einer Großstadt auffächert und die einzelnen Geschichten miteinander verzahnt. Im Mittelpunkt auch hier: Menschen in der Lebensmitte, die zurückblicken und erkennen müssen, das zwischen der Wahrnehmung des eigenes Lebens und der Realität häufig ein Loch klafft.

"Lebenslügen ist das große Thema meines Films, aber es geht auch um die ganz kleinen, banalen Lügen", sagt Regisseurin Vanessa Jopp über ihren Film. Der beschreibe Lügen in allen Stadien. "Die Königslüge ist die Selbstlüge - und das ist dann wiederum die Lebenslüge: Wie hat man sich sein Leben aufgebaut? Was glaubt man unbedingt haben oder sein zu wollen und was ist eigentlich das, was man wirklich bräuchte oder was man wirklich fühlt?"

Da ist die Zahnärztin, die endlich heiraten will, aber feststellt, dass ihr Freund gar nicht der richtige Mann für sie ist. Da ist der Immobilienmakler, dessen Geschäfte nicht rund laufen und der lieber jungen Frauen nachschaut als seiner Zukünftigen. Da ist die idealistische Künstlerin, die sich in ihren Yogalehrer verliebt, der neben seiner zarten, sensiblen Seite noch etwas verbirgt, was so gar nicht mit seinem Beruf zusammenpasst. "Lügen" ist nicht das Porträt einer Generation, vielmehr ein Fokus eines bestimmten Lebensabschnittes: "Das Thema ist auf jeden Fall eines, was in den letzten Jahren, durch Lebenserfahrung gereift ist", erzählt Jopp.

Filmstill Lügen
Filmszene aus dem Kinofilm "Lügen" von Regisseurin Vanessa JoppBild: Filmfest München

Thema der Stunde

Noch andere Filme in der Reihe "Neues Deutsches Kino" beim 32. Filmfest in München (27.6.-5.7.) griffen in diesem Jahr das Thema Lebenslügen auf. Es waren ganz unterschiedliche Werke, Komödien und Dramen, Ensemblefilme und Kammerspiele mit nur wenigen Schauspielern. Das zeichnet das deutsche Kino der letzten Jahre aus: Vielfältigkeit, Genrevariationen, unterschiedliche Stile. Die Themen hingegen sind der Zeit geschuldet. Und derzeit sind es offenbar die Menschen, die die Jugend schon einige Jahre hinter sich gelassen haben und die nun an einem Punkt angekommen sind, an dem sie sich entscheiden müssen. Wollen sie weiter an ihren Lebenslügen festhalten oder sich der Realität stellen?